Parlamentskorrespondenz Nr. 653 vom 02.07.2014

Sozialausschuss: Mehr Schlechtwettertage für BauarbeiterInnen

Wien (PK) – Im Baubereich wird das Winterkontingent an höchstmöglichen Schlechtwetterstunden von 192 auf 200 Stunden und das Sommerkontingent von 96 auf 120 Stunden erhöht. Im Gegenzug fallen verschiedene bestehende Erhöhungsmöglichkeiten, etwa wegen besonders schlechter Witterungsverhältnisse oder Naturkatastrophen, weg. Das sieht eine Novelle zum Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz vor, die heute gemeinsam mit einer Änderung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes mit SP-VP-G-Mehrheit den Sozialausschuss passierte. Das Gesetzespaket bringt auch Präzisierungen beim neuen Überbrückungsgeld für BauarbeiterInnen und bei den neuen Regelungen zum Urlaubsverbrauch.

Für Kritik im Ausschuss, vor allem von Seiten der Grünen, sorgte eine mittels Abänderungsantrag in das Gesetzespaket eingebaute Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, mit dem die Koalition auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs reagiert. Nach Meinung des VfGH ist es gleichheitswidrig, dass zwar Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes und des Wochengeldbezugs bei der Berechnung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld berücksichtigt werden, nicht aber Zeiten des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld. Künftig werden in Entsprechung des Urteils keine dieser Zeiten anerkannt, durch eine Adaptierung des vom VfGH zur Gänze aufgehobenen Paragraphen jedoch sichergestellt, dass andere, vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandete Zeiten, in denen ebenfalls keine Arbeitslosenversicherungspflicht besteht, wie etwa Lehrzeiten, weiter für die Berechnung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld herangezogen werden können. Damit werden etwa Lehrlinge, die nach Ende der Behaltefrist arbeitslos werden, wie bisher bis zu 30 Wochen – und nicht nur 20 Wochen – Arbeitslosengeld erhalten können, wird in den Erläuterungen vermerkt.

Die Grün-Abgeordneten Birgit Schatz und Judith Schwentner äußerten sich empört, dass die erfolgreiche Beschwerde einer Bezieherin von Kinderbetreuungsgeld beim Verfassungsgerichtshof nicht nur keine Verbesserung der rechtlichen Lage für KindergeldbezieherInnen bringt, sondern auch anderen Gruppen wie Präsenzdienern, Zivildienern, Wochengeldbezieherinnen und KrankengeldbezieherInnen auf den Kopf fällt. Sie könne die Logik des Abänderungsantrags nicht nachvollziehen, hielt Schwentner fest. Zudem gab sie zu bedenken, dass bis zum Wirksamwerden des VfGH-Urteils am 1. Jänner 2015 noch genügend Zeit für eine sinnvolle Gesetzesreparatur geblieben wäre. Eine von den Grünen zu dieser Frage vorgelegte Ausschussfeststellung fand allerdings keine Mehrheit.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer sprach von einer Interimslösung. Über die Frage würde weiter diskutiert, versicherte er. Die Gesetzesreparatur sei aber notwendig, sonst hätte das VfGH-Urteil auch für Lehrlinge, ältere ArbeitnehmerInnen und selbstversicherte Selbstständige negative Folgen. Den Zeitpunkt der Beschlussfassung begründete er damit, dass das AMS ausreichend Zeit für die EDV-Umstellung haben müsse. Auch Ausschussvorsitzende Sabine Oberhauser stellte noch Gespräche in Aussicht.

Weiters befassten sich die Abgeordneten im Ausschuss mit zahlreichen Oppositionsanträgen, wobei die Themenpalette von Lohn- und Sozialdumping über die oftmals schlechte Bezahlung von Praktika bis hin zu Pensionsprivilegien und zur Höchstarbeitszeit von SpitalsärztInnen reichte. Sozialminister Hundstorfer bekräftigte, dass die Behörden intensiv zusammenarbeiten würden, um gegen Schwarzarbeit, Unterbezahlung und Scheinanmeldungen vorzugehen, und stellte für den Herbst ein größeres Paket zur Nachschärfung des Lohn- und Sozialdumping-Gesetzes in Aussicht. In diesem Zusammenhang sollen laut SPÖ-Abgeordnetem Josef Muchitsch auch Maßnahmen gegen Scheinselbständigkeit ergriffen werden.

Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz wird neuerlich geändert

Mit der Änderung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes (BUAG) und damit in Zusammenhang stehenden gesetzlichen Adaptierungen (167 d.B.) knüpfen die Abgeordneten an eine im vergangenen Jahr beschlossene Gesetzesnovelle an. Auf das damals eingeführte und unter bestimmten Voraussetzungen an arbeitslose ältere BaurabeiterInnen ausbezahlte Überbrückungsgeld erhalten nun auch BauarbeiterInnen Anspruch, deren Arbeitgeber ihren Sitz im Ausland haben, wenn ihr gewöhnlicher Arbeitsort in Österreich liegt. Damit müssen künftig auch ausländische Arbeitgeber die Arbeitgeberzuschläge zum Überbrückungsgeld zahlen. Die erwartete Zahl der LeistungsbezieherInnen von jährlich rund 2.000 bis 3.000 soll sich laut Sozialministerium nicht maßgeblich erhöhen.

Präzisiert werden die Bestimmungen über die Höhe des Überbrückungsgeldes für Teilzeitbeschäftigte, den Zeitpunkt der Auszahlung der Sonderunterstützung und die Antragstellung. Zudem werden die neu eingeführten Regelungen für den beschleunigten Verbrauch bzw. den Verfall von Urlaubstagen nachgebessert und deren Inkrafttreten von Anfang 2015 auf Mitte 2014 vorgezogen. Während des Bezugs von Überbrückungsgeld wird die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) die Beiträge für die betriebliche Pensionsvorsorge (Abfertigung Neu) bzw. die Zuschlagszahlungen für die Abfertigung Alt übernehmen. Ein bei der Abstimmung mitberücksichtigter Abänderungsantrag hat neben weiteren gesetzlichen Klarstellungen zum Überbrückungsgeld die Verankerung einer Einsichts- und Abfrageberechtigung des Arbeitsmarktservice (AMS) in die Arbeitnehmer- und Betriebsauskunft der BUAK zum Inhalt.

Der Hinweis von SPÖ-Abgeordnetem Josef Muchitsch und ÖVP-Abgeordnetem Gabriel Obernosterer, dass es sich bei der vorliegenden Materie um einen von den Sozialpartnern ausverhandelten Konsens handelt, führte zu umgehender Kritik von den NEOS und vom Team Stronach. Es sei typisch für die Gesetzgebung, dass sich die Sozialpartner auf etwas einigen und das Parlament hüpfe dann nach, kritisierte Abgeordneter Gerald Loacker (N). Lebendiger Parlamentarismus schaue anders aus, fügte Abgeordnete Waltraud Dietrich (T) hinzu. Für Loacker ist das Überbrückungsgeld außerdem eine Form der Frühpensionierung, die es nirgendwo anders gibt und die daher systemwidrig ist.

Abgeordneter Muchitsch zeigte für die Einwände der NEOS und des Team Stronach wenig Verständnis. Das Überbrückungsgeld würde von den Sozialpartnern selbst finanziert, machte er geltend. Nach 44 Jahren Schwerarbeit seien viele BauarbeiterInnen zudem nicht mehr arbeitsfähig. Auch Kritik von FPÖ-Abgeordneter Dagmar Belakowitsch-Jenewein an den neuen Regelungen für den Verbrauch von Alturlaub wollte er nicht gelten lassen. Die BauarbeiterInnen würden nun mit allen anderen ArbeitnehmerInnen gleichgestellt und müssten bei Arbeitslosigkeit Alturlaub verbrauchen. Er hält es zudem nicht für sinnvoll, Dutzende Urlaubstage über mehrere Jahre hinweg anzusammeln, dazu sei der Urlaubsanspruch nicht gedacht.

Nach Ansicht von Belakowitsch-Jenewein bringen die neuen Urlaubsregeln für BaurbeiterInnen hingegen massive Verschlechterungen für die Betroffenen, etwa durch die Verkürzung des Verfallszeitraums von 10 auf 3 Jahre. Zudem sei es nicht sehr familienfreundlich, wenn die BauarbeiterInnen im November oder Dezember Zwangsurlaub nehmen müssten, sagte sie. Die FPÖ habe daher bereits die ursprüngliche Novelle abgelehnt und werde nun auch gegen die Adaptierung stimmen. Das Überbrückungsgeld wertete Belakowitsch-Jenewein hingegen als richtigen Weg.

Ausdrücklich zustimmend zur Regierungsvorlage äußerte sich Abgeordnete Schatz. Die gleichzeitige Ablehnung des Abänderungsantrags begründete sie mit der eingebauten Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes.

FPÖ urgiert weitere Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping

Mit der Regierungsvorlage mitverhandelt wurden mehrere Oppositionsanträge, die schließlich mit unterschiedlichen Mehrheiten abgelehnt wurden. So urgiert die FPÖ weitere Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping und schlägt unter anderem den zumindest zeitweisen Entzug der Gewerbeberechtigung, den Ausschluss vom Bezug von Arbeitsmarktförderungen und die Einrichtung eines öffentlich zugänglichen Registers für belangte Betriebe vor (362/A[E]). Zudem treten die Abgeordneten Herbert Kickl und Dagmar Belakowitsch-Jenewein dafür ein, den Arbeitsmarktzugang für EU-BürgerInnen sektoral zu beschränken (377/A[E]) und den Gebietskrankenkassen künftig keine Mittel mehr aus dem Insolvenz-Entgeltfonds zu überweisen (418/A[E]). Damit sollen sie bewegt werden, effektiver gegen Scheinanmeldungen am Bau vorzugehen. Neuerlich von der FPÖ aufs Tapet gebracht wurde zudem die ihrer Meinung nach undurchsichtige Vergabe und mangelhafte Qualität von AMS-Kursen und anderen Arbeitsmarktförderprojekten (226/A[E]).

Von Seiten der Koalitionsparteien machte Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) geltend, dass es beim AMS Transparenz, Kontrolle und qualitätssichernde Maßnahmen gebe. Es könne vorkommen, dass bei der Zuweisung zu Schulungen der eine oder andere ungerecht behandelt werde, meinte sie, ein Großteil der Schulungsmaßnahmen würde von den Betroffenen aber positiv bewertet und führe auch zum Erfolg. Besonders hob sie die gute Arbeit der sozioökonomischen Betriebe hervor.

Ihr Fraktionskollege Josef Muchitsch gab zu bedenken, dass eine sektorale Beschränkung des österreichischen Arbeitsmarkts für EU-BürgerInnen weder möglich noch sinnvoll sei. Man könne nicht die Beschäftigung von ÖsterreicherInnen im Ausland befürworten, die Beschäftigung ausländischer ArbeitnehmerInnen in Österreich aber ablehnen, sagte er mit Hinweis auf allein 440 österreichische BauarbeiterInnen auf der Baustelle Stuttgart 21. Man müsse die Probleme am Bau anders lösen.

Verwundert zeigten sich sowohl Muchitsch als auch NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker darüber, dass die FPÖ in der gestrigen Sitzung des EU-Unterausschusses eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Länder zur Verhinderung von Schwarzarbeit und Scheinanmeldungen abgelehnt hat, mit dem Argument, die EU-Initiative würde zusätziche unnötige Bürokratie verursachen. Er erinnerte zudem daran, dass zur Zeit der FPÖ-Regierungsbeteiligung die Regelungen für den Erhalt eines Gewerbescheins erheblich gelockert wurden, was nun zu massiven Problemen mit Scheinselbstständigkeit führe. Viele ArbeitnehmerInnen würden von Unternehmen in die Selbstständigkeit gedrängt und seien auch selbst Opfer, weil sie um Sozialleistungen umfallen, skizzierte er.

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (V) wies darauf hin, dass die rechtliche Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie in Vorbereitung sei.

Die Forderungen der FPÖ wurden von den Abgeordneten Peter Wurm und Dagmar Belakowitsch-Jenewein bekräftigt. Wurm wies darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit am Bau zuletzt rasant gestiegen sei. Insgesamt rechnet er damit, dass Österreich im Winter bei 500.000 Arbeitslosen landen wird. Angesichts der aktuellen Konjunkturentwicklung kann er auch nicht glauben, dass die Wachstumsprognosen für heuer halten werden. Ein heutiger Bericht in der Kronen-Zeitung bestätigt Wurm zufolge außerdem, dass es allein in Wien Tausende Scheinfirmen gibt.

Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein machte darauf aufmerksam, dass das Lohn- und Sozialdumping-Gesetz lückenhaft sei. Man könne nicht überprüfen, ob entsendete ArbeitnehmerInnen in ihrer Heimat sozialversichert seien oder ob es Geldrückflüsse zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gebe. Ein zunehmendes Problem sind für sie Scheinanmeldungen: Bis zu 300 € würden gezahlt, um sozialversichert zu sein.

Grün-Abgeordnete Birgit Schatz wertete die Anträge der FPÖ in weiten Bereichen als nicht konsistent. Statt einer sektoralen Beschränkung des Arbeitsmarkts wäre es sinnvoller, Konjunkturpakete zu schnüren oder über eine Verkürzung der Arbeitszeit nachzudenken, hielt sie fest.

Von der gesamten Opposition unterstützt wurde allerdings die Forderung der FPÖ nach mehr Transparenz beim AMS. Für Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein ist es evident, dass Arbeitslose oftmals nur deshalb in Schulungen geschickt werden, um Arbeitslosigkeit zu verstecken. Es gebe selbstverständlich Kurse, die in Ordnung seien, sagte sie, die Beschwerdequote sei aber deutlich höher, als die SPÖ suggerieren wolle.

Auch Grün-Abgeordnete Birgit Schatz warf der SPÖ vor, bestehende Probleme zu verharmlosen und machte geltend, dass viel zu wenig auf die tatsächlichen Bedürfnisse von Arbeitslosen eingegangen werde. In der Regel würden die Betroffenen unabhängig vom individuellen Nutzen zu offenen Kursen zugebucht, wobei kurzen und billigen Kursen grundsätzlich der Vorzug gegeben werde.  

Sozialminister Rudolf Hundstorfer bekräftigte, dass die zuständigen Behörden intensiv zusammenarbeiten würden, um Schwarzarbeit und anderen Betrugsabsichten "auf die Schliche zu kommen". Das Sozialministerium wisse, dass das Baugewerbe anfällig für Betrug sei, "wir schlafen aber nicht". So gebe es etwa in Bezug auf Scheinanmeldungen eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Sozialversicherungsträgern. Derzeit sind laut Hundstorfer 14 ausländische Firmen aufgrund von Gesetzesverstößen für den österreichischen Arbeitsmarkt gesperrt, 50 % der wegen Unterbezahlung angezeigten Unternehmen seien aber österreichische Firmen. Für den Herbst stellte der Minister eine Nachschärfung des Lohn- und Sozialdumping-Gesetzes in Aussicht.

Zur Forderung nach einer sektoralen Beschränkung des heimischen Arbeitsmarkts merkte Hundstorfer an, abgesehen davon, dass dies europarechtlich nicht möglich wäre, müsse man auch sehen, dass in Summe 600.000 ÖsterreicherInnen im Ausland beschäftigt seien. Beim AMS ist ihm zufolge umfassende Transparenz gegeben. Von 300.000 KursteilnehmerInnen im Jahr würden im Übrigen bei Bewertungen nur 2 % sagen, dass ihre Kurse sinnlos und unnötig seien.

Team Stronach schlägt neues Modell für den sozialen Wohnbau vor

Vom Ausschuss abgelehnt wurde auch ein Entschließungsantrag des Team Stronach, in dem Abgeordnete Waltraud Dietrich eine neues Modell für den sozialen Wohnbau vorschlägt (397/A[E]). Um zu gewährleisten, dass Sozialwohnungen ausschließlich sozial bedürftigen Menschen zur Verfügung stehen, sollen ihrer Vorstellung nach alle fünf Jahre Einkommensüberprüfungen durchgeführt werden. Wer zu viel verdient, soll die Wohnung kaufen oder ausziehen müssen.

Der Antrag wurde lediglich von den NEOS unterstützt. Zwar äußerte auch Grün-Abgeordnete Judith Schwentner Verständnis für das Anliegen, Sozialwohnungen zielgerichtet zu vergeben, sie warnte aber vor einer Ghettoisierung des sozialen Wohnbaus, sollte man Besserverdiener zwingen, ihre Wohnung zu kaufen, um sie nicht zu verlieren. Auch Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) hob die Bedeutung einer sozialen Durchmischung von Wohnanlagen hervor.

FPÖ ortet nach wie vor zu viele "Luxuspensionen"

Zum Thema Pensionen lagen dem Ausschuss ein Antrag der FPÖ und zwei Anträge der NEOS vor. Den Freiheitlichen geht das vor kurzem beschlossene Sonderpensionenbegrenzungsgesetz zu wenig weit, sie fordern die Abschaffung sämtlicher "Luxuspensionen" im öffentlichen Bereich (509/A[E]). Die NEOS drängen darauf, Personen, die eine Alterspension beziehen und daneben erwerbstätig sind, von der gesetzlichen Verpflichtung zur Zahlung von Pensionsbeiträgen auszunehmen (351/A[E]) und mehr JugendvertreterInnen in die Pensionssicherungskommission zu entsenden (361/A). Alle drei Anträge wurden mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP mehrheitlich vertagt.

August Wöginger (V) begründete die Haltung der beiden Koalitionsparteien zum FPÖ-Antrag mit dem Hinweis, dass die Regelung, die man mit dem Sonderpensionenbegrenzungsgesetz getroffen hat, eine äußerst komplexe sei und Verfassungsbestimmungen notwendig gewesen seien, da man in Eigentumsrechte eingegriffen habe. Daher warnte er davor, falsche Erwartungshaltungen zu wecken. Was die von der FPÖ geforderte Einbeziehung der Länder betrifft, so sei es immer Usance gewesen, nicht mit einer Verfassungsmehrheit über die Länder drüberzufahren. Wöginger erinnerte in diesem Zusammenhang an die diesbezügliche Ausschussfeststellung, er geht davon aus, dass die Länder ähnliche Regelungen erlassen werden.

Die Abgeordneten Gerald Loacker (N) und Judith Schwentner (G) zeigten zwar Verständnis und Sympathien für das Anliegen der Freiheitlichen, schlossen sich aber der realistischen Einschätzung von Wöginger an. Sie unterstütze jeden Schritt zu einem einheitlichen Pensionssystem, sagte Schwentner.

Die Zusammensetzung der Pensionssicherungskommission sei ein "work in progress", merkte Sozialminister Rudolf Hundstorfer zum entsprechenden Vorstoß der NEOS an und informierte die Abgeordneten, dass man bis 2017 dem genannten Gremium neue Strukturen geben werde, wobei auch der Generationenausgleich berücksichtigt werden soll. Das Gremium sollte eher kleiner gehalten werden, meinte dazu der Sozialsprecher der ÖVP August Wöginger, die Mitglieder sollten sich seiner Meinung nach in erster Linie aus ExpertInnen zusammensetzen.

Als zu groß und aufgeblasen erachtete auch Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) die Zusammensetzung der Pensionssicherungskommission, die Jugend sollte ihrer Ansicht nach jedoch darin vertreten sein. Unterstützt wurde der Vorschlag der NEOS grundsätzlich von den Grünen. Nach Ansicht Schwentners fehlen dem Antrag jedoch klare Kriterien. Es gehe in erster Linie um ein Gleichgewicht zwischen den Generationen, das derzeit nicht gegeben sei, und um ein Miteinander, warb Loacker nochmals für den Antrag seines Klubkollegen.

Was den zweiten Antrag der NEOS hinsichtlich der Beitragspflichten für PensionistInnen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, betrifft, so unterstrich dazu Gerald Loacker (N), es sei der Gesundheit durchaus dienlich, wenn man auch im fortgeschrittenen Alter einer Tätigkeit nachgehe. Auch Judith Schwentner (G) konnte dem Antrag durchaus etwas abgewinnen. Demgegenüber plädierte August Wöginger (V) dafür, die Frage in einem Gesamtzusammenhang zu sehen. Im Vordergrund müsse stehen, die Menschen länger im Erwerbsleben zu halten, betonte er, dennoch sollte man den Vorschlag im Rahmen eines Gesamtmaßnahmenpaktes mitdiskutieren. Wenig von der Initiative der NEOS hielt Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F). Für sie steht im Vordergrund, das faktische Pensionsalter anzuheben. Sozialminister Rudolf Hundstorfer warf dazu ein, dass sich die Einnahmen für die Sozialversicherung aus Beiträgen von PensionistInnen, die einer Beschäftigung nachgehen, auf rund 130 Mio. € im Jahr belaufen.   

Volontariate und Praktika: Grüne drängen auf gesetzliche Änderungen

Passend zum Ferienbeginn setzte sich der Sozialausschuss mit der Bezahlung für Ferialjobs und der Entlohnung von PraktikantInnen auseinander. Um eine faire Bezahlung aller PraktikantInnen zu gewährleisten, sprechen sich die Grünen dafür aus, in die Lohntabellen sämtlicher Kollektivverträge auch die Verwendungsgruppen "PraktikantInnen aus Fachhochschulen und Universitäten" sowie "PraktikantInnen aus berufsbildenden Schulen" aufzunehmen (28/A[E]). Dieser Antrag wurde ebenfalls mit den Stimmen der beiden Koalitionsparteien vertagt.

Abgelehnt wurden hingegen zwei andere Anträge der Grünen zu diesem Thema. So verlangt Abgeordnete Birgit Schatz einen klaren gesetzlichen Rahmen für Praktika inklusive einer strikten zeitlichen Begrenzung (29/A[E]). Dieser Initiative stimmten nur die Grünen und die FPÖ zu. Zudem will Schatz Volontariate, also gänzlich unbezahlte Arbeitsverhältnisse, komplett verbieten (30/A[E]).

Sozialminister Hundstorfer warnte eindringlich davor, Volontariate zu verbieten. Dies wäre ein Rückschritt, hielt er fest, denn derzeit wisse man wie viele Volontäre wo und wie lange arbeiten. Außerdem seien die betreffenden Personen unfallversichert. Würde man diese Möglichkeit gesetzlich nicht mehr zulassen, dann wäre dieser ganze Bereich wieder anonym und unkontrollierbar. Jährlich machen rund 1.000 Personen ein Volontariat, informierte der Sozialminister den Ausschuss. Der Antrag fand schließlich keine Unterstützung der anderen Fraktionen.

Die FPÖ wiederum schlägt ein Mindestlohnmodell für FerialpraktikantInnen auf Basis des Ausgleichszulagen-Richtsatzes vor (504/A[E]). Sie konnte die anderen Parteien jedoch nicht davon überzeugen, somit blieb der Antrag in der Minderheit.

Zu den vier Anträgen entspann sich eine breitere Diskussion, in der sich die Komplexität des Themas einmal mehr herauskristallisierte. Birgit Schatz (G) wies darauf hin, dass es Praktika während und nach einer Ausbildung gebe, wobei jene nach der Ausbildung ihrer Meinung nach im Grunde genommen keine Praktika mehr seien. Außerdem müsse man zwischen verpflichtenden und freiwilligen Praktika unterscheiden und dafür gebe es keine einheitlichen Regelungen, kritisierte sie. Als zentrale Forderungen nannte sie die Schaffung einer entsprechenden Qualitätssicherung einerseits und die Festlegung rechtlicher Rahmenbedingungen. Außerdem sollten sich die Sozialpartner in der Frage der Entlohnung zusammensetzen. Schatz kann sich auch ein Stipendiensystem für Praktika vorstellen.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer räumte in der Diskussion durchaus Vollzugsprobleme in manchen Bereichen ein. Das Thema bleibe daher weiter auf der Agenda, sicherte er zu. SPÖ-Abgeordneter Johann Hechtl erinnerte in diesem Zusammenhang an die vielen Schritte, die zur Verbesserung der Situation gesetzt worden seien. Eine Enquete im Sozialministerium habe überdies wertvolle Anregungen für die Verhandlungen der Kollektivvertragspartner gegeben. Praktika in alle Kollektivverträge aufzunehmen, hielt Markus Vogl (S) für realitätsfern, zumal manche Tätigkeiten sich in keinem Fall für Praktika eignen. Für ihn besteht vielmehr die Notwendigkeit, sich über einheitliche Standards zu einigen.

Waltraud Dietrich vom Team Stronach und Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) beklagten, dass UniversitätsabsolventInnen in vielen Fällen keinen Arbeitsplatz bekommen und von einem Praktikum zum anderen stolpern. Dietrich warnte daher vor noch engeren gesetzlichen Bestimmungen für Unternehmen. Dem schloss sich auch August Wöginger (V) an. Er machte zudem darauf aufmerksam, dass Personen, die ein Ferialpraktikum oder ein Berufsfindungspraktikum machen, keine Arbeitskraft ersetzen, weshalb man auch diesen Aspekt in der Gesamtdiskussion berücksichtigen müsse. Wöginger zufolge sollten sich daher die Sozialpartner weiter eingehend mit der Problematik beschäftigen. Aufgrund der großen Unterschiede von Praktikumsangeboten dürfe man in keiner Weise einheitliche Regelungen über alle Gruppen stülpen, betonte er. Gegen allzu enge Regelungen sprach sich auch Gerald Loacker (N) aus, wobei er einräumte, dass Arbeitsverhältnisse mitunter fälschlicherweise unter dem Begriff Praktikum laufen.

Grüne und FPÖ für Beschränkung der Arbeitszeit von SpitalsärztInnen

Auf Basis von Entschließungsanträgen der Grünen (86/A[E]) und der FPÖ (104/A[E]) diskutierte der Sozialausschuss über die Arbeitszeit von SpitalsärztInnen. Beide Fraktionen sprechen sich dafür aus, die durchgängige Arbeitszeit auf maximal 25 Stunden zu begrenzen. Zudem drängt die FPÖ drauf, ÄrztInnen von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Da hier die Diskussionen laufen und sich nach Aussage von Sozialminister Hundstorfer die Verhandlungen in einem guten Stadium befinden, wurden beide Initiativen mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit vertagt.

Ärzte und Ärztinnen arbeiten zu viel und sind Burnout-gefährdet, begründete Eva Mückstein (G) ihre Initiative. Sozialminister Rudolf Hundstorfer kündigte für Oktober ein Paket an, wobei eine Übergangsfrist von sieben Jahren vorgesehen sein wird. Das sei notwendig, da ansonsten vier Bundesländer das Versorgungsniveau nicht halten können. Er reagierte damit auf einen Abänderungsantrag Mücksteins, in dem eine dreijährige Übergangsfrist gefordert wird. Junge ÄrztInnen sollten nicht in einem Klima der Überforderung sozialisiert werden, erklärte dazu die Grüne Gesundheitssprecherin.

Wenn man auch großes Verständnis für das Anliegen zeigte, so plädierten die Abgeordneten Johann Höfinger (V), Sabine Oberhauser (S) und Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) doch dafür, realistisch zu bleiben. Eine raschere Reduktion der Arbeitszeiten von ÄrztInnen in den Spitälern liege an den Spitalsträgern, nämlich an den Ländern, die eine raschere Umstellung nicht bewerkstelligen können. Man werde jedoch hinsichtlich der 25-Stunden-Regelung am Ball bleiben, unterstrich Oberhauser. Der Minister sprach in diesem Zusammenhang die Hoffnung aus, dass es gelingen werde, die volle Übergangsfrist nicht auszuschöpfen. 

NEOS wollen Augenmerk auf "Energiearmut" lenken

Schließlich vertagte der Ausschuss – ebenfalls mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit - einen Entschließungsantrag der NEOS, der darauf abzielt, dem Phänomen der "Energiearmut" mehr Augenmerk zu schenken (404/A[E]). Immer mehr Haushalte würden durch die steigenden Strom- und Heizkosten in Zahlungsschwierigkeiten gebracht, gibt Abgeordneter Michael Pock zu bedenken. Als konkrete Gegenmaßnahmen regen die NEOS unter anderem an, das Thema "Energieeffizienz und Energieberatung" stärker in das Ausbildungs-Curriculum von Sozialberufen zu integrieren, die thermische Sanierung sozialer Wohnbauten zu forcieren und die Beratung zu intensivieren.

Dass dies ein wichtiges Thema darstellt, darüber waren sich alle einig. Viele Schritte zur Bekämpfung der Energiearmut seien bereits gesetzt worden, stellte Johann Hechtl (S) fest. Für Sozialminister Rudolf Hundstorfer kann das Energieeffizienzgesetz, das vor der Beschlussfassung steht, einen weiteren Beitrag leisten. Judith Schwentner (G) und Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) zeigten großes Verständnis für die Initiative der NEOS, kritisierten jedoch die im Antrag angesprochene Umschichtung von Finanzleistungen hin zu Sachleistungen. Sachleistungen seien dann sinnvoll, wenn diese eine größere Stromersparnis bewirken, erklärte Gerald Loacker (N) die Motive seiner Fraktion. Er kritisierte zudem, dass noch immer keine Definition vorliegt, was unter Energiearmut zu verstehen sei. (Schluss Sozialausschuss) gs/jan