Parlamentskorrespondenz Nr. 625 vom 26.06.2014

Mitterlehner: Mehr Innovation braucht Wandel der Investitionskultur

Wien (PK) – Der Österreichische Forschungs- und Technologiebericht 2014 stand heute an der Spitze der Tagesordnung des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie. Er wurde diesmal mit Bundesminister Reinhold Mitterlehner und geladenen Experten ausführlich diskutiert und in der Folge vertagt, um in einer weiteren Sitzung mit Ministerin Doris Bures noch weitere Aspekte besprechen zu können.

Der Ausschuss behandelte außerdem Anträge der Opposition, die durchwegs mit Mehrheit vertagt wurden. Das Team Stronach wünscht eine Evaluierung der österreichischen Forschungsförderung, während die FPÖ es für angebracht hält, die Forschungsprämie zu evaluieren. Zudem sprechen sich die FPÖ-Abgeordneten gegen Forschungsmittel für das Atommülllager der Nuclear Engineering Seibersdorf (NES), einer Tochterfirma des Austrian Institute of Technology (AIT), aus. Die Grünen wiederum wollen die Evaluierung der indirekten Forschungsförderung und damit verbunden eine Erhöhung der Forschungsprämie für EPUs und KMUs. Die NEOS sehen Gründe, die Vorratsdatenspeicherung ersatzlos abzuschaffen.

Österreich trotz hoher F&E-Quote nicht unter "Innovation Leaders"

Der Forschungs- und Technologiebericht 2014 (III-83 d.B.) gibt unter anderem detaillierte Auskunft über die aus Bundesmitteln und von Unternehmen geförderte Forschung, Technologie und Innovation sowie über die Stellung Österreichs in internationalen Rankings. Er wurde im Auftrag des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Reinhold Mitterlehner und der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures erarbeitet. Zur Präsentation des Berichts waren Wolfgang Polt (Joanneum Research), Karl-Heinz Leitner (Austrian Institute of Technology) und Jürgen Janger (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung) eingeladen.

Wie Wolfgang Polt ausführte, werden 2014 in Österreich laut jüngster Globalschätzung der Statistik Austria die Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) voraussichtlich 9,32 Mrd. € betragen. Gegenüber dem Vorjahr bedeute dies einen nominellen Anstieg um 2,73 %. Für 2014 ergibt sich daraus eine F&E-Quote von 2,88 % des BIP, womit auf Basis der vorliegenden Prognosen die F&E-Quote nach einer Phase des starken Anstiegs faktisch auf dem Niveau der Jahre 2013 bzw. 2012 stagniere, stellte Polt fest.

Im europäischen Vergleich liegt Österreich deutlich über der durchschnittliche F&E-Quote der EU-28 von 2,06 % (2012) an fünfter Stelle. Die Einführung der neuen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bringe ab September 2014 allerdings Änderungen mit sich, F&E-Ausgaben würden dann in das Bruttoinlandsprodukt einfließen, die F&E-Quote sich aber durch diese Neuberechnung leicht verringern, merkte Polt an.

Österreich weise einen im EU-Durchschnitt durchaus hohen Mitteleinsatz für Forschung und Entwicklung (F&E) auf. Auch wenn Rankings nicht alle Innovationsleistungen in Österreich adäquat abbilden können, lasse sich doch erkennen, dass Österreich in der Innovationsleistung immer noch deutlich hinter den "Innovation Leadern" zurückbleibe, lautete das Resümee der Experten. Es werde sehr großer Anstrengungen bedürfen, um hier wesentliche Änderungen zu erreichen. Auf Nachfragen der Abgeordneten Gerhard Deimek (F) und Philip Kucher (S) zur Innovationskultur in Österreich nannte Wolfgang Polt als wesentliche Gründe für diese Position Österreichs im Mittelfeld die österreichische Industriestruktur, in der der Hochtechnologiesektor nicht so ausgeprägt sei, wie etwa in der Schweiz. Zudem bestehe eine geringere finanzielle Ausstattung der Grundlagenforschung. Es sei sicherlich sinnvoll, hier anzusetzen, stellte er fest.

Erörtert wurde auch die Frage des Einsatzes von mehr Risikokapital, der laut Bericht in Österreich unterentwickelt ist. Abgeordneter Bruno Rossmann (G) fragte, was die Entwicklung neuer Finanzierungsformen wie Crowdfunding bzw. Crowdinvesting hemme. Klärungsbedarf bestehe vor allem in Fragen der Regulierung und des Anlegerschutzes, bemerkte dazu Jürgen Janger. Österreich habe sich in den letzten Jahren gut in internationalen Wertschöpfungsketten positionieren können, so der Experte. Abgeordnete Angelika Winzig (V) stellte fest, es dürfe die Innovationskraft der KMUs nicht unterschätzt werden, diese werde jedoch von den internationalen Rankings leider nicht hinreichend abgebildet.

Von Karl-Heinz Leitner wurde die Frage der Hochschulrankings und der Entlohnung als Faktor für erfolgreiche Rekrutierung hochqualifizierter UniversitätsforscherInnen erörtert. Abgeordneter Karlheinz Töchterle (V) erkundigte sich in diesem Zusammenhang, ob man tatsächlich von Brain Drain sprechen dürfe, da Österreich auch viele junge ForscherInnen anziehe. Jürgen Janger erklärte dazu, es gebe eine eindeutige Bewegung hin zu den guten amerikanischen Universitäten, der faktisch keine Rückkehrbewegung gegenüberstehe. Daraufhin meinte Abgeordneter Nikolaus Scherak (N), dass hier Änderungen der zu restriktiven Bestimmungen der Rot-Weiß-Rot-Karte überfällig seien. Team-Stronach-Mandatar Rouven Ertlschweiger merkte an, eine allgemeine Reform des Bildungssystems sei wichtig, wenn Österreich seine Position halten wolle.

Mitterlehner: Investitionskultur in Österreich muss sich wandeln

Der Bericht sei eine wertvolle Grundlage für Entscheidungen der österreichischen Politik. Die österreichische FTI-Politik müsse auf Veränderungen im neuen Rahmenprogramm Horizon 2020 reagieren, etwa durch die Definition von neuen Zielsetzungen, hielt Wissenschaftsminister Mitterlehner fest. Dazu gehöre eine Steigerung der Rückflüsse auf mindestens 1,5 Mrd. € bis zum Jahr 2020 und die Erhöhung der Zahl der ERC Grants, betonte Mitterlehner. Zu diesem Zweck sei die Unterstützungs- und Beratungsleistung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) neu aufgesetzt und verbessert worden. In der Fragen neuer Finanzierungsinstrumente wie Crowdfunding sah Mitterlehner positive Anzeichen, dass die Widerstände dagegen langsam schwinden. Um die Beteiligung des privaten Sektors an der Forschungsfinanzierung zu erhöhen, müsse auch eine Änderung der Unternehmens- und Investitionskultur in Österreich stattfinden, meinte er. Derzeit halte man bei 60 %, man wolle aber 66 % erreichen. Der Bund versuche, diesen Wandel zu unterstützen, indem es neue Regeln für Stiftungen und Gemeinnützigkeit geben soll, eine Regierungsvorlage dazu sei in Arbeit.

Der Bericht wurde vom Ausschuss zur weiteren Behandlung einstimmig vertagt.

Opposition will Forschungsförderung evaluieren

Mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt wurden Initiativen der Oppositionsparteien zum Thema Forschungsförderung. Seitens des Team Stronach trat Rouven Ertlschweiger für eine wirksamere Förderung ein und verlangte in seinem Antrag (457/A(E)) eine umfassende Evaluierung des gesamten Systems der heimischen Forschungsförderung. Gerhard Deimek von der FPÖ setzte in seiner Initiative (460/A(E)) bei der Forschungsprämie an, die seiner Meinung nach mehr auf die Stärkung der Innovationskraft und der Wettbewerbsfähigkeit angelegt sein sollte, und schlug diesbezüglich eine Evaluierung vor. Grünen-Forschungssprecherin Ruperta Lichtenecker schließlich lenkte in ihrem Vorstoß (337/A(E)) den Blick auf die indirekte Forschungsförderung und drängte auf eine Überprüfung der Auswirkungen steuerlicher Begünstigungen für Forschung und Entwicklung insbesondere auf die KMU.

Seitens der Regierungsparteien hielten sowohl Philipp Kucher (S) als auch Angelika Winzig (V) eine Evaluierung grundsätzlich für sinnvoll, plädierten aber für die Vertagung ein, um die Thematik in einer der nächsten Ausschusssitzungen ausführlicher zu diskutieren.

NEOS fordern ersatzlose Streichung der Vorratsdatenspeicherung

Eine schnelle und ersatzlose Streichung der Vorratsdatenspeicherung verlangte namens der NEOS Abgeordneter Nikolaus Alm, der sich in seinem Antrag (403/A(E)) dabei vor allem auf die jüngste Entscheidung des EuGH berief. Seine Initiative wurde allerdings unter Hinweis auf das unmittelbar bevorstehende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs in dieser Materie mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt.

FPÖ gegen Forschungsmittel für Nuclear Engineering Seibersdorf

Schließlich lag dem Ausschuss ein Antrag (461/A(E)) des FPÖ-Abgeordneten Axel Kassegger auf Einstellung der Förderung der Nuclear Engineering Seibersdorf aus Mitteln des Forschungsbudgets vor, der einstimmig vertagt wurde. Die Initiative dazu kam von Kassegger selbst, der die Zuständigkeit für diese Materie bei Ministerin Bures verortete und eine Diskussion des Anliegens in der heutigen Sitzung nicht für sinnvoll erachtete. (Schluss) sox/hof