Parlamentskorrespondenz Nr. 229 vom 20.03.2014

Heftige Debatten rund um ELGA und Gesundheitsreform im Ausschuss

Wien (PK) – Die Umsetzung der im Vorjahr beschlossen Gesundheitsreform stand im Mittelpunkt einer aktuellen Aussprache mit Bundesminister Alois Stöger in der heutigen Sitzung des Gesundheitsausschusses. Ein zentrales Element davon, der elektronische Gesundheitsakt (ELGA), wurde von Seiten der Oppositionsparteien sehr kritisch betrachtet. Bemängelt wurden vor allem die möglichen Datenschutzprobleme, die schlechte Umsetzung sowie die gewählte Opt-out-Lösung. Stöger hingegen wünschte sich generell mehr Sachlichkeit in der Diskussion und war überzeugt davon, dass gerade ELGA von der Mehrheit der Menschen als medizinischer Fortschritt gesehen wird. Im weiteren Verlauf der Debatte befassten sich die Abgeordneten noch mit dem seit Jahresbeginn angelaufenen Brustkrebs-Screening, dem Ausbau des Gratis-Kinderimpfprogramms und des Mutter-Kind-Pass-Angebots, der Einführung der Gratis-Zahnspange sowie der ärztlichen Versorgung in den ländlichen Regionen.

In einer einleitenden Stellungnahme erinnerte Bundesminister Alois Stöger an wichtige Maßnahmen im Bereich des Gesundheitssektors, die in den letzten Monaten umgesetzt werden konnten. Ab dem 1. März dieses Jahres können Schwangere erstmals im Rahmen des Mutter-Kind-Passes auch Beratungen durch Hebammen in Anspruch nehmen, hob Stöger als ersten Punkt hervor. Eine weitere Neuerung ist der Ausbau des Gratis-Kinderimpfprogramms. Alle Kinder ab der 4. Schulstufe können sich in Hinkunft kostenlos gegen Humane Papilloma-Viren (HPV) impfen lassen. Eine große Kampagne sei in Bezug auf die Erkrankung mit Masern geplant, da es sich dabei keineswegs um eine harmlose Kinderkrankheit handle. Als einen Meilenstein für die österreichische Frauengesundheit bezeichnete Stöger das Anfang Jänner angelaufene bundesweite Brustkrebs-Früherkennungsprogramm. Dadurch sollen alle 45- bis 69-jährigen Frauen zu Mammografie-Untersuchungen eingeladen werden. Ziel des Programms ist ein qualitätsgesicherter, systematischer Ablauf bei der Früherkennung von Brustkrebs.

Heftige Debatte um Vor- und Nachteile von ELGA

Grundsätzliche Kritik an der elektronischen Gesundheitsakte übte Abgeordnete Eva Mückstein (G), die sich ein Opt-in-System gewünscht hätte. Sie gab zudem zu bedenken, dass sich schon rund 80.000 Personen von ELGA abgemeldet bzw. sich über 200.000 Menschen Abmeldeformulare besorgt haben.

Auch NEOS-Mandatar Gerald Loacker verwies auf die hohe Zahl an Abmeldungen von ELGA. Er fragte sich, ob die "usability" des Systems gegeben ist und warum keine Alternativkonzepte in Erwägung gezogen wurden. Zum Thema Pflege merkte Loacker an, dass zu wenig alternative Wohnbetreuungsformen angeboten werden und zu sehr auf die Unterbringung in klassischen Seniorenheimen gesetzt werde.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) räumte ein, dass es bei der Umsetzung des Mammografie-Screenings, das erst vor kurzem angelaufen ist, noch kleinere "Kinderkrankheiten" geben könne, die man aber schrittweise und basierend auf den praktischen Erfahrungen noch korrigieren werde. Massiv müsse man sicher noch in die Information der Frauen investieren, war Oberhauser überzeugt. Ihrem Vorredner gegenüber stellte sie noch fest, dass die Pflege generell Ländersache sei. Das Bundesland Wien z.B. sei gerade ein Vorreiter in Sachen alternativer Betreuungsformen (u.a. Demenz-Wohngemeinschaften) und biete auch im Rahmen der Unterbringung in Seniorenheimen viele Mischformen an.

Auf die so genannte "Gratis-Zahnspange" kam der freiheitliche Mandatar Andreas Karlsböck zu sprechen. Dabei handle es sich seiner Meinung nach um eine massive Patientenverunsicherung, da dieser Titel impliziere, dass für alle Österreicher von sechs Jahren bis zum Lebensende kostenlose Kieferregulierungen zur Verfügung gestellt werden. Zum Scheitern verurteilt sei auch das ELGA-Projekt, urteilte der FPÖ-Redner, weil es nicht nur ein massives Datenschutzproblem gebe, sondern auch auf einem völlig veralteten Computerprogramm basiere, das nicht bedienerfreundlich ist.

Auch seine Fraktionskollegin, Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F), stand der elektronischen Gesundheitsakte äußerst kritisch gegenüber. Schon jetzt zeige sich, dass vieles nicht funktioniere, meinte die Rednerin, da all jene, die sich abgemeldet haben, nicht einmal eine Bestätigung erhalten hätten. Absolut verbesserungswürdig sei auch das Brustkrebs-Screening, da vor allem genetisch vorbelastete jüngere Frauen sowie ältere Frauen ihrer Meinung nach im Regen stehen gelassen werden.

Von Seiten des Team Stronach erläuterte Abgeordneter Marcus Franz die Bedenken seiner Fraktion hinsichtlich der elektronischen Gesundheitsakte. Im Sinne der Wahlfreiheit der Bürger hätte man auf jeden Fall eine Opt-out-Lösung wählen sollen. Es stelle sich auch die Frage, ob es eine Exit-Strategie gibt, wenn das ganze Projekt – wie z.B. in England – scheitert. Was die Gesundheitsreform angeht, so hätte er sich gewünscht, dass im Vorfeld viel mehr Mediziner, die tagtäglich mit den Patienten zu tun haben und somit die Praktiker sind, befragt worden wären. Er glaube auch, dass man endlich mit dem Ärzte-Bashing aufhören müsse, das helfe niemanden.

Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) plädierte für eine Versachlichung der Debatte, die vor allem die Interessen und Bedürfnisse der Patienten in den Mittelpunkt stellt. Die im Vorjahr beschlossene Gesundheitsreform, mit dem zentralen Element der ELGA, sei ein Meilenstein, war der SPÖ-Mandatar überzeugt, an der Verbesserung eventueller Schwachstellen sollten alle gemeinsam arbeiten. Was die öffentliche Diskussion rund um ELGA betrifft, so sei es sehr bedauerlich, dass die Patienten durch bewusste Falschmeldungen verunsichert würden. Man sollte außerdem nicht vergessen, dass Österreich eines der wenigen Länder ist, das in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die medizinischen Leistungen weiter ausbaut.

Abgeordneter Josef Huainigg (V) hielt die Entwicklung für problematisch, dass in manchen europäischen Ländern eine aktive Sterbehilfe, teilweise sogar für Minderjährige, möglich ist. Er wollte überdies vom Minister wissen, ob geplant sei, die Patientenverfügung mittels E-Card oder ELGA zugänglich zu machen.

Stöger: Durch ELGA werde das Recht der PatientInnen auf umfassende Information gesichert

In Beantwortung der zahlreichen Fragen stellte Bundesminister Alois Stöger zunächst einleitend fest, dass es sich bei ELGA um einen großen Fortschritt im Gesundheitsbereich handle, der von der Mehrheit der Menschen auch begrüßt wird. Derzeit gebe es knapp unter 50.000 Austritte. Er rechne damit, dass sich die Zahl bei etwa 80.000 einpendeln wird. Stöger war auch überzeugt, dass die "usability" des Systems gegeben ist; das von Loacker angesprochene Modell in Deutschland kenne er nicht. Der Minister verteidigte die gewählte Opt-out-Lösung, weil damit das Recht der Patienten auf umfassende Information gewährleistet werde. Wie schon oft erwähnt, sei eindeutig geregelt, dass nur die PatientInnen und jene Ärzte, denen sie ihr Vertrauen schenken, Zugriff auf die Befunde haben werden. Durch die dezentrale Speicherung der Daten sei auch eine maximale Sicherheit gegeben; dies war etwa beim Modell in England nicht der Fall.

Was das Brustkrebs-Screening betrifft, so wurden in den Medien falsche Zahlen kolportiert, erklärte der Minister. Gehe man nämlich von der Zahl der Besuche bei Radiologen aus, dann sind keine Rückgänge feststellbar. Das Programm sei allerdings erst in der Anfangsphase, man müsse nun abwarten, wie es sich weiterentwickelt. Generell sei es ihm ein großes Anliegen, dass die Frauen gut und sachgerecht informiert werden. Es werden nun schrittweise alle Frauen zwischen 45 und 69 Jahren angeschrieben, erläuterte er, wenn sich eine Patientin von selbst meldet, werde sie vorgereiht. Sichergestellt sei auch, dass alle anderen Frauen eine Mammografie erhalten, wenn dies vom Arzt bzw. der Ärztin medizinisch begründet wird.

In Beantwortung einer Frage des ÖVP-Mandatars Huainigg führte Stöger aus, dass auch die Patientenverfügung eines Tages auf ELGA untergebracht werden soll. Dem Abgeordneten Josef Riemer gegenüber merkte Stöger an, dass die Tabaksteuer "kein Mascherl" habe. Es sei allerdings gewährleistet, dass 12 Mio. € in den Gesundheitsbereich fließen. Im Bereich der Pflege sei er nur für die Hauskrankenpflege zuständig, erklärte der Ressortchef. Dieses Thema werde im Rahmen der Umsetzung der Gesundheitsreform – Stichwort Schnittstellen – angegangen werden. Der Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) teilte der Ressortchef mit, dass alle bekannten Thalidomid-Opfer bereits Entschädigungszahlungen in der Höhe von jeweils 62.000 € erhalten haben. Der G-Abgeordneten Judith Schwentner gab er Recht, dass es bezüglich der Umsetzung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung noch Handlungsbedarf gebe und weitere Anstrengungen zur Schaffung von Barrierefreiheit unternommen werden müssen. Dass es auf diesem Gebiet aber ständig Weiterentwicklungen gibt, zeige z.B. der Pilot-Versuch "Video-Dolmetscher" in Krankenhäusern. In Bezug auf das TTIP-Abkommen (Frage des Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, G) betonte Stöger mit Nachdruck, dass auch er der Meinung sei, dass ein Freihandelsabkommen nicht die hohen Standards für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit aushebeln dürfe.

Bericht über Bundes-Zielsteuerungsvertrag mehrheitlich angenommen

Die laufende Gesundheitsreform diskutierte der Ausschuss auch auf Grundlage des Berichts zum Bundes-Zielsteuerungsvertrag für die Jahre 2013 bis 2016 (III-38 d.B.), der mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, NEOS und Teilen der Grünen angenommen wurde. Kern der Reform ist ein partnerschaftliches Zielsteuerungssystem, das eine bessere Abstimmung zwischen dem niedergelassenen Bereich und den Spitälern bringen soll. Um den steigenden Kostenbedarf zu decken, soll bis 2016 der Anstieg der öffentlichen Gesundheitsausgaben mit dem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum synchronisiert werden. Dies entspreche im Jahr 2016 einem Zuwachs von 3,6 Prozent.

Konkrete Maßnahmen der Gesundheitsreform sind u.a. die Verbesserung der ambulanten Versorgung, etwa durch Gruppenpraxen, in jedem Bundesland und die Sicherstellung einer rund um die Uhr verfügbaren Primärversorgung, auch an Wochenenden. Dadurch könne auch die Gesundheitsversorgung in den ländlichen Regionen verbessert werden, war Stöger überzeugt. Grundsätzlich komme zu einer radikalen Änderung des Systems, bei dem nicht mehr die Institutionen, sondern die Bedürfnisse der PatientInnen im Mittelpunkt stehen, betonte der Minister

Was die Diskussion rund um die Hausapotheken anbelangt, so stehe für ihn im Fokus, dass die Medikamente zu den Patienten kommen sollen. Er habe deshalb auch die VertreterInnen der Apotheken und der Ärztekammer eingeladen, gemeinsam eine gute Lösung zu finden. Es sei richtig, dass derzeit von acht Bundesländern Zielsteuerungsverträge übermittelt wurden. Niederösterreich habe eine Fristverlängerung bis zum 31.3.2014 erbeten; diese wurde auch gewährt. (Fortsetzung Gesundheitsausschuss) sue