Hundstorfer: Österreich profitiert von Arbeitsmigration
EU-Unterausschuss erörtert Arbeits- und Sozialpolitik im Binnenmarkt
Wien (PK) – "Österreich hat an der Zuwanderung verdient", sagte Sozialminister Rudolf Hundstorfer im heutigen EU-Unterausschuss des Nationalrats. Gemeinsam mit der heimischen Sozialpartnerschaft seien die richtigen Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping ergriffen worden, wodurch auch Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland unter fairen Bedingungen hier ihre Abgaben leisten. Hundstorfer reagierte damit speziell auf Befürchtungen der FPÖ, Pläne der EU-Kommission zur Ausweitung der unionsweiten Arbeitsplatzvermittlung würden im Land einen Verdrängungswettbewerb um Arbeitsplätze auslösen.
Die übrigen Fraktionen im Ausschuss hießen die Arbeitsmigration im Binnenmarkt generell gut, wobei der SPÖ das "Best- statt Billigstbieterprinzip" bei europaweiten Ausschreibungen ein Anliegen war. ÖVP, Grüne und NEOS bekannten sich klar zur gesteigerten Mobilität der UnionsbürgerInnen im Sinne des vereinten Europas. Das Team Stronach erhoffte mehr Anreize für hochqualifizierte Arbeitsplätze in Österreich, schon um den Wettbewerb zu fördern. Ein FPÖ-Antrag auf Stellungnahme für eine Renationalisierung der Arbeitsmarktpolitik blieb dementsprechend in der Minderheit.
EU-Plan zur Arbeitskräfte-Mobilität auf dem Prüfstand
Ausgangsbasis für die sozialpolitische Debatte war neben einem Ratsbeschluss über die Ernennung neuer Mitglieder für den Ausschuss des Europäischen Sozialfonds ein Kommissionsvorschlag zur Steigerung der Beschäftigungsmobilität in der EU. Mit ihrem Verordnungsentwurf will die Europäische Kommission UnionsbürgerInnen den Zugang zu offenen Arbeitsplätzen im EU-Ausland erleichtern und ihnen die Berufstätigkeit außerhalb der Heimat schmackhaft machen. Die EU-weite Stellenvermittlung soll mit einer Modernisierung des Europäischen Netzes für öffentliche Arbeitsverwaltung (EURES), das derzeit über 900 BeraterInnen beschäftigt, verbessert werden.
Er habe bei der letzten Ratssitzung der SozialministerInnen den derzeitigen Entwurf für die EURES-Ausweitung abgelehnt, informierte Minister Hundstorfer den Ausschuss. Das Vorhaben umfasse nämlich neu zu schaffende Nationale Koordinierungsbüros, die unter anderem Daten über den Bedarf an Arbeitskräften bzw. den Mangel an Arbeitsplätzen im jeweiligen Mitgliedsland zu liefern hätten. Der Nutzen des damit verbundenen Kostenaufwands sei zu hinterfragen, da EURES vor allem von AkademikerInnen, aber nicht von anderen Arbeitssuchenden in der EU genutzt werde. Sprachbarrieren sieht der Sozialminister als zusätzliches Hindernis, in Österreich einen Beruf aufzunehmen. NEOS-Mandatar Gerald Loacker befand folglich, die Förderung der Sprachenkompetenz in der Bevölkerung sei eine viel sinnvollere Methode, Mobilität zu forcieren als die Schaffung "bürokratischer Konstrukte", wie sie die Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag skizziere.
Neben der Erhebung von Daten über Arbeitskräftemangel- und überschuss im Land sowie über die EURES-Aktivitäten auf nationaler Ebene fiele die Unterstützung von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen und die Vorbereitung von Schulungen in den Aufgabenbereich der Nationalen Koordinierungsbüros. Die personellen und finanziellen Ressourcen zur Erbringung der Aufgaben hätten die Büros jährlich in Arbeitsprogrammen festzulegen. Der Kommissions-Entwurf schlägt weiters vor, das Webportal von EURES auszuweiten und mit Angeboten privater Arbeitsvermittler – sogenannter EURES-Partner - anzureichern. Die Zulassung der Teilnahme dieser Privatfirmen möchte die Kommission mit delegierten Rechtsakten regeln. Der Abgleich von freien Stellen und Lebensläufen am EURES-Portal sollte zukünftig automatisch erfolgen, zudem sind über das Netz Hilfestellung für BewerberInnen und ArbeitgeberInnen bei Rekrutierung und Integration außerhalb des Heimatlandes geplant. Grundlageninformationen zum EU-Arbeitsmarkt will die Kommission mit EURES ebenfalls bereitstellen, um faire Bedingungen, also die Einhaltung von Arbeitsrecht und –normen innerhalb der EU, zu gewährleisten.
Vor einer Zentralisierung der europäischen Sozialpolitik auf Kosten Österreichs warnten die Freiheitlichen Johannes Hübner, Reinhard Eugen Bösch und Harald Vilimsky im Falle einer Neugestaltung von EURES. Hübner brachte deswegen einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem vom Sozialminister verlangt wird, für eine Auflösung des Netzwerks einzutreten. Es gelte, die österreichische Arbeitsmarktsouveränität wieder herzustellen, finden die Antragsteller. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und eines Einkommensgefälles zwischen EU-Staaten, mahnte Vilimsky, dürfe der Arbeitsmarkt nicht noch weiter geöffnet werden. Bösch machte sich überdies für eine "selektive Arbeitsmarktpolitik" stark, um einen Verdrängungswettbewerb zu verhindern. "Horrorszenarien" male die FPÖ da an die Wand, replizierte Judith Schwentner (G). Bei EURES gehe es um reine Arbeitsvermittlungs-Dienste, Österreich werde dadurch nicht automatisch von ausländischen Arbeitskräften überrollt. "Ein Ja zu Europa bedeutet, die EURES-Erneuerung zu unterstützen", sagte sie, gewährleistet werden müssten dabei die nötigen Qualitätsstandards. Qualitätssicherung wertete auch Rouven Ertlschweiger (T) als essentiell, außerdem sei bei dem unionsweiten Jobservice ein effizienter Mitteleinsatz sicherzustellen. Generell rege aber mehr Mobilität am Arbeitsmarkt den Wettbewerb an, lobte er.
Die "Grundgedanken der europäischen Integration" rief Werner Amon (V) in Erinnerung und nannte die Niederlassungsfreiheit und den freien Personenverkehr. Natürlich gebe es Probleme wie mögliches Lohndumping, aber Protektionismus sei keine Antwort darauf. Das habe die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre gezeigt, als versucht wurde, mittels Abschirmung der Nationalstaaten die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die positive Entwicklung der Arbeitsmarktöffnung hob Josef Muchitsch (S) genauso hervor, solange in- wie ausländische Arbeitskräfte mit gleichwertigen Löhnen und Lohnnebenkosten tätig sind. Gegen "dubiose" Firmen bzw. Arbeitsplatzvermittler, die Personen zu existenzgefährdenden Billigstlöhnen arbeiten lassen, gehe die Regierung drastisch vor, beispielsweise mit höheren Strafen für Lohndumping oder der Baustellendatenbank. Wichtig war dem SPÖ-Abgeordneten in diesem Zusammenhang, in der geplanten EU-Vergaberichtlinie das Prinzip des "Best- statt Billigst-Anbieters" umgesetzt zu wissen.
Hintergrund der aktuellen EURES-Initiative ist die immer noch relativ geringe Mobilität von Arbeitskräften in der Union, trotz steigender Arbeitslosenzahlen in einigen Ländern und vielen offenen Stellen in anderen Mitgliedsstaaten, wie die Kommission schreibt. Sie verweist auf die niedrige Mobilitätsrate der EU im Vergleich zu Australien und den USA. Hauptprobleme, die Menschen vom Arbeiten im EU-Ausland abhalten, seien mangelnde Sprachkenntnisse und Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, heißt es in der Begründung des Legislativvorschlags. Daher solle mit EURES Abhilfe geschaffen werden, zumal die Zahl der auf dem Portal registrierten Arbeitssuchenden stetig steige. Der Europäische Rat beschloss bereits 2012, das EURES-Netz schrittweise auf Lehrstellen und Praktika auszudehnen.
Die heimische Arbeitsmarktpolitik setze in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern auf einen regulierten Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt, so Sozialminister Hundstorfer, um nach österreichischen Standards die Beschäftigungsmobilität der EU zu nutzen. Die österreichische Mangelberufsliste zeige, dass das Land weiterhin gerade qualifizierte Personen benötige. Damit bestätigte er die Anmerkungen der Abgeordneten Wolfgang Knes, Katharina Kucharowits (beide S) und Angelika Winzig (V), die auf den Gewinn Österreichs durch die Arbeitsmigration und den Bedarf der Wirtschaft an ausländischen Fachkräften hinwiesen.
Europäischer Sozialfonds: Mitteleinsatz im Dienst der Beschäftigung
Zum Europäischen Sozialfonds erläuterte Minister Hundstorfer, Österreich stehe in der kommenden Periode ein Betrag von € 440 Mio. für Arbeitsmarktprogramme zur Verfügung. Man werde damit besonderes Augenmerkt auf Initiativen für Jugendliche, Menschen mit Behinderung und die Generation 50+ richten, erfuhren Elisabeth Grossmann (S), Reinhard Eugen Bösch (F) und Franz Leopold Eßl (V). Den "Sozialtourismus", von Bösch aufgeworfen, stellte der Bundesminister in Abrede. Auf Grundlage des österreichischen Aufenthaltsrechts überprüften die heimischen Behörden ständig die Einhaltung heimischer Kriterien für Aufenthaltstitel und den Bezug von Sozialleistungen, unterstrich Hundstorfer. Dem Ruf der Freiheitlichen nach einem Mindestlohn für österreichische Niedrigstverdienende erwiderte der Minister, die heimische Kollektivvertrags-Praxis sei bewährt und decke bereits 95 Prozent der Beschäftigten ab. "40 Prozent der ausländischen Arbeitnehmer in Österreich haben einen akademischen Abschluss", erinnerte er darüber hinaus, niedrigqualifizierte Jobsuchende kämen kaum mehr nach Österreich.
Der Europäische Sozialfonds (ESF) wurde 1957 zur Unterstützung eines funktionierenden Arbeitsmarktes im Unionsraum gegründet. Seine zentralen Aufgaben sind die Förderung von Initiativen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Einsatz für ein erweitertes Ausbildungsangebot. Der Ausschuss des Fonds steht der Kommission bei der Verwaltung des ESF zur Seite. Alle EU-Mitgliedsländer entsenden je eine/n Vertreter/in der Regierung, der Arbeitnehmervertretung und der Arbeitgebervertretung sowie entsprechende StellvertreterInnen in den ESF-Ausschuss.
Es seien also nationale Organe, die über den Einsatz der Mittel aus dem Fonds zu entscheiden hätten, verdeutlichte Hundstorfer. In der vergangenen Periode habe Österreich zwar eine höhere Summe, € 528 Mio., aus dem Topf erhalten – "und vollständig genutzt", um diverse Qualifizierungs- und Beschäftigungsprogramme umzusetzen. Doch könne die Republik angesichts ihrer EU-weit niedrigsten Arbeitslosenrate und ihres Wirtschaftswachstums jetzt nicht mehr so viel Geld erwarten; der EU-Beitritt Kroatiens müsse hier ebenso mitbedacht werden, hielt der Sozialminister fest. (Schluss EU-Unterausschuss) rei