Sozialausschuss gibt grünes Licht für Senkung von Lohnnebenkosten
Wien (PK) – Das Parlament setzt einen ersten Schritt zur Senkung der Lohnnebenkosten. Der Sozialausschuss des Nationalrats gab heute grünes Licht für eine entsprechende Gesetzesinitiative von SPÖ und ÖVP. In Aussicht genommen ist eine Reduzierung des Unfallversicherungsbeitrags um 0,1% auf 1,3% ab Juli 2014 und eine analoge Senkung des Arbeitgeber-Beitrags zum Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) von 0,55% auf 0,45% ab Jänner 2015. Damit werden die Unternehmen insgesamt mit rund 200 Mio. € entlastet, wie ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger im Ausschuss erklärte. Neben den Antragstellern stimmten auch die NEOS dem Gesetz zu.
Zweiter wesentlicher Inhalt des beschlossenen Antrags ist die Bereitstellung von zusätzlichen Fördermitteln zur Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt. In den nächsten drei Jahren können bis zu 350 Mio. € aus der Arbeitslosenversicherung in spezifische Förderprogramme und Eingliederungsbeihilfen umgeleitet werden, wobei für die Jahre 2014 und 2015 jeweils ein Deckel von 100 Mio. € und im Jahr 2016 ein Deckel von 150 Mio. € gilt. Zugute kommen sollen die Gelder Arbeitslosen über 50, die seit mehr als einem halben Jahr beim AMS vorgemerkt sind.
Damit der Insolvenz-Entgelt-Fonds auch nach der Reduzierung der IEF-Beiträge ausreichend dotiert bleibt, wird er dauerhaft Mittel aus dem Arbeitsmarktfördertopf erhalten und nicht nur wie aktuell vorgesehen bis zum Jahr 2015. Der Sozialminister ist grundsätzlich verpflichtet, die Höhe des IEF-Beitrags abhängig von der Gebarung des Fonds per Verordnung anzupassen, daran ändert sich nichts. Eingehoben werden die IEF-Beiträge wie bisher als vom Arbeitgeber zu tragender Zuschlag zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag.
Die Senkung des Unfallversicherungsbeitrags wird laut Erläuterungen dadurch ermöglicht, dass die Gebarung der AUVA in den letzten Jahren besser als erwartet war. Leistungskürzungen seien daher nicht notwendig, heißt es von Seiten der Koalitionsparteien. Begleitende Änderungen werden im Dienstleistungsscheckgesetz vorgenommen – durch eine flexiblere Gestaltung des Verwaltungskostenbeitrags wollen SPÖ und ÖVP verhindern, dass die derzeit angebotenen Dienstleistungsschecks, mit denen auch die Unfallversicherung abgedeckt wird, neu gedruckt bzw. in bestimmten Wertformen überhaupt aus dem Umlauf genommen werden müssen.
Ein von den Koalitionsparteien eingebrachter und bei der Abstimmung mitberücksichtigter Abänderungsantrag enthält neben Inkrafttretensbestimmungen auch Übergangsregelungen für jene Personen, die derzeit eine befristete Invaliditätspension beziehen und nach deren Auslaufen Anspruch auf Rehabilitationsgeld haben. Mit den Übergangsbestimmungen wird sichergestellt, dass kein Betroffener Einkommenseinbußen hat. Ohne eine Gesetzesänderung würde es sowohl extreme Verlierer als auch extreme Gewinner geben, hielt Sozialminister Rudolf Hundstorfer erläuternd fest. Diesem Teil des Gesetzespakets stimmten auch die Grünen zu.
Grüne fordern höheres Arbeitslosengeld, FPÖ mehr Transparenz bei AMS-Kursen
Mitverhandelt mit dem Koalitionsantrag wurden eine Reihe von Oppositionsanträgen, die schließlich – mit unterschiedlichen Mehrheiten – abgelehnt wurden. Die FPÖ fordert unter anderem mehr Transparenz bei Förder- und Auftragsvergaben durch das AMS und das Sozialministerium im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik und ein gezieltes Qualitätsmanagement für Arbeitsmarkt-Projekte und AMS-Kurse (227/A[E]). Außerdem will sie den Zugang zum Arbeitsmarkt in Branchen mit hoher Arbeitslosigkeit, etwa Baugewerbe oder Tourismus, auch für EU-BürgerInnen einschränken (189/A[E]) und die Mindestsicherung nach den Lebenshaltungskosten im jeweiligen Herkunftsland der BezieherInnen staffeln (190/A[E]).
Die Grünen drängen darauf, den Grundbetrag des Arbeitslosengeldes von 55 % des zuletzt erzielten Nettoeinkommens auf 70 % zu erhöhen (21/A) und das Partnereinkommen bei der Festsetzung der Notstandshilfe künftig unberücksichtigt zu lassen (22/A).
Im Rahmen der Debatte hob Abgeordneter August Wöginger (V) die Notwendigkeit hervor, auf die steigende Arbeitslosigkeit älterer ArbeitnehmerInnen zu reagieren. Er begrüßte daher die Absicht, für Eingliederungsbeihilfen, Kombilohnmodelle und andere Maßnahmen zur Wiedereingliederung älterer ArbeitnehmerInnen in den Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren bis zu 350 Mio. € in die Hand zu nehmen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer rechnet damit, dass mit 100 Mio. € 20.000 Betroffene unterstützt und 8.500 dauerhafte Beschäftigungen erreicht werden können. Die Gruppe "50 plus" sei eine Sorgengruppe, sagte Hundstorfer, von der steigenden Arbeitslosigkeit seien nicht nur gering qualifizierte Personen sondern auch Höherqualifizierte betroffen.
Zu den Anträgen der Opposition äußerte sich Wöginger ablehnend. Er machte geltend, dass es bereits eine Vielfalt von Instrumentarien gibt, um die Qualität und die Transparenz von AMS-Angeboten zu gewährleisten. Durch die Rechtslage in Österreich ist ihm zufolge außerdem sichergestellt, dass EU-BürgerInnen nicht missbräuchlich Mindestsicherung in Österreich beziehen können. Für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes fehle die finanzielle Bedeckung, sagte er. Wöginger sieht auch keine Notwendigkeit, die Bestimmungen für den Bezug der Notstandshilfe zu ändern.
Abgeordneter Herbert Kickl (F) meinte, es sei wichtig, ältere ArbeitnehmerInnen in Beschäftigung zu halten. Er bezweifelt allerdings, dass die zur Verfügung stehenden Fördermittel effektiv eingesetzt werden. Statt Millionen für sozioökonomische Betriebe bereitzustellen, könnte man mit anderen Maßnahmen bessere Ergebnisse erzielen, ist er überzeugt.
Was den Antrag seiner Fraktion betreffend Qualitätssicherung von AMS-Angeboten betrifft, sieht sich Kickl durch die Ankündigung des AMS Wien, "Sinnloskurse" einzuschränken, bestätigt. Er hat erhebliche Zweifel daran, dass die angebotenen Schulungen Arbeitslosen helfen, und ortet eine verbreitete Unzufriedenheit und Frustration bei den Betroffenen.
Entgegen der Meinung von Abgeordnetem Wöginger ist sich Kickl außerdem sicher, dass es auch in Österreich "Sozialtourismus" gibt, wenn auch in anderer Form als in Deutschland. Er sieht eine generelle Fehlentwicklung in Europa, das bestehende System würde nur bei einer ähnlichen Wirtschaftsleistung und ähnlichen sozialen Standards in den EU-Staaten funktionieren. Man müsse zwischen StaatsbürgerInnen und EU-BürgerInnen unterscheiden können, drängte er auf einen Regulationsmechanismus. Die Anträge der Grünen betreffend Arbeitslosengeld und Notstandshilfe wurden von der FPÖ unterstützt.
Seitens der Grünen wertete Abgeordnete Birgit Schatz das vorgesehene Maßnahmenpaket für ältere Arbeitslose grundsätzlich positiv. Sie äußerte allerdings eine generelle Skepsis gegen Lohnsubventionierungen und warnte davor, über gemeinnützige Arbeitskräfteüberlasser unsichere Jobs statt richtige Arbeitsplätze zu schaffen.
Die Senkung des IEF-Beitrags und des Unfallversicherungsbeitrags lehnte Schatz ab. Die Situation des Insolvenz-Entgelt-Fonds sei nicht so rosig, dass eine Beitragssenkung gerechtfertigt wäre, argumentierte sie. Im Bereich der Unfallversicherung würde sie es als sinnvoller erachten, vorhandene Mittel offensiv einzusetzen, etwa um die Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen zu erhöhen.
Die Forderung der FPÖ nach mehr Qualität und Transparenz beim AMS wurde von Schatz geteilt. Sektorale Arbeitsmarktbeschränkungen für EU-BürgerInnen erachtet sie aber weder für rechtlich möglich noch für sinnvoll. Schatz glaubt nicht, dass ausländische ArbeitnehmerInnen österreichische ArbeitnehmerInnen vom Arbeitsmarkt verdrängen, vielmehr würden sie Lücken schließen, weil sich zu den angebotenen Arbeits- und Lohnbedingungen oft keine ÖsterreicherInnen finden ließen.
Abgeordneter Gerald Loacker (N) qualifizierte den vorliegenden Gesetzesentwurf der Koalitionsparteien grundsätzlich positiv, sprach sich aber gegen dauerhafte Lohnsubventionen aus. Zudem gab er zu bedenken, dass Arbeitslosigkeit weniger ein Thema des Alters als mehr ein Thema der mangelhaften Ausbildung sei. Um sicherzustellen, dass eine Änderung des IEF-Beitrags weiter per Verordnung erfolgen muss, brachte Loacker einen Abänderungsantrag ein, der jedoch keine Mehrheit fand. Ausschussvorsitzende Sabine Oberhauser (S) machte geltend, dass dies ohnedies geltende Rechtslage sei.
Die Forderungen der Grünen, das Arbeitslosengeld zu erhöhen und das Partnereinkommen bei der Notstandshilfe nicht mehr zu berücksichtigen, lehnte Loacker ab. Österreich habe beim Arbeitslosengeld eine ähnliche Ersatzrate wie andere EU-Staaten, argumentierte er. Die Ostöffnung hat nach Meinung Loackers für Österreich positive Effekte gebracht, er glaubt zudem nicht an die Argumentation des "Sozialtourismus". Das Anliegen der FPÖ nach mehr Transparenz beim AMS unterstützte er allerdings.
Die SPÖ-Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig und Sabine Oberhauser wiesen die Kritik am AMS zurück und hoben die ihrer Meinung nach vorbildliche Arbeit hervor, die das Arbeitsmarktservice leiste. Dass bei 300.000 Personen die eine oder andere Kursmaßnahme nicht passe, sei unumstritten, sagte Königsberger-Ludwig, Generalkritik sei aber nicht angebracht. Vor allem sozioökonomische Betriebe seien bei der Wiedereingliederung von Arbeitslosen äußerst hilfreich.
Abgeordnete Judith Schwentner (G) hielt Abgeordnetem Loacker entgegen, dass das Arbeitslosengeld häufig nicht existenzsichernd sei. Für sie ist es außerdem eine große Ungerechtigkeit, dass bei der Notstandshilfe das Partnereinkommen berücksichtigt wird. Den Antrag der FPÖ zum Thema Mindestsicherung bezeichnete Schwentner als "jenseitig". Warum solle ein Schweizer, der in Österreich lebe, eine dreimal so hohe Mindestsicherung bekommen wie ein hier lebender Bosnier, obwohl die Lebenserhaltungskosten für alle gleich sind, fragte sie.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer wies darauf hin, dass von 300.000 Personen, die eine Schulungsmaßnahme über das AMS absolvieren, nur 18 %, also etwa 54.000, einem "Aktivierungskurs" zugeteilt werden. Der Rest umfasse Fachkurse und Qualifikationsmaßnahmen. Nicht alle Zuteilungen zu Aktivierungskursen seien sinnvoll gewesen, räumte Hundstorfer ein, grundsätzlich gebe es aber nur vereinzelt Kritik. Der Sozialminister betonte überdies, dass es sich um ein vollkommen transparentes System handle, alle Schulungsmaßnahmen würden öffentlich ausgeschrieben und die Zuschläge veröffentlicht.
Zu den Anträgen der FPÖ merkte Hundstorfer an, eine Anmeldung in Österreich ohne Arbeitsnachweis bzw. ohne Nachweis eines gesicherten Einkommens sei nicht möglich. Er hob zudem hervor, dass auch viele ÖsterreicherInnen in anderen EU-Staaten arbeiten würden.
Dass die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld in Österreich deutlich niedriger ist als in anderen EU-Staaten, ist laut Hundstorfer nicht richtig. Rechne man hinzu, dass in Österreich Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge übernommen würden, keine Steuern zu zahlen seien und Zuschläge, etwa für Kinder, gewährt würden, komme man auf eine Ersatzrate von rund 80 %, rechnete er vor.
Von der Übergangsregelung beim Rehabilitationsgeld sind laut Hundstorfer maximal 20.000 Personen betroffen. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs
Links
- 22/A - B-VG Arbeitslosenversicherungsgesetz
- 227/A(E) - Transparenz und Qualitätssicherung bei AMS-Kursen
- 260/A - Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, Dienstleistungsscheckgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz
- 21/A und Zu 21/A - Arbeitslosenversicherungsgesetz
- 190/A(E) - Herkunftslandprinzip bei der Mindestsicherung
- 189/A(E) - Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich
- 1/A-AS - Ausschuss für Arbeit und Soziales