Volksanwaltschaft verstärkt Prävention vor Menschenrechtsverletzung
Wien (PK) - Seit letztem Jahr ist die Volksanwaltschaft Österreichs zentrale Monitoringstelle für die Einhaltung von Menschenrechten. In dieser Funktion führt sie neben ihren Beschwerdeprüfungen auch präventive Kontrollen möglicher Fälle von Menschenrechtsverletzung durch. Ihre letztjährigen Prüfergebnisse, dargestellt im Tätigkeitsbericht 2012, debattierte der Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats heute im Detail und nahm ihn mehrheitlich gegen die Stimme des BZÖ zur Kenntnis. Zu den meisten Nachprüfungen führten im Vorjahr Beschwerden in den Bereichen Soziales und Asylrecht, wobei die Volksanwaltschaft vor allem die lange Verfahrensdauer am Asylgerichtshof als menschenrechtswidrig kritisiert.
In ihrer Rolle als VolksanwältInnen verabschiedeten sich Terezija Stoisits und Peter Kostelka mit dieser Ausschusssitzung von den MandatarInnen, da ab 1. Juli 2013 Günter Kräuter und Peter Fichtenbauer gemeinsam mit der wiedergewählten Gertrude Brinek das neue Kollegium der Volksanwaltschaft bilden.
Umfassender Menschenrechtsschutz ist Ziel der Präventivkontrollen
Mit der 2012 in Kraft getretenen Kompetenzerweiterung in Form der Präventivprüfung setzt die Volksanwaltschaft das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention (OPCAT) und den darin geforderten "Nationalen Präventionsmechanismus" (NPM) um. Dieser beinhaltet regelmäßige Kontrollen öffentlicher und privater Einrichtungen, in denen Menschen mit oder ohne Behinderung die Freiheit entzogen wird und wo sie Gefahr laufen, unmenschlich behandelt zu werden. Nach der Aufbauphase der neuen Kontrolltätigkeit im Vorjahr sei die Volksanwaltschaft in diesem Bereich schon gut mit den mitwirkenden Gremien eingespielt, skizzierte Volksanwältin Terezija Stoisits den Umsetzungsstand des NPM.
Die Tätigkeit der zur präventiven Prüfung eingesetzten Kommissionen sei von hoher Autonomie geprägt, erklärte Stoisits in Richtung der Abgeordneten Anna Höllerer (V), die sich nach der Organisation der Kontrollaufträge erkundigte. Die Prüforgane würden selbst bestimmen, wann sie welche Einrichtungen besuchen, erläuterte Stoisits, allerdings gebe es grundsätzliche Regeln, wie die Prüfungen durchzuführen sind. So sei etwa das Vier-Augen-Prinzip bzw. die Beteiligung mehrerer Kontrollpersonen bei Besuchen verpflichtend vorgesehen. Zudem bedürfe es im Vorfeld eines Kontrollbesuchs einer umfassenden Vorbereitung unter Beachtung aller relevanten Daten und Fakten der zu prüfenden Einrichtung, sodass die Besuchskommission in Folge ihre Wahrnehmungen in einem qualitativ fundierten Protokoll festhalten kann.
Bei der Vorbereitungsarbeit bewähre sich nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtsbeirat, der die Volksanwaltschaft unter anderem bei der Festlegung von Prüfungsschwerpunkten berät, schilderte Stoisits die Verfahrensabläufe. Auch die Kooperation mit NGOs werde vertieft, wodurch sich für die Volksanwaltschaft zusätzliche Informationen über Diskriminierungsfälle ergäben, fügte Volksanwalt Peter Kostelka an.
Die sechs Kontrollkommissionen der Volksanwaltschaft haben seit dem Start ihrer diesbezüglichen Besuche letzten September gravierende Versorgungsmängel, besonders in Justizanstalten, Polizeianhaltezentren sowie in Pflegeheimen und psychiatrischen Einrichtungen festgestellt, geht aus den Besuchsprotokollen hervor. Ob die derzeitigen Ressourcen der Volksanwaltschaft für eine tatsächlich flächendeckende Kontrolle im Sinne des Nationalen Präventionsmechanismus ausreichen, werde sich spätestens in zwei Jahren zeigen, wenn eine Vollumsetzung erreicht sein sollte, so Stoisits. Letztlich habe das Parlament darüber zu entscheiden, inwieweit Einsparungen bei der Menschenrechtskontrolle tragbar sind.
Beschwerdeprüfungen von Asylgerichtshof bis zur Kommunalebene
Beanstandungen über lange Verfahrensdauern, angesprochen von Abgeordnetem Bernhard Vock (F), traten im Vorjahr in nahezu allen Verwaltungsbereichen auf, sagte Volksanwältin Gertrude Brinek und nannte dabei als Beispiele Baurecht, Innere Sicherheit sowie Finanzierungsangelegenheiten. Der Anstieg diesbezüglicher Beschwerden ergebe sich zu einem nicht kleinen Anteil aus den überlangen Verfahren am Asylgerichtshof, konkretisierte Volksanwältin Terezija Stoisits. Dieser Umstand führe für Asylsuchende zu einer unzumutbaren Ungewissheit über ihren Aufenthaltsstatus, heißt es dazu im Volksanwaltschaftsbericht.
Insgesamt veranlassten die Volksanwaltschaft 2012 laut Bericht 15.649 Beschwerden zu Nachprüfungen. Der Großteil, mehr als ein Viertel, betraf den Sozialbereich, gefolgt von den Bereichen Innere Sicherheit (rund 25%) und Justiz (rund 15%). In den 9.315 abgeschlossenen Prüfverfahren wurden 1.519 Missstände aufgedeckt. Als Beispiel der daraus von der Volksanwaltschaft gefolgerten Empfehlungen führte Brinek den Vorschlag an, als ersten Schritt zur Behebung von Mängeln bei der medizinischen und therapeutischen Versorgung in Justizanstalten eine Überarbeitung der dortigen Dienstpläne anzudenken. Missstände bei Sachwalterschaften, wie sie Abgeordneter Oswald Klikovits (V) anschnitt, beruhten oftmals auf der problematischen Übertragung von Aufgaben der Rechtsbegleitung und jenen der sonstigen Pflege an dieselbe Person, umriss Brinek derartige Beschwerdefälle. Wie alle anderen Beanstandungen auch behalte die Volksanwaltschaft diese gesellschaftspolitische Thematik weiterhin im Auge, betonte sie. Über die gesetzlichen Konsequenzen habe die Volksanwaltschaft allerdings nicht zu entscheiden, erinnerte Stoisits. Anlass dafür war die Anmerkung des Abgeordneten Werner Herbert (F), immer noch sei die Rechtsfrage ungelöst, welche Stelle Verantwortung und Kosten bei der Beseitigung von Kriegsrelikten tragen soll.
Schwerpunktthema bei den Kontrollen waren Verstöße gegen Anti-Diskriminierungsbestimmungen. Das Aufzeigen von Diskriminierungen durch die Verwaltung sei ein wesentlicher Zuständigkeitsbereich der Volksanwaltschaft, hielt Peter Kostelka als Reaktion auf Fragen der Abgeordneten Hannes Fazekas (S) und Wolfgang Zinggl (G) fest. Deswegen sei seitens der Volksanwaltschaft auch eine Stellungnahme zum aktuellen Entwurf der Gleichbehandlungsgesetzesnovelle abgegeben worden, etwa mit der Empfehlung, bei Diskriminierungen bestimmter Personengruppen Verbandsklagen zu ermöglichen.
Die Interessen der BürgerInnen seien jedenfalls bei der Volksanwaltschaft gut aufgehoben, fasste Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) zusammen, das zeigten beispielsweise die Prüfverfahren auf Landes- und Gemeindeebene, ausgelöst durch Beschwerden aus dem unmittelbarsten Lebensbereich von BürgerInnen. Dieser positiven Sicht auf die Arbeit der VolksanwältInnen widersprach Abgeordneter Stefan Petzner (B), der sich konkret auf das ihm zufolge parteipolitische Agieren des Volksanwalts Peter Kostelka bei der Saualm-Prüfung bzw. der Informationstätigkeit darüber bezog. In einer detaillierten Erwiderung stellte daraufhin Kostelka klar, die Volksanwaltschaft sei im angeführten Fall lediglich ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag gefolgt, menschenrechtlichen Vorwürfen gründlich nachzugehen, wobei er persönlich keinerlei parteischädigende Mitteilung im Verlauf der Prüfungen getätigt habe. Petzner enthielt sich nach diesem Wortgefecht als Einziger der Kenntnisnahme des Berichts. (Schluss) rei