Parlamentskorrespondenz Nr. 269 vom 04.04.2013

Finanztransaktionssteuer nimmt konkrete Formen an

Wien (PK) – Die Realisierung der Finanztransaktionssteuer in 11 EU-Mitgliedsländern, die diese auf der Grundlage der so genannten Verstärkten Zusammenarbeit einführen wollen, nimmt allmählich Gestalt an. Dem EU-Ausschuss des Bundesrats lag dazu ein Richtlinienvorschlag der Kommission vor, der bei den Bundesrätinnen und Bundesräten mit einigen kritischen Anmerkungen grundsätzlich auf positives Echo stieß.

Ob die Steuer tatsächlich mit Beginn 2014 eingeführt wird, ist jedoch noch offen, denn das hätte eine Einigung der FinanzministerInnen noch im Juni diesen Jahres zur Voraussetzung. Ebenfalls noch nicht fix ist die Verwendung der Einnahmen, ob diese der EU oder den nationalen Budgets zufließen sollen. Die vorläufigen Schätzungen hinsichtlich der Einnahmen aus der Steuer belaufen sich in der Größenordnung von rund 31 Mrd. € jährlich. In Österreich hat man 500 Mio. € budgetiert.

Finanzministerium: Vorschlag zur Finanztransaktionssteuer ist innovativ

Seitens des Finanzministeriums wurde der Vorschlag als innovativ bewertet, weil sie weltweit gilt, fast alle Finanzprodukte erfasst und der Steuersatz niedrig ist. Es werden somit alle Aktien gleich behandelt, egal ob es sich um amerikanische, englische oder österreichische Produkte handelt. Sobald ein Finanzinstitut, ein Unternehmen oder BürgerInnen der betreffenden elf Länder irgendwo ein Finanzprodukt erwerben oder verkaufen, ist die Steuer fällig, womit sich keine Benachteiligung der Länder mit Finanztransaktionssteuer ergibt und die inländische Eigenkapitalbeschaffung nicht erschwert wird. Der Steuerpflicht unterliegt nur der Sekundärmarkt, nicht jedoch der Primärhandel.

Österreich hat sich bereits seit Jahren für eine solche Steuer stark gemacht, um den Finanzsektor als wesentlichen Auslöser der Krise an den Kosten zur Bewältigung der aktuellen schwierigen Situation in angemessener Weise zu beteiligen. Bislang hatten in erster Linie die europäischen Bürgerinnen und Bürger die Last der Kosten zu tragen. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird auch von allen Fraktionen des österreichischen Parlaments unterstützt.

Auf europäischer Ebene zeichnet sich jedoch bis heute keine gemeinsame Vorgangsweise ab, viele Staaten bezweifeln die Notwendigkeit eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems. In der Folge haben elf Mitgliedstaaten – neben Österreich sind dies Belgien, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Portugal, Slowenien und Slowakei – den Antrag auf Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer gestellt. Der entsprechende Beschluss wurde dann vom ECOFIN-Rat im Jänner 2013 gefasst, der gegenständliche Richtlinienvorschlag der Kommission bildet nun die Grundlage für die Einführung der Steuer in den genannten Ländern. Sobald sich diese auf die gesetzlichen Formulierungen geeinigt haben, steht einer Umsetzung nichts mehr im Wege. Außer den elf Ländern sind weitere vier EU-Mitgliedstaaten interessiert, an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich Finanztransaktionssteuer mitzumachen.

Der Vorschlag der Kommission zur Finanztransaktionssteuer

Der aktuelle Vorschlag der Kommission zielt nicht nur darauf ab, den Finanzsektor mit einem angemessenen und substantiellen Beitrag an den Kosten der jüngsten Krise zu beteiligen, es geht auch darum, die wachsende Zahl an unkoordinierten Maßnahmen der EU-Staaten einzudämmen, da diese zu einer Fragmentierung der steuerlichen Behandlung im Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen und damit zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Außerdem, so die Kommission, ist die gegenwärtige Steuerpolitik nicht geeignet, regulatorische Maßnahmen und Kontrollinstrumente zur Vermeidung zukünftiger Krisen zu unterstützen. Auch würden der Realwirtschaft zugunsten der Finanzinstitute noch immer zu viele Mittel entzogen.

Der Anwendungsbereich der geplanten Finanztransaktionssteuer ist weit gefasst, sie betrifft alle Finanzprodukte sowie alle Derivatkontrakte. Die Steuersätze betragen 0,01% des Nominalbetrags bei Derivatkontrakten bzw. 0,1% des Kauf- oder  Marktpreises bei allen anderen Finanztransaktionen. Die Steuer ist sowohl vom Käufer als auch vom Verkäufer zu entrichten, d.h. die Steuerbelastung der Transaktion beträgt somit 0,2% bzw. 0,02%.

Die  Steuerpflicht entsteht, sobald nur eine Partei der Transaktion im Gebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten ansässig ist (Ansässigkeitsprinzip) bzw. ergänzend, wenn es sich um ein Finanzprodukt handelt, welches im Gebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten emittiert wurde (Emissionsprinzip). Damit soll die Verlagerung von Tätigkeiten und Einrichtungen aus den Steuergebieten der Finanztransaktionssteuer verhindert werden. Der Steueranspruch entsteht zum Zeitpunkt, zu dem die Finanztransaktion durchgeführt wird.

Die Regelung ist so zu verstehen, das bei einer Transaktion etwa zwischen einem deutschen und einem österreichischem Finanzinstitut Deutschland 0,1% (bzw. bei Derivaten 0,01%) und Österreich 0,1% (bzw. bei Derivaten 0,01%) erhält. Findet die Transaktion etwa zwischen einem britischen und einem österreichischen Finanzinstitut statt, so erhält Österreich 0,2% bzw. (0,02% bei Derivaten).

Ausgenommen von der Finanztransaktionssteuer sind Transaktionen mit der Europäischen Zentralbank sowie Transaktionen der Nationalbanken, des EFSF und des ESM. Ebenso ist der Primärmarkt davon ausgenommen. Die meisten für BürgerInnen oder Unternehmen wichtigen laufenden Finanztätigkeiten (wie z.B. Versicherungsverträge, Hypothekardarlehen, Verbraucherkredite etc.) fallen ebenfalls nicht darunter. Auch Devisenspottransaktionen unterliegen nicht der Finanztransaktionssteuer, um die Freiheit des Kapitalverkehrs zu gewährleisten.

Die Mitgliedstaaten werden zudem verpflichtet, Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung zu ergreifen. Im Interesse der Harmonisierung soll die Kommission die Befugnis erhalten, weitere Festlegungen hinsichtlich der Registrierungs-, Rechnungslegungs-, Berichtspflichten und Erhebungsverfahren vornehmen zu können.

Finanzministerium warnt vor zu vielen Ausnahmen

Auf die kritische Bemerkungen von Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V), wonach die Steuer für die Wirtschaft nicht das "Gelbe vom Ei" sei, weil es Investoren abschrecke, reagierte der Experte des Finanzministeriums mit der Bemerkung, keine Steuer habe positive ökonomische Wirkungen. Man müsse aber bedenken, dass das österreichische Steuersystem eine viel zu hohe Besteuerung des Faktors Arbeit vorsieht und die Finanztransaktionssteuer nun die Auslöser der Finanzkrise belastet. Sie sei auch so konzipiert, dass nationale Anleihen und Aktien nicht schlechter behandelt werden als andere.

Ausdrücklich begrüßt wurde der Vorschlag von den BundesrätInnen Susanne Kurz (S/S), Sonja Zwazl (V/N) und Stefan Schennach (S/W). Die Finanztransaktionssteuer soll vor allem unfaire Spekulationen hintanhalten, betonte Bundesrätin Zwazl, Vizepräsidentin Kurz führte den vorliegenden Vorschlag auf einen großen Verhandlungserfolg von Bundeskanzler Faymann und Finanzministerin Fekter zurück und Bundesrat Schennach sprach von einer "Trendsetter-Position" Österreichs. Mit der Steuer sollen nicht nur Spekulationsgeschäfte, die für die Krise verantwortlich zeichnen, verhindert werden, sondern es soll auch dem Hochfrequenzhandel Einhalt geboten werden, sagte Schennach. Ihm zufolge müsse man sich langfristig darüber Gedanken machen, ob die EU nicht aus bestimmten Steueraufkommen direkt Einnahmen lukrieren soll.

Seitens des Finanzministeriums warnte man davor, zu viele Bereiche von der Steuer auszunehmen, und appellierte in diesem Sinne auch an die Mitglieder der Länderkammer, dies zu berücksichtigen. Manche Ausnahmen machten aber Sinn, räumte der Finanzexperte ein, und das betreffe insbesondere die Market-Maker, denn ohne diese wäre beispielsweise die Wiener Börse gefährdet. Gegenüber Bundesrätin Zwazl erläuterte er, gruppeninterne Geschäfte seien nach derzeitigem Stand nicht ausgenommen, man prüfe aber, ob dies möglich sei. Priorität habe aber, Umgehungsgeschäfte zu verhindern. Wenig Chancen sah er für eine Ausnahme von Pensionskassen und –fonds. Wenn diese jedoch konservativ veranlagen, werden sie nicht stark belastet sein, gab er zu bedenken. Wenig hielt er von einer Zweckbindung der Steuereinnahmen, wie dies Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) etwa für die Armutsbekämpfung verlangt hatte. Bei Zweckbindungen müsse man die tatsächliche Verwendung der Gelder nicht nachweisen, erläuterte er seine kritische Haltung dazu. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) jan

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