Parlamentskorrespondenz Nr. 586 vom 04.07.2012

Nationalrat: Faymann verteidigt ESM

Wien (PK) – Ein eindringliches Plädoyer von Bundeskanzler Werner FAYMANN zum Thema "Gemeinsam Europas Zukunft gestalten - mit Beschäftigung, Wachstum und Stabilität" war der Auftakt zu den intensiven Debatten zum Euro-Schutzschirm (ESM) und Fiskalpakt am ersten Plenartag. Die Misstrauensanträge von FPÖ und BZÖ gegen Regierung und Bundeskanzler wurden abgelehnt.

"Verzichten wir in dieser Stunde nicht darauf, Europa zu gestalten", appellierte Faymann mit Nachdruck, "wer nur Spaß an der Apokalypse hat, trägt nicht zu einer gedeihlichen Entwicklung Europas bei. Wir stehen zu diesem Europa." Der Europäische Rat habe vor wenigen Tagen zum richtigen Moment den notwendigen Schritt im Voraus gesetzt und die Möglichkeiten verstärkt, anderen zu helfen, erläuterte Faymann und unterstrich, dass dabei wesentliche Beschlüsse gefasst worden seien. Daran habe auch Österreich mitgewirkt, ergänzte er. "Nur wenn wir gemeinsam die EU schützen, dann schützen wir auch Österreich", stellte der Bundeskanzler weiter fest, denn die Arbeitsplätze seien stark vom Export abhängig und davon, dass die Wirtschaft in Europa funktioniert.

Wer das nicht erkenne, mache der Öffentlichkeit ein falsches Bild vor. Österreich hätte weder ein so niedriges Zinsniveau für seine Refinanzierung noch eine so hohe Beschäftigungsrate wie heute, wenn man nicht gemeinsam für eine gute Entwicklung der EU sorge, zeigte sich Faymann überzeugt und rief dazu auf, sich durchzudenken, was passieren würde, wenn keiner bereit sei, unterstützend einzugreifen. Die Spekulanten und Finanzmärkte würden ein Land nach dem anderen vor sich hertreiben, warnte Faymann.

Faymann ging in weiterer Folge seiner Ausführungen auf die im Rat beschlossenen Maßnahmen ein und griff zunächst das Ziel einer Bankenunion heraus. Dazu bedürfe es einer gemeinsamen Bankenaufsicht, die nicht nur statistische Aufgaben habe, sondern auch über Möglichkeiten verfüge, einzugreifen und Maßnahmen dort durchzusetzen, wo Risiken bestehen. Das sei insofern notwendig, zumal die Menschen mit ihren Sparbüchern und die Wirtschaftstreibenden die Leidtragenden seien, wenn systemrelevante Banken in Schwierigkeiten geraten. Man brauche daher Schritte, um in einem frühen Stadium präventiv wirken zu können, sagte Faymann und nannte in diesem Zusammenhang den Plan, den Schutzschirm mit einer Bankenkonzession auszustatten, sowie die Schaffung eines Tilgungsfonds und einer klaren fiskalischen Kontrolle. Bis zum Aufbau derartiger präventiver Instrumente liege aber noch ein weiter Weg vor uns, gab er zu bedenken. Zunächst werde bis Oktober aufgelistet, welche Möglichkeiten die derzeit geltenden Verträge jetzt schon bieten. Mittelfristig sei es erforderlich, die Instrumente weiterzuentwickeln, weil man Risiken nie ausschließen könne, räumte er ein.

Der Bundeskanzler machte aber auch deutlich, dass man zu einem umfassenden Programm Vertragsänderungen brauche und deshalb so rasch wie möglich ein neuer Konvent eingesetzt werden sollte. Im Falle weitreichender Vertragsänderungen stellte der Regierungschef die Abhaltung einer Volksabstimmung in Aussicht.

Als einen großen Erfolg verbuchte Faymann, dass die Einführung einer Finanztransaktionssteuer mit einem Datum versehen worden sei. Mehrere Mitgliedstaaten werden einen Antrag auf eine diesbezügliche verstärkte Zusammenarbeit stellen, um noch im Dezember diesen Jahres abstimmen zu können. Auch für die Einführung der gemeinsamen Finanzmarktaufsicht gebe es einen konkreten Zeitplan. Darüber hinaus würden rund 120 Mrd. € für Wachstums- und Beschäftigungsimpulse zur Verfügung gestellt, denn Beschäftigung sei auch Voraussetzung für ein faires Europa, so der Kanzler. Er zeigte sich persönlich davon überzeugt, dass man Verantwortung über Parteigrenzen hinweg wahrnehmen müsse, andernfalls habe man kein Recht, zu behaupten, man trete für ein faires, soziales, wirtschaftliches und friedliches Europa ein, schloss Faymann.

Hypo Alpe Adria als Negativbeispiel

Klubobmann Josef CAP (S) warf FPÖ und BZÖ vor, ihnen gehe es nicht um die Sache, sondern um ein politisches Spiel und das sei verantwortungslos. Wenn man ein wirtschaftliches Desaster, Massenarbeitslosigkeit und einen Zusammenbruch der Währung in Kauf nehme, dann falle man in die Abhängigkeit von Kapitalquoten, Währungsfonds und anderen Entscheidungsträgern und riskiere tatsächlich die Souveränität des Landes, skizzierte Cap ein mögliches Szenario aus seiner Sicht, sollten sich FPÖ und BZÖ durchsetzen. Die beiden Oppositionsparteien spielen seiner Auffassung nach ein "ganz übles Spiel", denn mit den 2,2 Mrd. € und den zusätzlichen 17 Mrd. € an Haftungen für den ESM sei man noch immer nicht bei jenen 22 Mrd. €, mit denen das Land Kärnten für die Hypo Alpe Adria gehaftet habe. 

Cap sprach sich mit allem Nachdruck für den ESM und den Fiskalpakt aus, auch im Hinblick auf die Konkurrenzfähigkeit Europas gegenüber anderen großen Wirtschafträumen. Man wolle auch verhindern, dass das Sozialniveau in Österreich auf jenes von China oder Indien abfällt. Den Fiskalpakt bezeichnete Cap als eine "Rettungseinrichtung", um den Euro stabil zu halten, denn erst durch dieses Regulativ sorge man dafür, dass Haushaltsdisziplin eingehalten und mit dem Geld der SteuerzahlerInnen verantwortungsvoll umgegangen wird. ESM und Fiskalpakt gehören daher zusammen, folgerte Cap und unterstrich gleichzeitig die Wichtigkeit für Wachstum und Beschäftigung, um die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden. "Wir wollen erreichen, dass das, wofür Generationen gekämpft haben, erhalten bleibt", sagte Cap, ein gutes Sozialsystem setze aber eine funktionierende Wirtschaft, ein funktionierendes Währungssystem und eine funktionierende Demokratie voraus, und mit den neuen Mitwirkungsrechten des Parlaments habe man auch für eine ausreichende Legitimierung gesorgt. FPÖ und BZÖ böten keine Alternativen an, sie hätten sich aus der Verantwortung gestohlen, so das Fazit Caps.

Auch Klubobmann Karlheinz KOPF (V) hielt zunächst FPÖ und BZÖ den Hypo Alpe Adria-Spiegel hin. Beide Parteien seien hauptverantwortlich dafür gewesen, dass das Land Kärnten für die Bank Haftungen in der Höhe von über 20 Mrd. € übernommen haben und die Haftungen auch nach dem Verkauf ins Ausland bestehen ließen. Im Endeffekt habe der Bund einspringen müssen, um Kärnten nicht bankrottgehen zu lassen. Hätte man damals nach dem Motto von BZÖ und FPÖ gehandelt, dann hätte man Kärnten in die Pleite geschickt, aber auch damals hätten Nettozahler wie Vorarlberg niemals eine derartige Forderung aufgestellt, bemerkte Kopf. Der Sinn von Gemeinschaften sei die gemeinsame Bewältigung von Herausforderungen auf jener Ebene, wo dies am besten geschehen könne, und zwar in Form von Hilfe zur Selbsthilfe, führte Kopf aus. Das Resultat von Solidarität sei ein menschenwürdiges Leben für alle, sozialer Frieden, Sicherheit und Entwicklungschancen für alle. Das Gegenstück dazu sei das Recht des Stärkeren, warnte Kopf.

Österreich als Nettozahler habe gleichzeitig enorm von der EU profitiert, was man am Wirtschaftswachstum und am Wohlstand ablesen könne. Der ÖVP-Klubobmann räumte ein, dass auf EU-Ebene Fehler gemacht wurden, auch bei der Einführung des Euro. Man dürfe aber jetzt nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, meinte er und appellierte, die Zukunft vor destruktiven Kräften zu bewahren. Es liegt daher ihm zufolge auch im eigenen Interesse, jenen Ländern unter die Arme zu greifen, die eine Gefahr für den Euro darstellen, damit diese ihr Defizit abbauen und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.

"Wir müssen aber mit dem Konzept Schluss machen, Wachstum auf Pump zu generieren", unterstrich Kopf nachdrücklich. Das gegenwärtige Problem basiere auf der Verschuldung der Staaten, das sehe man auch am Beispiel Griechenlands, das die Chance habe, aus eigenem Überschüsse zu erwirtschaften, aber für seine Schulden viel zu hohe Zinsen zahle. Aus diesem Grund sei es notwendig, solche Länder aus den Fängen der Spekulanten und der Kapitalmärkte zu befreien, sagte er und stellte gleichzeitig fest, dass Solidarität selbstverständlich keine Einbahnstraße sein könne. Um verantwortungsvolles Handeln sicher zu stellen, brauche man den Fiskalpakt, denn dieser lege jene an die Leine, die Hilfe benötigen. Die betroffenen Krisenländer müssten eine Einschränkung ihrer Freiheit hinnehmen, aber nicht wir, betonte Kopf. ESM und Fiskalpakt seien unverzichtbare Hilfsinstrumente für Länder in Schieflage, aber ein Schutz für die Geberländer. All jene, die dagegen seien, handelten zum Schaden der österreichischen Bevölkerung, folgerte Kopf.

Interesse Österreichs verraten

Aus Sicht des F-Klubobmannes Heinz-Christian STRACHE werden mit der Einführung des ESM die Prinzipien der Währungsunion, die bislang eine finanzielle Rettung insolventer EU-Staaten untersagten, "auf den Kopf" gestellt, was einem "Staatstreich" gleichkomme. Die Bundesregierung verrate die Interessen der österreichischen Bevölkerung, da sie zulasse, dass die europäische Währungsunion sich immer mehr zu einer Schulden-, Banken-, und Transferunion eines Zentralstaates Europa entwickle, warf der Abgeordnete den Regierungsmitgliedern vor. Bundeskanzler Faymann lehne sogar entgegen seinem Versprechen eine Volksabstimmung zur Vertragsänderung für den ESM ab, kritisierte Strache und befürchtete, Österreichs Souveränität werde völlig an Brüssel abgegeben, da der Gouverneursrat des permanenten Euro-Schutzschirmes auch ohne österreichische Zustimmung Beschlüsse fassen könne. Im Namen seiner Fraktion sprach Strache daher mit einem Entschließungsantrag der gesamten Regierung das Misstrauen aus. Generell zeigte sich der F-Mandatar überzeugt, die Finanzkrise Europas sei erst durch das Zusammenführen unterschiedlicher Volkswirtschaften in der Eurozone entstanden. Zur Sicherung der österreichischen Spareinlagen befürwortete er, Banken notfalls auch zu verstaatlichen.

G-Klubobfrau Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) vermisste in den Ausführungen ihres Vorredners konkrete Vorschläge zur Krisenbewältigung und Gedanken über die Zukunft Europas. Wolle man zahlungsunfähige Staaten nicht weiterhin "Wucherzinsen" auf den Finanzmärkten zahlen lassen, gebe es keine Alternative zum ESM, so Glawischnig-Piesczek. Den Finanzpakt lehne sie allerdings ab, da es mit dem bestehenden Stabilitätspakt bereits ausreichend Vorkehrungen zur Ausschüttung von Hilfsgeldern gebe. Ihre Fraktion habe im Gegensatz zur FPÖ ein klares politisches Ziel, nämlich die Finanzspekulation in Europa zurückzudrängen, betonte die G-Mandatarin. Als Maßnahme zur Spekulationsbekämpfung nannte sie die Finanztransaktionssteuer, die dank des Einsatzes der Grünen Europas und der Organisation ATTAC nun bereits im europäischen Rat debattiert werde. Die Wurzel des Finanzproblems stelle nämlich die radikale Liberalisierung der Finanzmärkte dar, hielt Glawischnig-Piesczek fest. Es gelte daher, eine europäische Einigung über eine Finanztransaktionssteuer und eine stärkere Bankenregulierung zu erzielen, um der neoliberalen Wirtschaftspolitik entgegenzuwirken, unterstrich sie.

Einen "Schutzpatron der Banken" nannte B-Klubobmann Josef BUCHER den Bundeskanzler, da der ESM nur Banken, nicht aber die europäischen BürgerInnen schütze. Er kündigte aus diesem Grund einen Misstrauensantrag des BZÖ gegen Faymann an. Die Bevölkerung werde von der Entscheidungsfindung zur europäischen Finanzpolitik ausgeschlossen, monierte der B-Mandatar, da sich die Bundesregierung offenbar vor einer Volksabstimmung über den ESM fürchte und keine breite Aufklärung über die Struktur des Schutzschirmes biete. Tatsächlich müsse Österreich seine Beiträge zum ESM erhöhen, falls Zahlungen anderer Länder ausfielen. Der Wohlstand Österreichs durch den Euro sei "auf Sand gebaut", da er nur künstlich geschaffen wurde, meinte Bucher. Angesichts abnehmender Nettoeinkommen und sinkender Unternehmensgewinne plädiere er für eine Parallelwährung in Staaten mit vergleichbaren Volkswirtschaften als Alternative zum Euro.

Spindelegger: ESM wichtig für Wohlstand und Wachstum in Europa

Vizekanzler Michael SPINDELEGGER ging in seiner Wortmeldung auf Argumente gegen den Euro beziehungsweise den ESM-Schutzschirm ein. Der Behauptung, Österreich gewinne mit dem Verlassen der Eurozone seine Eigenständigkeit zurück, hielt er entgegen, schon zu Zeiten des Schilling habe sich die österreichische Währungspolitik stark an der D-Mark orientiert. Der ESM sei nun das Mittel, die gemeinsame europäische Währung eigenständig stabil zu halten, ohne bei möglichen Turbulenzen Hilfsgesuche an den Internationalen Währungsfonds richten zu müssen. Der europäische Stabilitätsmechanismus stelle nicht nur ein wirksames Instrument dar, Währungsturbulenzen abzufangen, er gewährleiste auch Sicherheit für die österreichischen SparerInnen, befand der Vizekanzler. Das von der FPÖ geforderte Stoppen des ESM hieße auch Wohlstand und Wachstum in Europa zu stoppen, hob Spindelegger hervor und zitierte aus einer deutschen Studie, dass Österreichs Wirtschaft ohne den Euro um 10% sinken, die Arbeitslosigkeit aber um 9% steigen würde.

Die Katastrophenhilfe der österreichischen Freiwilligen Feuerwehren bei den Unwettern der vergangenen Nacht führte Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) eingangs als Beispiel für "zivilisatorisch richtiges Verhalten" an. Nachbarorten bei Gefahren zur Hilfe zu eilen sei auch in der europäischen Finanzkrise mittels des ESM geboten. Politischen Kräften, die das Gegenteil propagierten, attestierte Matznetter ein "schäbiges" Vorgehen. Positiv sah der S-Mandatar vielmehr Bundeskanzler Faymanns Eintreten für Wachstumsinitiativen und eine Finanztransaktionssteuer in Europa. Da die Finanzministerin bei Abstimmungen im Gouverneursrat des ESM ein Mandat des österreichischen Parlaments benötigen werde, sei außerdem die parlamentarische Kontrolle ausreichend vorhanden. Zum Fiskalpakt gebe es zwar auch innerhalb der SPÖ kritische Stimmen, merkte der S-Abgeordnete an, doch sei es auf europäischer Ebene politische Realität, dass nur das "Gesamtpaket" bestehend aus ESM und Fiskalpakt, umgesetzt werden könne. Der von FPÖ und BZÖ oftmals geforderte "Nordeuro" statt der Gemeinschaftswährung würde letztendlich nur dazu führen, dass Berlin alleine die Währungspolitik diktiert, warnte Matznetter.

Zur Wahrung des europäischen Modells appellierte Abgeordneter Reinhold LOPATKA (V), den ESM zu beschließen und damit die gemeinsame europäische Zukunft zu gestalten. Europa solle nicht nur auf Rettungsschirme reduziert werden, meinte der V-Abgeordnete und erinnerte an die diktatorischen Systeme, die in einigen Ländern Europas bis weit in das 20. Jahrhundert hinein bestanden. Die EU garantiere die Freiheit der einzelnen BürgerInnen und weise das beste Sozial- und Pensionssystem der Welt auf, diese Errungenschaften dürften nicht durch kleinliches nationalstaatliches Denken, das gegen den ESM gerichtet war, torpediert werden, sagte Lopatka. Auch Kritik am Fiskalpakt konnte er nicht nachvollziehen, da dabei endlich kleine Staaten die Möglichkeit hätten, Regelverletzungen größerer Länder entgegenzutreten. Zudem hafte jeder Mitgliedsstaat des ESM nur in der Höhe seines eigenen Anteils am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs. Das Exportland Österreich, dessen Exporte großteils in EU-Länder gehen, hinge ebenso wie der soziale Frieden in der Union hochgradig von der wirtschaftlichen Stabilität der EU ab, schloss Lopatka.

Abgeordneter Herbert KICKL (F) erwiderte auf seine Vorredner, sie versuchten das Bild zu vermitteln, Österreich sei vor dem EU-Beitritt auf dem Stand eines Entwicklungslandes gewesen. SPÖ, ÖVP und Grüne würden für den Fall, dass der ESM nicht käme, den Weltuntergang in Aussicht stellen. Tatsächlich sei aber der ESM Teil einer Fehlentwicklung, die in eine Katastrophe führe. Mit dem ESM würden weite Teile der österreichischen Souveränität abgegeben. Gleichzeitig lasse man die österreichische Bevölkerung draußen vor der Türe stehen. Man schaffe einen europäischen Zentralstaat, für den Österreich nur die Rolle habe, "den Bankomaten zu befüllen". Der als angeblicher Garant für demokratische Mitbestimmung eingerichtete ESM-Unterausschuss des Nationalrats sei nicht mehr als eine "politische Besenkammer", sagte Kickl. Der heutige Tag freue nur die Großbanken und Investoren sowie jene südeuropäischen Länder, die schlecht gewirtschaftet hätten und nun die Folgen dafür nicht tragen wollten.

Europa braucht ökologische Investitionen

Abgeordneter Werner KOGLER (G) stellte fest, im Zusammenhang mit dem ESM würden weitreichende Mitwirkungsrechte des Parlaments beschlossen. Es gehe zudem um viel mehr als den ESM, dessen Bedeutung unverhältnismäßig aufgebauscht werde. Grundsätzlich müsse man festhalten, dass Europa und seine starke Wirtschaft die gegenwärtige Krise eigentlich leicht bewältigen könnte. Seit zwei Jahren werde aber durch anhaltendes Krisengerede mehr Schaden verursacht als Nutzen gestiftet. Die Lage Europas sei kein Anlass zur Weltuntergangsstimmung, es müssten aber die europäischen Stärken besser gebündelt werden. Dazu brauche es die Verbindung von Solidarität und wirtschaftlicher Vernunft. Die Grünen würden daher dem ESM zustimmen, zum Fiskalpakt aber Nein sagen, denn durch ihn werde die dringend notwendige Investitionstätigkeit eingeschränkt. Europa brauche jedoch dringend ökologische Zukunftsinvestitionen. Der ESM stellt aus Sicht Koglers eine Überbrückungshilfe dar, bis vernünftige Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, nämlich ein strenges Finanzregulierungssystem, eine Finanztransaktionssteuer und europäische Anleihen.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) rechnete vor, dass viele Milliarden "hart erarbeitetes Steuergeld" durch den ESM von SPÖ, ÖVP und Grünen der EU übergeben werden. Hier werde die Wirtschafts- und Steuerleistung der ÖsterreicherInnen verpfändet, das sei nicht weniger als Hochverrat an Österreich, sagte Grosz. Den Grünen warf Grosz vor, keinen einzigen der Punkte, die sie als Voraussetzung für ihre Zustimmung zum ESM-Vertrag gefordert hatten, tatsächlich durchgesetzt zu haben. ESM und Fiskalpakt hätten keine demokratische Legitimation, den BürgerInnen werde nicht die Wahrheit gesagt. Die Regierung unterstütze nur Banken und Spekulanten, sagte Grosz.

Abgeordnete Christine MUTTONEN (S) wies auf die Ergebnisse des Europäischen Rates in der Vorwoche hin. Dort habe sich eine klare Trendwende gezeigt und endlich die Ansicht durchgesetzt, dass Europa eine Kombination von intelligenter Budgetkonsolidierung mit Investitionen in Wachstum und Beschäftigung brauche. Wenn der Fokus jetzt auf letzteren liege, sei das auch den Bemühungen Werner Faymanns und dem frischen Wind aus Frankreich zuzuschreiben. Die SozialdemokratInnen fordern eine gerechte Steuerpolitik, unterstrich Muttonen. Es gebe Anlass zur Zuversicht, dass der Europäische Sozialfonds aufgestockt wird. Gelder aus dem EU-Strukturfonds werden umgeschichtet und dadurch verfüge man über die nötigen Instrumente, um Wachstum und Beschäftigung sowie Forschung und Innovation zu fördern. Die Budgetkonsolidierung sei wichtig, um den Staaten größere Unabhängigkeit von den Finanzmärkten zu verschaffen.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) stellte zum angekündigten Misstrauensantrag des BZÖ gegenüber dem Kanzler fest, der Antrag sei würde- und niveaulos. Der Abgeordnete verwies weiters darauf, dass es derzeit positive Nachrichten über die spanische Wirtschaft gebe und dass auch Griechenland eine klare Trendwende in seiner Budgetpolitik geschafft habe. Es sei wichtig, jenen Ländern, welche in Schwierigkeiten geraten seien, die Möglichkeit zu geben, wieder an die Finanzmärkte zurückzukehren. Die Instrumente dazu seien der ESM und das ihm zugeordnete Kontrollinstrument Fiskalpakt. Solidarität zwischen den Staaten dürfe aber keine Einbahnstraße sein, betonte Bartenstein. Sie gelte nicht nur für die Länder, die Unterstützung erhalten, sondern auch für die, die bezahlen. Für Bartenstein stand fest, dass alle Alternativen zum ESM, etwa eine Rückkehr zum Schilling, die Einführung eines Nord-Euro oder die Auflösung der Währungsunion, nur ins Chaos führen würden.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) bezeichnete die für den ESM vorgebrachten Argumente als Legendenbildung und Angstmache. Es lasse sich belegen, dass der Euro kein stärkeres Wirtschaftswachstum gebracht habe, es habe sich eher abgeschwächt. Auch die Exporte Österreichs in die Länder der Eurozone und den EU-Raum hätten abgenommen. Ebenso die Behauptung, dass der Euro die "Friedensunion Europa" fördere, entbehre jeder Grundlage, die Daten weisen auf eine wirtschaftliche Entflechtung der Euro-Staaten hin, argumentierte Stefan. Es sei ein Armutszeugnis, wenn versucht werde, den ESM mit Europa gleichzusetzen. Die FPÖ werde auch nicht akzeptieren, dass Länder versuchten, den Begriff der Solidarität dafür zu missbrauchen, um sich Reformen zu ersparen. 

Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G) bezog sich in seiner Wortmeldung auf das Communiqué der europäischen Regierungschefs nach dem EU-Gipfel und konstatierte, diese hätten "den Mund sehr voll genommen". So sei darin die Rede von einer neuen Bankenordnung. Hier müsse noch einiges geschehen. Jede wesentliche Entscheidung zum ESM, und vor allem solche, deren Konsequenzen über die derzeit im ESM-Vertrag enthaltenen Bestimmungen hinausgehen, könnten nur nach Verhandlungen des Gouverneursrates getroffen werden. Die Finanzministerin müsste für alle Entscheidungen stets auch die Zustimmung des ESM-Unterausschusses einholen, der von den Freiheitlichen soeben als "parlamentarische Besenkammer" bezeichnet wurde. Das von Freiheitlichen und BZÖ immer wieder vorgebrachte Argument, dass das Parlament beim ESM nichts mitzureden haben werde, lasse sich Punkt für Punkt entkräften, stellte Van der Bellen fest.     

Österreich muss immer weiter zahlen

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) brachte zu Beginn seiner Rede einen Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Faymann ein und begründete diesen damit, dass der österreichischen Bevölkerung wesentliche Hintergründe des ESM vorenthalten worden seien. Mit dem ESM und Fiskalpakt beschließe man nichts weniger als ein zusätzliches europäisches Organ, welches, ohne demokratischer Kontrolle zu unterliegen, das Recht habe werde, an Österreich bedingungslos und unwiderruflich Forderungen zu stellen, sobald neuer Kapitalbedarf auftrete. Es sei bereits absehbar, dass dieser Kapitalbedarf in den nächsten Jahren immer weiter ansteigen werde und Österreich immer weiter neues Geld zuschießen werde müssen. Widmann forderte außerdem einen sofortigen Zahlungsstopp an Griechenland.   

Abgeordnete Sabine OBERHAUSER (S) sah hoffnungsvolle Anzeichen einer Wende im Umgang mit der Krise in Europa. Mit dem Pakt für Wachstum und Beschäftigung werde eine seit langem erhobene sozialdemokratische Forderung umgesetzt. Auch die lange abgelehnte Finanztransaktionssteuer sei nun bereits in greifbare Nähe gerückt, sagte Oberhauser und konzedierte der Bunderegierung, ein Partner mit Handschlagqualität zu sein. 

Abgeordneter Franz ESSL (V) betonte, dass Europa sich wirtschaftlich weiter entwickeln müsse, damit es weiterhin ein Garant für Frieden und Wohlstand sein könne. Dazu brauche man ein neues Regelwerk, das jetzt mit dem ESM und dem Fiskalpakt geschaffen werde.

Abgeordneter Martin STRUTZ (F) hingegen war der Meinung, es handle mit dem ESM um ein Vertragswerk, das in demokratische Grundrechte eingreife und der die Aufgabe von wichtigen Teilen der österreichischen Souveränität bedeute. Die Eile, mit der er durch den Nationalrat gepeitscht werde, sei unverständlich. In den Hearings habe sich die Mehrzahl der ExpertInnen negativ zu ESM und Fiskalpakt geäußert. Strutz forderte die Abgeordneten daher auf, ebenfalls Nein dazu zu sagen.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) argumentierte, die Erhöhung des Schutzschirmes schaffe jenen Spielraum, der gebraucht werde, um in den richtigen Bereichen investieren zu können. Sie erinnerte daran, dass die EU vor wenigen Jahren auch Österreich zur Seite gestanden sei, als österreichische Banken in Ost- und Südosteuropa in Schwierigkeiten geraten waren. Der von BZÖ und FPÖ immer wieder bemühte Vergleich mit der Schweiz sei nicht zulässig, Österreich habe gänzlich andere Voraussetzungen, meinte Lichtenecker. 

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) warnte, das Geld, welches Österreich für den ESM aufbringen müsse, werde nichts zur Stärkung der Kaufkraft der Bevölkerung in den Krisenländern beitragen, sondern diene ausschließlich der Abdeckung der Spekulationsverluste von Banken. Es sei vielmehr damit zu rechnen, dass die Kaufkraft der südlichen EU-Länder weiter sinken und die österreichischen Exporte darunter leiden werde.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) war der Auffassung, dass der ESM Österreich lähme, weil dadurch notwendige Zukunftsinvestitionen verhindert werden. Außerdem fehle es der aktuellen Regierung, die "vor der EU buckle", komplett an Visionen, meinte der BZÖ-Mandatar. Huber wehrte sich auch vehement gegen den Vorwurf, das BZÖ habe keine Alternativvorschläge präsentiert. Seine Partei habe immer wieder Lösungen angeboten und Bereitschaft gezeigt, über neue Konzepte zu diskutieren.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter Gerald GROSZ (B) gegenüber dem ÖVP-Mandatar Martin Bartenstein fest, dass die Aussage, wonach "der Horizont von Bundeskanzler Faymann nur vom Ballhausplatz bis zur SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße" reiche, nicht von einem Abgeordneten seiner Partei gemacht wurde, sondern von einem Journalisten der Kleinen Zeitung.

Abgeordneter Robert LUGAR (A) kritisierte, dass der ESM immer als Euro-Rettungsschirm oder als Stabilitätsprogramm verkauft werde, obwohl es einzig und allein darum gehe, dass sich die Staaten auch weiterhin möglichst billig verschulden können. Er glaube auch, dass der Angriff auf die "bösen Finanzmärkte" oft nur als Ausrede verwendet wird. Denn warum soll man einem Land Kredite geben, das einfach nicht gut haushalten kann, fragte sich Lugar. Wenn man diesen Staaten aber weiterhin Geldgeschenke macht, dann werde der Reformdruck wegfallen und die Staatswesen wieder nicht in Ordnung gebracht, befürchtete Lugar, der auf das Beispiel Griechenland verwies. Letztlich werden "wir alle, Hand in Hand mit unseren Freunden im Süden, in das dunkle Tal der Insolvenz schreiten und gemeinsam in Konkurs gehen", prognostizierte der Redner.

Für ihn sei der EMS ein "Sado-Maso-Vertrag", resümierte Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F), weil damit der Verzicht Österreichs auf Freiheit, Souveränität, Budgethoheit und parlamentarische Kontrollrechte sowie die Übernahme der Schulden von Bankspekulanten verbunden sei. Auch wenn die Kritik am Stabilitätsmechanismus in ganz Europa immer stärker werde und viele Experten vor einem Euro-Kollaps warnen, kümmere das die österreichische Bundesregierung offenbar nur wenig. Tatsache sei zudem, dass weder Österreich noch andere europäische Volkswirtschaften vom Euro wirklich profitiert haben, urteilte Strache. Stattdessen sei Europa geprägt von stagnierendem Wachstum, immer höheren Arbeitslosenraten, Strukturschwächen, übermäßigen Staatsverschuldungen, negativen Inflationsentwicklungen, Bankenpleiten und vielem mehr. Besonders verwerflich sei jedoch, dass mit der heutigen Zustimmung zum ESM, zum Fiskalpakt und zur Änderung des Lissabon-Vertrags das gesamte demokratische System aufs Spiel gesetzt und die Zukunft ganzer Generationen verspielt werde.

Bei der Abstimmung wurde der F-Entschließungsantrag betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung abgelehnt. Ebenfalls in der Minderheit blieb der B-Entschließungsantrag betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler. (Schluss Erklärung/Fortsetzung Nationalrat)