Parlamentskorrespondenz Nr. 558 vom 28.06.2012

Euro-Schutzschirm: Positionen bleiben einzementiert

Wien (PK) – Die Positionen der Parteien zum dauerhaften Euro-Schutzschirm (ESM) bleiben einzementiert. Bei einem Hearing im Verfassungsausschuss des Nationalrats wandten sich FPÖ und BZÖ nach wie vor strikt dagegen, Euroländern mit schweren Finanzproblemen Hilfen zu gewähren und damit die Stabilität des Euro zu sichern. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und BZÖ-Chef Josef Bucher fürchten, dass Österreich mit in den Abgrund gerissen wird, sollten die im Rahmen des ESM übernommenen Haftungen schlagend werden, und sehen sich in ihrer Haltung durch beim Hearing geäußerte Expertenmeinungen bestärkt.

Die vom deutschen Universitätsprofessor Bernd-Thomas Ramb aufgestellte Berechnung, wonach auf Österreich bei einem Worst-Case-Szenario Kosten im Ausmaß von 386 Mrd. € zukommen, wurde allerdings von anderen Experten mit dem Hinweis auf im ESM-Vertrag klar festgelegte Haftungsgrenzen zurückgewiesen. Ihrer Ansicht nach könnte der ESM in Verbindung mit dem Fiskalpakt und anderen Begleitmaßnahmen auf europäischer Ebene durchaus ein taugliches Mittel sein, um die Eurozone zu stabilisieren.

Auch SPÖ, ÖVP und Grüne befürworteten die Einrichtung des ESM. Sie warnten vor einem Zerbrechen des Euroraums und hoben die strikten Auflagen für Stabilitätshilfen sowie die umfassenden Mitwirkungsrechte des österreichischen Parlaments bei zentralen ESM-Entscheidungen hervor. Finanzministerin Maria Fekter meinte, die Behauptung, der ESM könne unbeschränkt Mittel abrufen, werde auch dann nicht wahrer, wenn man sie immer wieder behaupte.

Das Expertenhearing im Parlament wurde in zwei Teile – eines zum ESM und eines zum Fiskalpakt – gesplittet, am Vormittag standen den Abgeordneten Fritz Breuss (Wirtschaftsuniversität Wien), Gottfried Haber (Universität Klagenfurt), der deutsche Bank-Experte Wilhelm Hankel, Markus C. Kerber (Technische Universität Berlin), Barbara Kolm (Hayek-Institut), Peter Mooslechner (Oesterreichische Nationalbank), Michael Potacs (Wirtschaftsuniversität Wien), Bernd-Thomas Ramb (Universität Siegen), Peter Rosner (Universität Wien) und Ulrich Schuh (EcoAustria) zur Verfügung. Im Anschluss an das Hearing wurden die Beratungen vertagt.

Mit dem Vertrag zum Europäischen Stabilitätsmechanismus verpflichten sich die Euroländer, den ESM vorerst mit einem Stammkapital in der Höhe von 80 Mrd. € auszustatten und Haftungen im Ausmaß von insgesamt bis zu 700 Mrd. € zu übernehmen. Auf Österreich entfällt dabei ein Anteil von 19,48 Mrd. €, 2,23 Mrd. € davon sind einzuzahlen. Die erste von fünf Raten könnte bereits im Juli fällig werden, vorausgesetzt der ESM-Vertrag tritt rechtzeitig in Kraft. Auch EU-Mitgliedsländer ohne Euro können sich an Hilfsmaßnahmen beteiligen, zudem ist man bestrebt, die Darlehenskapazität des ESM durch IWF-Hilfe zu ergänzen.

Neben Kreditvergaben stehen dem ESM auch andere Instrumente wie Interventionen am Primär- und am Sekundärmarkt zur Verfügung. Die Gewährung von Finanzhilfen ist dabei an strenge Auflagen geknüpft. Dazu zählt insbesondere auch die Ratifizierung des Fiskalpakts und die damit verbundene Verankerung einer innerstaatlichen Schuldenbremse (siehe dazu PK-Nr. 273/2012).

Ein Begleitgesetz zum ESM-Vertrag und eine Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrats sollen dem österreichischen Parlament umfassende Mitspracherechte beim ESM sichern. So wird Finanzministerin Maria Fekter für alle wesentlichen Entscheidungen des ESM, etwa die grundsätzliche Gewährung von Finanzhilfe an einen EU-Staat oder die Aufstockung der Mittel, die ausdrückliche Genehmigung des Nationalrats einholen müssen. Zudem werden umfassende Informationspflichten der Regierung verankert (siehe PK-Nr. 489/2012).

Um den ESM-Vertrag EU-rechtlich abzusichern, ist eine Ergänzung von Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehen. Diese Vertragsänderung bedarf der Zustimmung aller EU-Mitgliedsländer, im Nationalrat und im Bundesrat ist dafür jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Fekter: ESM kann nicht unbeschränkt Kapital abrufen

Finanzministerin Maria Fekter erinnerte in ihrem Einleitungsstatement zum Hearing daran, dass im Jahr 2009, als Griechenland in Folge der Bankenkrise in Turbulenzen geriet, in Europa keine geeigneten Hilfsinstrumente zur Verfügung standen und man daher bilaterale Hilfe gewähren musste. Aus dieser Erfahrung heraus habe man verschiedene Maßnahmen gesetzt und sich zuletzt darauf verständigt, mit dem ESM einen dauerhaften Krisenmechanismus einzurichten, um Finanzkrisen in der Eurozone besser managen zu können. Fekter verglich den ESM mit der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), mit dem Unterschied, dass der ESM mit Stammkapital ausgestattet werde.

Österreich zahlt laut Fekter 2,2 Mrd. € in den ESM, dazu kommen Haftungen im Ausmaß von weiteren 17 Mrd. €. Die Behauptung, der ESM könne unbeschränkt Kapital abrufen, sei falsch, bekräftigte sie, und sie werde auch nicht wahrer, wenn man sie ständig wiederhole. Verteidigt wurde von Fekter auch die Immunität der Organe des ESM: diese schützt ihr zufolge davor, dass "Spekulanten und Zocker" den Fonds "niederklagen".

Kerber: "No-Bailout-Klausel" wird durch ESM verwässert

Als erster Experte meinte Markus C. Kerber (Technische Universität Berlin), es sei "eine etwas naive Annahme", dass der ESM per se Stabilität in die Eurozone bringen werde. Er werde erst effektiv, wenn die ESM-Mitglieder auch den Fiskalpakt ratifizieren und Schuldenbremsen in ihrer Verfassung verankern, skizzierte er. Seiner Ansicht sind mit der Einrichtung des ESM auch gravierende rechtliche Zweifel verbunden, da die im EU-Vertrag verankerte "No-Bailout-Klausel" zwar nicht abgeschafft, in der Praxis aber doch relativiert und letztlich verwässert werde. Zudem ändere der ESM das Gefüge der Währungsunion.

Bisher wenig diskutiert wurde Kerber zufolge überdies, dass der mit dem ESM in Verbindung stehende Fiskalpakt nicht nur Sanktionen für fiskalisches Fehlverhalten der EU-Länder vorsehe, sondern auch Fehlverhalten in der Außenwirtschaftspolitik, also etwa zu hohe Leistungsüberschüsse, Gegenstand von Sanktionen sein können.

Breuss: Ohne Ratifizierung des Fiskalpakts gibt es keine Finanzhilfen

Nach Meinung von Fritz Breuss (Wirtschaftsuniversität Wien) war der erste "Sündenfall" der EU die erste Griechenland-Hilfe. Damit wurde ihm zufolge die "No-Bailout-Klausel" erstmals aufgeweicht. Inzwischen seien bereits fünf Länder unter den Rettungsschirm geflüchtet bzw. stünden kurz davor. Breuss wies auf die Verzahnung von ESM, Fiskalpakt und "Sixpack" hin, Stabilitätshilfe werde nur unter Auflagen gewährt. Bei gutem Finanzmanagement seien theoretisch sogar Gewinne im ESM möglich. Unklar ist für ihn, welche Sanktionen einem Land drohen, das die auf ihn fallenden ESM-Anteile nicht einzahlt. Durch die Verzögerungen in Deutschland verzögert sich laut Breuss auch die Mitteleinzahlung in den ESM.

Haber: ESM ist wichtige Krisenfeuerwehr

Gottfried Haber (Universität Klagenfurt) hob hervor, dass der ESM per se kein Garant für Stabilität sei und nur in Zusammenhang mit dem Fiskalpakt Sinn mache. Er empfahl den Abgeordneten daher, dem ESM nur in Verbindung mit dem Fiskalpakt zuzustimmen. Generell ist es seiner Ansicht nach wichtig, ein Instrument zur Verfügung zu haben, das bei Liquiditätsproblemen kurzfristig einspringen kann. Auch Staaten, die "Musterschüler" sind, und ihren Staatshaushalt in Ordnung halten, könnten Probleme bekommen, wenn sie in Folge der augenscheinlichen Vertrauenskrise in den öffentlichen Sektor am Markt keine Kredite zu annehmbaren Konditionen bekommen, skizzierte er. In diesem Sinn sieht er den ESM als wichtige Krisenfeuerwehr. Dieser sei aber sicher kein Mechanismus, der Geld herschenke, bekräftigte Haber.

Hankel: Der Euro ist eine verlorene Währung

Wilhelm Hankel, deutscher Bank-Experte und Volkswirt, bezeichnete den Euro als "verlorene Währung". Ihm zufolge zeigen verschiedene Beispiele aus der Geschichte, dass mit einer Währungsunion stabiles Geld nicht gewährleistet werden könne. Nationale Wohlstandspolitik ist seiner Überzeugung nach nur mit einer eigenen Währung zu machen. Das Versagen des Euro hat sich nach Einschätzung von Hankel bereits seit einiger Zeit angekündigt, der Euro habe zu falschen Zinsen, falschen Geldpreisen und falschen Wechselkursen geführt. Viele Krisenländer würden nicht unter zu hohen Staatsschulden leiden, sondern seien durch zu hohe Privatschulden unter Druck geraten.

Generell sieht Hankel die Gefahr, dass sich Europa in Richtung einer zweiten Sowjetunion bewegt, mit Zentralismus, Kapitalmarktlenkung und Inflation.

Kolm: ESM führt zu Souveränitätsverzicht ohne Stabilitätsgewinn

Barbara Kolm (Hayek-Institut) machte geltend, dass der ESM in demokratische Grundrechte eingreife, ohne dass durch den Souveränitätsverzicht ein Stabilitätsgewinn erreicht werden könne. Das Beispiel Griechenland führt ihr zufolge klar vor Augen, dass notwendige Reformen in Schuldenländern nicht durchgeführt werden, wenn sie in jedem Fall mit Finanzhilfe rechnen könnten. Die Ausfallsrisiken gingen aber zu Lasten zahlungskräftiger Länder. Angesichts des hohen Kapitalbedarfs in den Krisenländern der EU rechnet Kolm damit, dass der ESM ausgeweitet werden muss. Mit dem ESM komme eine Schulden-, Transfer- und damit eine Inflationsunion, warnte sie. Kritik übte Kolm auch daran, dass der ESM die Befugnisse einer Bank erhalte, ohne eine Lizenz dafür zu haben.

Mooslechner: Österreich braucht europäische Lösung

Peter Mooslechner (Oesterreichische Nationalbank) machte darauf aufmerksam, dass Großbritannien, die USA und Japan ähnlich hohe bzw. deutlich höhere Schulden als die Länder des Euroraums haben, ohne dass es in diesen Ländern eine Diskussion über eine Schuldenkrise gibt. Seiner Ansicht nach fehlt im Euroraum ein Sicherungsmechanismus, der in der Lage ist, im Fall von Banken- und Schuldenkrisen einzugreifen. Der ESM sei eine simple Weiterentwicklung bisher getroffener Maßnahmen in einer effizienten und permanenten Form, bekräftigte Mooslechner. Kredite würden nur unter strikten Bedingungen gewährt.

Mooslechner sieht zum ESM keine wirkliche Alternative, da Österreich als kleine offene Volkswirtschaft eine europäische Lösung benötige und in einer globalisierten Welt nicht allein überleben könnte.

Potacs: Volksabstimmung über ESM ist nicht notwendig

Michael Potacs (Wirtschaftsuniversität Wien) befasste sich aus verfassungsrechtlicher Perspektive mit dem ESM-Vertrag und der begleitenden Änderung der EU-Verträge und wies darauf hin, dass die vorgesehene Änderung des AEUV keine grundsätzliche Systemänderung bewirke. Das System der staatlichen Eigenverantwortlichkeit bleibe erhalten. Potacs erachtet daher auch die Durchführung einer Volksabstimmung über den ESM nicht für notwendig. Erst wenn sich die EU in Richtung einer Fiskalunion mit Eurobonds entwickle, werde sich diese Frage stellen.

Die österreichischen Verpflichtungen in Bezug auf den ESM beschränken sich laut Potacs auf das Stammkapital. Würden hier Änderungen vorgenommen, müsste die Vertragsänderung neu ratifiziert werden. Als internationales "Musterbeispiel" wertete er die Mitspracherechte des österreichischen Parlaments beim ESM.

Ramb: Österreich drohen Kosten von bis zu 386 Mrd. €

Bernd-Thomas Ramb (Universität Siegen) führte aus, es sei eine Illusion zu glauben, dass das Risiko für die ESM-Mitglieder auf 700 Mrd. € und damit das Risiko Österreichs auf 19,5 Mrd. € begrenzt sei. Er machte unter anderem geltend, dass die anderen ESM-Mitglieder einspringen müssten, wenn einzelne Staaten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Darüber hinaus gebe es keine Grenzen für Verlustzuweisungen an den ESM. Auch diese Verluste müssten die ESM-Mitgliedsstaaten übernehmen.

Ramb rechnete verschiedene Szenarien nach und kam schließlich auf einen drohenden Verlust für Österreich in der Höhe von 386 Mrd. €, wenn neben Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern auch Italien und Frankreich ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Von diesen 386 Mrd. € käme kein einziger Euro Österreich selbst zu Gute, unterstrich er. Scharfe Kritik übte Ramb außerdem daran, dass ein Austritt aus dem ESM nicht möglich ist.

Rosner: Rückkehr zum alten Währungssystem wäre problematisch

Peter Rosner (Universität Wien) hob die Notwendigkeit hervor, bei einer Entscheidung über den ESM Kosten und Nutzen gegenüberzustellen. Der ESM bringe sicher einen Stabilitätsgewinn und könnte bei der Abwehr des Zusammenbruchs des Eurosystems eine wichtige Rolle spielen, meinte er. Der ESM sei zwar nicht in der Lage, alle Probleme zu lösen, man brauche angesichts der mangelhaften Regulierung des Finanzmarktsektors aber einen Fonds, der stabilisierend eingreifen könne. Rosner hält auch ein Zeichen der EU für wichtig, dass sie hinter dem Euro steht. Für naiv hält es Rosner zu glauben, dass eine Rückkehr zum alten Währungssystem vor 1999 glatt über die Bühne gehen würde.

Schuh: Es gibt eine Obergrenze für Haftungen

Ulrich Schuh (EcoAustria) widersprach dem deutschen Experte Ramb, wonach es keine Obergrenzen für Haftungen Österreichs für den ESM gebe. Seiner Lesart des Vertrags nach sei die Höhe des einzuzahlenden und abrufbaren Kapitals klar festgelegt, betonte er. Schuh verglich den ESM mit dem Löschwagen einer Feuerwehr, der nur dann sinnvoll ist, wenn es auch einen Einsatzplan für die Feuerwehr gibt. Dies ist seiner Meinung nach durch die Einbettung des ESM in ein Gesamtkonzept gewährleistet. Finanzhilfen würden nur bei Erfüllung bestimmter Auflagen gewährt. Österreich sei eine kleine offene Volkswirtschaft, mit starker Abhängigkeit von Exportmärkten, hielt Schuh fest, daher sei für das Land Stabilität in Europa besonders wichtig.

Die Standpunkte der Abgeordneten

Die Runde der Stellungnahmen der Abgeordneten leitete FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ein. Er fühlt sich in seiner ablehnenden Haltung zum ESM durch die Berechnungen von Ramb bestätigt. Würde die Gesamthaftungssumme für Österreich schlagend, würde das zu einem Bankrott des Landes führen, gab er zu bedenken und hob in diesem Zusammenhang hervor, dass der Gouverneursrat unbegrenzt hohe Kredite vergeben könne. Damit werde jede Finanzhoheit der Nationalstaaten abgeschafft. Für Strache ist es auch "sittenwidrig", dass Österreich nicht aus dem ESM-Vertrag aussteigen kann und sich damit "bedingungslos und unwiderrufbar" zu Zahlungen verpflichte.

SPÖ-Klubobmann Josef Cap griff, wie etliche Redner nach ihm, das Bild des ESM als Feuerlöschwagen auf und warf FPÖ und BZÖ vor, zwar ständig nach einer Feuerwehr zu rufen, dann aber die Zufahrt zu blockieren. Das sei kein Lösungsbeitrag, meinte er. Cap zufolge muss man den ESM eingebettet in ein Gesamtkonzept sehen, es brauche die Ergänzung durch den Fiskalpakt. Mittelfristig strebt er in Europa eine Bankenunion mit einer gemeinsamen Bankenaufsicht und einem eigenen Insolvenzrecht für Banken an. Cap wies auch auf die umfassenden Mitwirkungsrechte des Nationalrats beim ESM und das Vetorecht des Parlaments bei wichtigen Finanzentscheidungen hin.

Nach Ansicht von BZÖ-Chef Josef Bucher befindet sich Österreich an einer Weggabelung. Er warnte davor, den "Irrweg" in Richtung eines "sozialistischen Zentralstaats" zu beschreiten und mit dem ESM die Tür zu einer Transferunion zu öffnen. Ihm schwebt dem gegenüber, wie er sagte, ein liberales Europa mit souveränen Ländern vor. Die Summen, die zur Diskussion stehen, würden jede Vorstellungskraft übersteigen. Bucher glaubt, dass die Probleme Österreichs durch den ESM noch ungleich größer werden und regte demgegenüber an, über einen "Exit" nachzudenken und gemeinsam mit vergleichbar starken Volkswirtschaften wie Deutschland und Holland eine Parallelwährung zu installieren.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) räumte ein, dass der ESM nicht alle Probleme lösen werde. Für ihn ist der Europäische Stabilitätsmechanismus aber ein wichtiger Baustein für ein erfolgreiches Zukunftsszenario. Man brauche neben Strukturreformen, einer Budgetkonsolidierung und Impulsen für Wachstum und Beschäftigung auch eine Feuerwehr, argumentierte er. Der Euro habe keine Krise, es gebe eine Staatsschuldenkrise, ist Stummvoll überzeugt. Eine gemeinsame Währung ohne eine gemeinsame Finanzpolitik sei ein Konstruktionsfehler gewesen. Was fehlt, ist nach Meinung von Stummvoll auch mehr Kommunikation mit der Bevölkerung.

Abgeordneter Harald Stefan (F) erklärte, Österreich habe eine gut funktionierende Währung gehabt, die es für eine gemeinsame Währung aufgegeben habe. Seiner Meinung ist ein wichtiger Grundsatz verletzt worden: nicht für fremde Schulden zu haften. Stefan glaubt, dass der Euro an sich eine Fehlkonstruktion ist, überdies fürchtet er, dass die Gewährung von Finanzhilfe an Euro-Schulden-Länder ein Hemmnis für notwendige Reformen ist.

Für Abgeordneten Werner Kogler (G) ist es, wie er ausführte, offenkundig, dass die Probleme, vor denen Europa steht, nicht national gelöst werden können. Seiner Ansicht nach wird es ohne vertiefte Integration nicht möglich sein, Spekulation zu bekämpfen und die Finanzmärkte zu regulieren. Der ESM werde die Probleme nicht lösen, meinte Kogler, er könne aber ein Feuerwehrauto sein, um den Brand vorübergehend zu bekämpfen. Man müsse aber dafür sorgen, dass die Feuerwehrautos auch gut gefüllt seien und nicht missbräuchlich, etwa als Wasserwerfer, eingesetzt würden. Man dürfe "gewisse Gefahrenmomente" nicht übersehen, mahnte Kogler.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) erinnerte daran, dass seinerzeit auch die Einführung des Euro euphorisch dargestellt worden sei. Nun werde der ESM als einzige Alternative dargestellt, kritisierte er. Man brauche aber eine Folgenabschätzung, forderte Scheibner, es könne nicht sein, dass eine Verdoppelung der Staatsschulden drohe, ohne dass ein Euro davon in Österreich investiert werde.

Abgeordnete Christine Muttonen (S) zeigte sich zuversichtlich, dass der ESM den Euroländern Zeit verschaffen werde, um notwendige Reformen durchzuführen und Wachstumsimpulse zu setzen. Sie wies außerdem darauf hin, dass verschiedenen Studien zufolge die gemeinsame Währung zu 5 % bis 10 % der Wirtschaftsleistung beitrage.

Abgeordneter Wolfgang Gerstl (V) machte darauf aufmerksam, dass der ESM nur dann Hilfen gewähren werde, wenn die Eurostabilität in Gefahr sei und der betreffende Staat seine Hausaufgaben gemacht habe. Besonders hob er außerdem das Vetorecht des österreichischen Parlaments bei der Gewährung von Stabilitätshilfen hervor.

Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) wies darauf hin, dass kein Mitgliedsland der EU gerne einen Kredit des ESM aufnehmen werde, da damit strenge Auflagen verknüpft seien. Er vermisst aber abseits des ESM Instrumente für Staaten, die, wie Griechenland, insolvent sind.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) hielt fest, er sei immer davon ausgegangen, dass man, wenn das Haus des Nachbarn brenne, löschen helfe. Seiner Meinung nach ist das nicht nur aus solidarischen Gründen sinnvoll, sondern auch, um ein Übergreifen der Flammen auf das eigene Haus zu verhindern. Außerdem brauche man vielleicht selbst einmal Hilfe. Der Gouverneursrat des ESM könne nicht machen, was er wolle, entgegnete Krainer FPÖ-Chef Strache, ohne ausdrückliche Zustimmung Österreichs könnten keine wichtigen Entscheidungen getroffen werden.

Zweiter Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (V) wertet den ESM als wichtiges Instrument zur Stabilisierung der Eurozone. Wenn jemand bessere Lösungen habe, solle er sie auf den Tisch legen, meinte er. Den Vergleich der EU mit der Sowjetunion wies Neugebauer als völlig unangebracht zurück.

Auch Staatssekretär Josef Ostermayer zeigte für den von Ramb angestellten Vergleich mit der Sowjetunion kein Verständnis und meinte, es gebe keine zweite Region in der Welt, wo Menschenrechte und Demokratie so hoch gehalten würden, wie in Europa. Überdies hielt er den KritikerInnen des ESM entgegen, dass man mit dem Aufsummieren aller möglichen Katastrophen keine Probleme lösen könne. Er habe nicht die Überheblichkeit zu sagen, dass mit dem ESM alle Probleme beseitigt werden, sagte der Staatssekretär, dieser könnte aber ein geeignetes Instrument sein, um die Eurozone zu stabilisieren und damit den Verlust von Wohlstand und Arbeitsplätzen in Österreich zu verhindern. Ostermayer gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass eine Million Arbeitsplätze in Österreich vom Export abhängig sei.

Die Schlussrunde der ExpertInnen

In der Abschlussrunde der ExpertInnen bekräftigte Ulrich Schuh, dass der Euro an sich ein Erfolgsmodell sei, um das Europa beneidet werde. Er betonte außerdem, dass die interne und externe Kontrolle des ESM sichergestellt sei.

Peter Rosner machte geltend, dass die größte Transferunion jene zwischen China und USA sei. Jedes Land, das Leistungsbilanzüberschüsse produziere, sei in einer Transferunion mit den Abnehmerländern seiner Ware. Was Griechenland betrifft, empfahl Rosner die Schulden entweder drastisch zu reduzieren, oder die Rückzahlungspflichten solange zu erstrecken, dass es de facto zu einer Schuldenreduktion kommt.

Bernd-Thomas Ramb wies Kritik an seinen Berechnungen zurück und hielt den Befürwortern des ESM entgegen, dass die Kosten für den ESM zwar relativ klar seien, der Nutzen aber "im virtuellen Bereich" liege. Man wolle mit dem ESM die Finanzmärkte stabilisieren, schaffe sie de facto aber ab, kritisierte er. Wenn man Zinssätze willkürlich und unabhängig von der ökonomischen Situation der betroffenen Länder festlege, fördere das ineffizientes Wirtschaften.

Michael Potacs betonte, dass es mit dem ESM zu keiner Transferunion komme und der ESM durch die neue Schutzklausel im AEUV EU-rechtlich legitimiert sei. Eine freiwillige Volksabstimmung ist für ihn verfassungsrechtlich nicht möglich, da eine solche für Staatsverträge nicht vorgesehen ist.

Peter Mooslechner meinte, das Feuerwehrmodell passe nur zum Teil auf den ESM. Seiner Ansicht nach hat dieser auch eine wichtige Präventivfunktion und erfüllt Aufgaben, die früher Währungsreserven zugekommen sind. Eine Bankenlizenz für den ESM wäre nach Meinung von Mooslechner völlig falsch, da dieser weder private Kredite vergibt, noch Privateinlagen annimmt.

Barbara Kolm sieht es als grundsätzliche Frage, ob man sich für ein "zentrales Brüssel" entscheide, das Summen koste, die insgesamt "ins Unendliche gehen", oder ein Europa mit souveränen starken Ländern wolle. Die Währungsunion in der jetzigen Form kann ihrer Meinung nach nicht funktionieren: Griechenland habe eine Produktivität wie ein Dritte-Welt-Land und einen Lebensstandard wie ein Erste-Welt-Land. Der vermeintliche Löschwagen ESM ist ihrem Bild nach derzeit mit Benzin gefüllt, es würde einen großen "Crash" auslösen, wenn er an die Wand fahre.

Wilhelm Hankel gab zu bedenken, dass es Island gelungen sei, seine Probleme national zu lösen. Seiner Ansicht nach wäre das Beispiel "europäisierbar". Der ESM könne auch kein europäischer IWF sein, unterstrich er. Zu seinem Sowjetvergleich merkte Hankel an, er habe diesen auf die Planwirtschaft bezogen.

Gottfried Haber hielt demgegenüber fest, das isländische Modell könne kein Modell für Europa sein, da der "Haircut" auf Kosten anderer Staaten erfolgt sei. Auch eine Parallelwährung starker Euro-Staaten ist für ihn keine Lösung. Passend findet Haber, wie er sagte, den Feuerwehrvergleich, da die Feuerwehr auch im Falle von Fahrlässigkeit lösche. Man müsse nach dem Löschen aber weitere Schritte setzen, um einen neuerlichen Brand zu verhindern. Der Unterschied zwischen ESM und IWF ist Haber zufolge, dass der ESM kein Geld aus dem Nichts schaffen und damit Geldmengen "nicht aufblasen kann", was er positiv bewertet.

Fritz Breuss sieht es als Grundproblem, dass man geglaubt habe, die Philosophie "one market, one money" würden im EU-Binnenmarkt funktionieren. Im Falle von Griechenland wird man seiner Auffassung nach ohne Schuldentilgungspakt nicht aus der Krise herauskommen. Breuss urgierte auch eine stärkere Einbindung der Bevölkerung in die Diskussion.

Zum Abschluss bekräftigte Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) die Kritik seiner Fraktion am ESM und warf "der bedingungslosen ESM-Fraktion" vor, das Haftungsrisiko zu unterschätzen. Ausschussobmann Peter Wittmann (S) wies darauf hin, dass entgegen den Behauptungen von FPÖ-Chef Strache wichtige Entscheidungen im ESM nicht ohne Zustimmung Österreichs getroffen werden können und der ESM auch einer externen Kontrolle unterliege.

BZÖ-Chef Josef Bucher sprach von einem "undemokratischen Konstrukt", aus dem es keine Ausstiegsmöglichkeit gebe. Seine Kritik, wonach sich die Mitsprache des österreichischen Parlaments auf Beratungen in einen geheimen Unterausschuss mit geheimen Papieren ohne Überprüfungsmöglichkeiten beschränke, wies Abgeordneter Werner Kogler (G) umgehend zurück. Kogler betonte, dass alle wichtigen Entscheidungen im Plenum des Nationalrats und damit öffentlich getroffen würden.

Kogler und Abgeordneter Günter Stummvoll (V) bemängelten außerdem, dass die ESM-KritikerInnen keine echten Alternativen zum ESM aufgezeigt hätten. Stummvoll unterstrich, dass das, was am Tisch liegt, das Ergebnis von intensiven Beratungen von 17 Staats-  und Regierungschefs, 17 FinanzministerInnen und eines umfangreichen Expertenstabs sei.

Im zweiten Teil des Hearings im Verfassungsausschusses ging es um den zwischen 25 EU-Staaten vereinbarten Fiskalpakt. Er soll für mehr Haushaltsdisziplin und eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Euroländer sorgen. So wird etwa das erlaubte jährliche Budgetdefizit der öffentlichen Hand grundsätzlich auf 0,5 % des BIP begrenzt. Zudem soll die Europäische Kommission mehr Befugnisse erhalten. Nur jene Staaten, die die Vorgaben des Fiskalpakts erfüllen, werden Mittel aus dem ESM bekommen. Großbritannien und Tschechien haben den Pakt nicht unterzeichnet. (Fortsetzung Verfassungsausschuss)