Parlamentskorrespondenz Nr. 218 vom 21.03.2012

Goldenes Ehrenzeichen für Siglinde Bolbecher

Barbara Prammer würdigt Verdienste der Exilforscherin und Lyrikerin

Wien (PK) – Die österreichische Historikerin, Lyrikerin und Exilforscherin Siglinde Bolbecher erhielt heute aus den Händen von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer das Goldene Ehrenzeichen überreicht, welches ihr Bundespräsident Heinz Fischer für besondere Verdienste um die Republik Österreich verliehen hatte. Im Rahmen einer Feierstunde im Parlament würdigte Prammer die Leistungen Bolbechers, die als Mitbegründerin und langjährige stellvertretende Vorsitzende der Theodor Kramer Gesellschaft, als Mitherausgeberin der Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands "Zwischenwelt" und seit 2002 in ihrer Funktion als Leiterin der Frauen-Arbeitsgemeinschaft in der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung wesentlich zur Erforschung und Verbreitung österreichischer Exilliteratur beigetragen hat. 

Prammer, die unter den zahlreich erschienenen Gästen neben der Generalsekretärin des Nationalfonds Hannah Lessing und dem Schauspieler Miguel Herz-Kestranek auch den Lebenspartner Bolbechers Konstantin Kaiser und deren gemeinsame Tochter Olivia Kaiser begrüßen konnte, gab zu bedenken, die Republik Österreich sei in ihrer Verantwortung gegenüber jenen Österreicherinnen und Österreichern, die ins Exil gehen mussten, sehr lange säumig gewesen. Das Engagement Siglinde Bolbechers für die Theodor Kramer Gesellschaft könne gar nicht hoch genug geschätzt werden, habe diese Institution doch einen festen Grundstein dafür gelegt, dass es möglich wurde, Künstlerinnen und Künstler gedanklich wieder nach Hause zu holen. Die Beschäftigung mit dem Exil, die Förderung und Unterstützung von Exilliteratur dürfe nie abreißen, mahnte die Nationalratspräsidentin.

Peter Roessler erinnerte in seiner sehr persönlich gehaltenen Laudatio an die Leistungen Siglinde Bolbechers, hob insbesondere die Mitherausgeberschaft am Lexikon der österreichischen Exilliteratur und an der Zeitschrift "Zwischenwelt", die Mitarbeit an der Buchreihe "Antifaschistische Literatur und Exilliteratur", aber auch die Organisation von zahlreichen Symposien, Tagungen und Lesungen hervor und stellte fest, ohne ihre auch gegen politischen und finanziellen Widerstand erbrachte Arbeiten werde es in Zukunft gar nicht mehr möglich sein, sich mit österreichischer Exilliteratur auseinanderzusetzen. Bolbecher habe die Erforschung der Exilliteratur nicht mit wissenschaftlicher Distanz betrieben, sondern immer mit dem Interesse an den Lebensverhältnissen der Exilantinnen und Exilanten verbunden und dabei vor allem auch den Frauen besondere Aufmerksamkeit geschenkt, betonte Roessler, der in diesem Zusammenhang von "Pionierarbeit" sprach und u.a. die Kontakte mit Stella Kadmon und Elisabeth Freundlich in Erinnerung rief. Es sei ihr stets gelungen, das Verschwiegene und Verdeckte sichtbar zu machen, meinte er und schloss mit einem Zitat der Geehrten: "Diejenigen, die Gesetze und Verordnungen gegen Flüchtlinge dekretieren, sollten die Geschichte des Exils kennen".

Siglinde Bolbecher drückte ihren Dank mit den Worten aus, allein die Tatsache, dass sie diese Auszeichnung erhalten habe, zeige, dass in diesem Land etwas weitergeht, vor zehn oder zwanzig Jahren wäre dies nicht möglich gewesen. In Anspielung an den historischen Hintergrund ihrer Arbeit bemerkte sie, man könne aus der Geschichte nicht lernen, es sei schon schwierig genug, sie irgendwie zu verstehen. Die Menschen seien nicht bösartig und kriminell, sondern im Großen und Ganzen geduldig und gut, es gelte allerdings zu begreifen, "was schief läuft". Bolbecher erinnerte weiters, sie habe bei ihren Forschungen erfahren, dass Europa nicht einige Kilometer östlich und nördlich von Wien endet, sondern wesentlich größer ist. Es sei zu hoffen, dass man nun diesem Teil von Europa mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung widmet. 

Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde von Beatrix Neundlinger und ihrer Formation "9dlinger und die geringfügig Beschäftigten", die in ihren Liedern u.a. auch Texte von Theodor Kramer aufgriffen.

HINWEIS: Fotos von diese Feierstunde finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) im Fotoalbum.

(Schluss)