Frauentag: Expertinnen diskutieren im Parlament über "FRAUenMUSIK"
Wien (PK) – Mehr als 50 Prozent der AbsolventInnen der österreichischen Musikhochschulen sind heute weiblich. Dennoch sind Komponistinnen, Dirigentinnen und Interpretinnen in der Öffentlichkeit nach wie vor weniger präsent als ihre männlichen Kollegen. Institutionen im Musikbereich werden immer noch mehrheitlich von Männern geleitet. Die "Gehaltsschere" ist auch in der Musikbranche weit geöffnet. Weshalb das so ist und warum auch die Musikgeschichte vorwiegend von Männern dominiert wird, darüber debattierten heute Expertinnen im Parlament. Anlass für die Podiumsdiskussion, zu der Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eingeladen hatte, war der bevorstehende Internationale Frauentag.
Prammer betonte in ihrer Begrüßungsrede, sie bemühe sich sehr, Themen ins Parlament zu holen, die über die Tagespolitik hinausgingen. Schon als Frauenministerin habe sie sich für die Situation von Frauen im Kunstbetrieb interessiert und aufgrund des Ergebnisses einer Studie, die große Geschlechterunterschiede aufgezeigt habe, einen eigenen, hoch dotierten, Frauenkunstpreis ausgeschrieben, skizzierte sie. Was den Musikbetrieb betrifft, ist für Prammer angesichts der Fakten klar, dass auch hier die "gläserne Decke" existiert.
Generell bekräftigte Prammer ihr klares Bekenntnis zu Frauenquoten und wies in diesem Zusammenhang auch auf eine vor kurzem veröffentlichte Studie über Wahlgänge in 59 Ländern im vergangenen Jahr hin. Demnach lag der Anteil der gewählten Frauen in jenen 17 Ländern, die eine gesetzliche Frauenquote haben, mit durchschnittlich 27,4 % deutlich höher als in den übrigen Ländern (15,7 %).
Bei der Podiumsdiskussion waren sich die Diskutantinnen dann einig, dass, was die Gleichstellung von Frauen im Musikbetrieb betrifft, vieles im Argen liegt. So verwies etwa Gabriele Proy, Komponistin und Präsidentin des Europäischen Forums Klanglandschaft, darauf, dass es für sie wichtig gewesen sei, ihre Karriere im Ausland aufbauen zu können, wo es viel bessere Rahmenbedingungen für Komponistinnen gebe als in Österreich. Sie sitze nun seit vielen Jahren in diversen Gremien und wisse aus Erfahrung, dass Partituren von Frauen anders bewertet würden als jene von Männern, unterstrich sie. Während es etwa in der Bildenden Kunst schon viel mehr Geschlechtersensibilität gebe, hinke der Musikbereich hinterher. Eine wichtige Rolle bei der Förderung von Komponistinnen spielt nach Meinung Proys die Vernetzung und Solidarisierung der Frauen.
Susanne Kirchmayr, Komponistin, DJ und Gründerin des Netzwerkes female:pressure, schilderte, ihr sei erst durch die Reaktionen des Publikums und von Kollegen bewusst geworden, dass weibliche und männliche DJs anders bewertet würden. Zum einen habe es Bewunderung, zum anderen versteckte Beleidigungen gegeben. Erst diese Kommentare hätten sie dazu gebracht, sich mit dem Genderthema auseinanderzusetzen. Als wichtig erachtet es Kirchmayr Frauen sichtbar zu machen, dazu dient auch das internationale Netzwerk female:pressure. Man müsse viel Energie und Zeit investieren, um Respekt zu erlangen, betonte sie.
Ein großes Problem ist für Kirchmayr, dass selten Stücke von Komponistinnen gespielt werden. Hohe Qualität könne aber nur dann entstehen, wenn man Feedback bekomme und im Austausch mit dem Publikum stehe, machte sie geltend. Frauen müssten sich überdies mehr zutrauen.
Nach Ansicht von Andrea Ellmeier, Koordinatorin für Frauenförderung und Gender Studies an der Universität für Musik und darstellende Kunst, hängt der historische Ausschluss der Frauen aus der Musik mit dem seinerzeitigen allgemeinen Ausschluss der Frauen aus der Öffentlichkeit zusammen. Sie selbst wertet "Role-Models" als ganz besonders wichtig, wobei sie vor allem bei Komponistinnen und Dirigentinnen eine äußerst zähe Entwicklung beobachtet. Aber auch in Orchestern, einer der wenigen Orte, wo man als MusikerIn mit einem sicheren Einkommen rechnen könne, hätten es Frauen im deutschsprachigen Raum viel schwerer als Männer, einen Platz zu bekommen. Ellmeier ist in diesem Zusammenhang überzeugt, dass sich die Wiener Philharmoniker nur deshalb für Frauen geöffnet haben, weil die amerikanische Frauenbewegung gedroht habe, andernfalls deren Konzerte zu boykottieren, und damit negative ökonomische Konsequenzen drohten.
Sabine Reiter, Direktorin des "music informationen center austria", machte darauf aufmerksam, dass in der Datenbank des mica 138 Komponistinnen und 708 Komponisten verzeichnet seien. Sie selbst sei lange nicht für das Genderthema sensibilisiert gewesen, da sie persönlich im Management keine Diskriminierung erlebt habe, sagte sie, mittlerweile sehe sie aber, dass es Handlungsbedarf gebe. Die im Jahr 2008 vorgestellte Studie zur sozialen Lage von KünstlerInnen hat Reiter zufolge nicht nur deutlich gemacht, dass KünstlerInnen häufig in prekären Verhältnissen lebten, sondern auch eine Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen von 30 % aufgezeigt, und das trotz einer enorm hohen Akademikerinnenquote von 60 %. Ebenso habe sich gezeigt, dass Frauen in der Musik deutlich unterrepräsentiert seien und so gut wie keine Komponistinnen und Dirigentinnen an den Universitäten eine Professorenstelle oder Lehraufträge hätten.
Musikjournalistin Irene Suchy kritisierte die mangelnde Wertschätzung von Frauen im Musikbetrieb. Mehr oder weniger alle Ausbildungsdisziplinen machten sich Gedanken über Gendergerechtigkeit, klagte sie, nur die Musik nicht. Auch bei der Besetzung von Positionen wie jene des Staatsoperndirektors spiele das Genderthema keine Rolle. Es sei wirklich an der Zeit, Maßnahmen zu setzen, appellierte Suchy, in den vergangenen Jahren habe es nur marginale Verbesserungen gegeben. Nach wie vor gebe es, im Unterschied zu anderen Ländern, etwa kein Frauenmusikzentrum in Österreich. Es sei aber auch wichtig, dass sich Frauen nicht alles gefallen lassen, bekräftigte sie.
Elisabeth Welzig, Journalistin und Autorin, wies darauf hin, dass sie für ihr jüngstes Buch 30 Frauen in männerdominierten Berufen interviewt habe, darunter Managerinnen, eine Lokführerin und eine Pilotin. Jene Frau, die am meisten über Diskriminierung geklagt habe, sei allerdings die Komponistin Olga Neuwirth gewesen, die mittlerweile in New York lebe. Sie hat, wie Zitate aus dem Buch zeigen, unter anderem plastisch von der Arroganz von Musikmanagern erzählt. Generell äußerte Welzig den Befund, dass es zu wenig kämpferische Frauen in Österreich gebe: man solle zum Sprung durch die gläserne Decke ansetzen, auch wenn dieser mit Schmerzen verbunden sei.
Aus dem Publikum kam der Vorschlag, die Förderung von Musikfestivals an Frauenquoten zu knüpfen. Nationalratspräsidentin Prammer will, wie sie resümierend festhielt, künftig darauf achten, dass bei der musikalischen Umrahmung von Veranstaltungen im Parlament auch Stücke von Frauen gespielt werden.
Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Elisabeth Horvath. Für die Musik sorgten Saxophonstudentinnen der Universität für Musik und Darstellende Kunst mit ihrem Quartett "Sax4Femme". (Schluss)
HINWEIS: Fotos von der Podiumsdiskussion finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) im Fotoalbum.