Parlamentskorrespondenz Nr. 1207 vom 07.12.2011

Bundeshymne würdigt nun auch die großen Töchter Österreichs

Wien (PK) – Auf Antrag von ÖVP, SPÖ und Grünen beschloss der Nationalrat heute ein Bundesgesetz zur geschlechtergerechten Änderung der Österreichischen Bundeshymne. In der namentlichen Abstimmung erhielt das Gesetz 112 Ja-Stimmen bei 39 Nein-Stimmen. In der Bundeshymne werden künftig nicht nur die "großen Söhne", sondern auch die "großen Töchter" Österreichs besungen. Der Ausdruck "Brüderchöre" wird durch das geschlechtsneutrale Wort "Jubelchöre" ersetzt. Die Antragstellerinnen errangen in einer sehr emotionalen Debatte die Mehrheit von SPÖ, ÖVP und Grünen gegen den Widerstand von Abgeordneten der FPÖ und des BZÖ, die es in ihren Wortmeldungen ablehnten, in den Text der Bundeshymne einzugreifen.

Für Abgeordnete Heidemarie UNTERREINER (F) ist die Bundeshymne ein Staatssymbol. Die gegenwärtige Hymne wurde zu einer Zeit gedichtet, in der sich Österreich von einer schwerer Zeit zu erholen begann und in der ein Stück Identität konstituiert werden sollte. Ein Umdichten einer solchen Hymne sei zutiefst kulturlos und daher abzulehnen. Die Hymne sei für ihre Fraktion ein Symbol, es sei würdelos, dieses Symbol allfälligem Zeitgeist anpassen zu wollen.

Abgeordnete Gisela WURM (S) sprach von einem historischen Moment, da eine Hymne in einem eigenen Bundesgesetz verankert werde. Und dass dabei die großen Töchter miterwähnt würden, sei würdig und recht, denn Österreich sei eben ein Land großer Künstler und Künstlerinnen, Komponisten und Komponistinnen und dergleichen mehr. Man wolle also die Gunst der Stunde nutzen, um auch der großen Töchter zu gedenken.

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) erinnerte daran, dass diese Änderung der Bundeshymne für 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine Nebensache sei. Angesichts der Euro- und Finanzkrise hätten die Menschen andere Sorgen als eine Änderung der Hymne. Dies umso mehr, als damit keiner einzigen Frau konkret geholfen sei, die von Lohnfragen bis hin zur Kinderbetreuung ganz andere Probleme habe. Zudem könne man Geschichte nicht einfach umschreiben. Er sei im Übrigen überzeugt davon, dass das Gros der Bevölkerung getreu dem Motto "Wir singen, was wir wollen" auch weiterhin die alte Hymne singen werde. Und wenn man schon eine Änderung erwirken wolle, dann wäre es sinnvoller gewesen, gleich eine komplett neue Hymne zu machen, als in einen bestehenden Text auf eine Weise hineinzupfuschen, die weder textlich noch melodisch passe.

Abgeordneter Dorothea SCHITTENHELM (V) sagte, eine Hymne sei ein Lob- und Preisgesang, und der müsse für beide Geschlechter gelten, denn Österreich habe nicht nur große Söhne, sondern eben auch große Töchter. Im Übrigen habe man schon anno 1946 den Originaltext abgeändert, sodass man dies wohl auch jetzt tun könne.

Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) ortete gleichfalls massiven Unmut in der Bevölkerung gegen diese Änderung und brachte einen Entschließungsantrag ein, wonach der in Rede stehende Vorschlag einer Volksabstimmung unterzogen werden sollte, da die Bevölkerung das Recht haben sollte, über ihre Hymne selbst zu entscheiden.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) unterstützte hingegen die Initiative der Bundesregierung, denn Männer und Frauen seien gleich viel wert, und das solle auch in der Hymne zum Ausdruck kommen.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) zeigte nicht grundsätzlich gegen eine Änderung der Bundeshymne eingestellt. Es gehe hier aber nur um ein Symbol und einen Nebenschauplatz. Wollte man wirklich eine moderne Hymne, hätte man einen Ideenwettbewerb durchführen sollen. Viel dringlicher seien die Schuldenprobleme und der Reformstau, um diese sollte man sich kümmern. Gerade Frauen seien von Problemen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Beruf und Familie und Einkommensverlusten durch steigende Gebühren und Preise betroffen. Es sei notwendig, dass dort die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt werden, schloss Haubner.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) meinte, viele große Frauen Österreichs hätten sich bisher nicht am Text der Hymne gestoßen, wie sich auch niemand daran stoße, dass der Text zur Melodie eines Bundeslieds der Freimaurer gesungen werde. Frauen brauchten nicht eine geänderte Hymne, sondern tatsächliche Frauenpolitik, die auch von Freiheitlichen Politikerinnen gemacht werde, und die FPÖ sei stolz auf sie. Die Änderung von Überschriften und Worten sei nur Placebo-Politik, meinte er. Hier würden Scheingefechte aufgeführt.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) sagte anschließend an die Ausführungen von Abgeordneter Haubner, man müsse sich fragen, ob die Volksvertretung nicht mehr die tatsächlichen Sorgen der Menschen in diesem Land erkennen könne. Es sei angesichts der vielen tatsächlichen Probleme nur "schändlich", für bloße Symbole dreißig Minuten an Diskussion im Nationalratsplenum aufzuwenden.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) stellte fest, es handle sich um keine Ruhmesstunde des Parlaments, wenn eine kleine symbolische Änderung Debatten auslöse, wie sie in den letzten Tagen stattgefunden hätten und man sogar eine Volksabstimmung darüber verlange. Die Forderung nach einer Volksabstimmung über das Wort "Töchter" in der Bundeshymne mache sowohl Volksabstimmung als auch Anliegen lächerlich, meinte er. 

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) warf seinem Vorredner vor, "abgehoben von der Welt" zu agieren. Die Realität draußen sehe anders aus. Zehntausende Menschen in diesem Land hätten ihre Empörung über die Verhunzung des Textes der Bundeshymne geäußert. Es sei angesichts dessen, dass viele Frauen noch immer für gleiche Leistung nicht gleichen Lohn erhalten, dass Mütter keine Kinderbetreuungszeiten angerechnet erhielten und dass Pensionistinnen von minimalen Pensionen leben müssten, nur zynisch. Die österreichischen Frauen fragten sich, ob es in unserem Land keine anderen Probleme gebe. Es gebe viele konkrete Probleme von Frauen anzupacken, etwa Zwangsverheiratungen und Kopftuchzwang. Angesichts der gegenwärtigen Bundesregierung wäre ohnehin der "Liebe Augustin" mit "alles ist hin" die passende Hymne, meinte er.

Abgeordneter Josef CAP (S) meinte, die Art der Debatte, die von FPÖ und BZÖ geführt werde, sei "unwürdig". Es gehe natürlich um ein Symbol, er wisse auch, dass es viele andere Probleme gebe. Aber die Heimat bestehe eben aus Männern und Frauen. Die Bundeshymne hat eine starke Ausdruckskraft und ist Teil der österreichischen Identität und der Leistungen, die von Männern und Frauen geschaffen wurden, das sollten auch FPÖ und BZÖ, die sich stets als "Heimatparteien" bezeichneten, zur Kenntnis nehmen.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) erwiderte Abgeordnetem Cap, es handle sich nicht nur eine Verhunzung des Textes der Bundeshymne, es sei auch absurd, zu behaupten, dass sich im bisherigen Text nicht das gesamte Staatsvolk widergefunden hätte.

In der namentlichen Abstimmung erhielt die Regierungsvorlage die Mehrheit von 112 Ja-Stimmen gegen 39 Nein-Stimmen bei 151 abgegebenen Stimmen. Das Gesetz  erhielt auch in Dritter Lesung die erforderliche Mehrheit.

Der Antrag der FPÖ auf Abhaltung einer Volksabstimmung nach Beendung des Gesetzverfahrens und vor Beurkundung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten wurde mehrheitlich abgelehnt.

Österreich trägt zur Sanierung der Gedenkstätte in Auschwitz bei

Eine Änderung des Nationalfondsgesetzes für Opfer des Nationalsozialismus sieht für die Instandhaltung der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau und die Sanierung des österreichischen Pavillons am Gelände des ehemaligen NS-Konzentrationslagers einen österreichischen Beitrag von 6 Mio. € vor. – Der Beschluss erfolgte einstimmig.

Abgeordneter Johann MAIER (S) erläuterte, die Novelle sei im Verfassungsausschuss einstimmig beschlossen worden. Es geht um die Sicherstellung des österreichischen Beitrags zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Ihre Erhaltung sei von großer Bedeutung, sie brauche aber derzeit umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Österreich werde 6 Mio. € zur Verfügung stellen, die für den österreichischen Pavillon verwendet werden, für den auch eine neue Ausstellung gestaltet werde. Studien zeigten einen nach wie vor bedeutenden Anteil von latentem Antisemitismus in der Bevölkerung und ein nach wie vor bestehendes rechtsextremes Lager. Es sollte daher für alle im Parteien eine Selbstverständlichkeit sein, gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus aufzutreten, sagte Maier.

Abgeordnete Christine MAREK (V) brachte einen Abänderungsantrag ein, der das Inkrafttreten des Gesetzes mit 1.1.2012 sicherstellt. Die Schaffung des Nationalfonds durch Bundeskanzler Schüssel sei eine wichtige Tat für Österreich gewesen, sagte Marek. Vielen Menschen, die Schreckliches erlebt haben, konnte damit geholfen werden. Der Zustand der Gedenkstätte verlange eine dringende Sanierung. Die Pläne zur Gestaltung der Ausstellung im österreichischen Pavillon werden demnächst vorgelegt werden, problematisch sei, dass im selben Gebäude auch die Gedenkstätte Ex-Jugoslawiens sich befinde, für die sich derzeit niemand zuständig fühle. Es werde derzeit darüber verhandelt und eine Lösung sei in Sicht. Das Wort "Niemals vergessen!" gelte auch heute noch, es sei daher ein gut investierter Betrag, schloss Marek.

Abgeordneter Harald WALSER (G) zeigte sich erfreut, dass nach langen Querelen das Gesetz dieses Gesetz beschlossen werden konnte. Er wäre froh gewesen, wenn auch FPÖ und BZÖ einen Redner in der Debatte gestellt hätten, doch er schätze, dass sie im Ausschuss ihre Zustimmung signalisiert hätten. Positiv sei auch, dass 700.000 € für die Neugestaltung der Ausstellung separat aufgebracht werden. Die neue Ausstellung werde auch ein verändertes Geschichtsbild zeigen und auf die Täterrolle von ÖsterreicherInnen hinweisen. Es gebe leider derzeit viele beunruhigende Anzeichen von Rechtsextremismus, Aufklärung sei daher notwendig. Leider seien die Besuchszahlen aus Österreich an der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau sehr gering, hier sollte man sich Gedanken machen, wie man Abhilfe schaffen könne. Die Durchführung einer rechtsextremen Veranstaltung in der Hofburg gerade am Tag der Befreiung von Auschwitz sei eine Provokation, er sei froh, dass nun feststehe, dass diese in Zukunft nicht mehr dort stattfinden könne, merkte Walser an.

Abgeordneter Johann MAIER (S) berichtigte die Aussage von Abgeordneter Marek, Bundeskanzler Schüssel habe den Nationalfonds eingerichtet. Dies sei bereits 1995 durch Bundeskanzler Vranitzky erfolgt.

Staatssekretär Josef OSTERMAYER hielt fest, es sei für Österreich selbstverständlich, die Sanierung der Gedenkstätte und die Ausbildung von Guides für die Gedenkstätten zu unterstützen. "Niemals vergessen" sei tatsächlich nach wie vor wichtig, sagte er. Gerade junge Menschen müssten erfahren, was auf dem europäischen Kontinent an Schrecklichem stattgefunden habe. Er freue sich daher über die breite Unterstützung, die das Vorhaben finde.

Die Regierungsvorlage wurde unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags in Zweiter und in Dritter Lesung einstimmig angenommen.

FPÖ für Einstellung der Förderungen für Kammern und ÖGB 

Ein FPÖ-Entschließungsantrag auf Einstellung der Förderung der Bundesarbeiterkammer, der Landwirtschaftskammer und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes fand auch im Plenum keine Mehrheit und wurde abgelehnt.

In der Debatte sagte Abgeordneter Wolfgang ZANGER (F), der Antrag basiere auf einer Feststellung des Rechnungshofes. Österreich sei das einzige Land, in dem die Sozialpartner in die ständige Vertretung in Brüssel nicht nur eingebunden seien, sondern auch alle Kosten abgegolten erhielten. Es sei sehr problematisch, wenn ein Privatverein wie der ÖGB oder die Kammern zwischen zwei und vier Millionen Euro pro Jahr erhielten, um Lobbying in Brüssel zu betreiben. Angesichts des notwendigen Sparkurses sei eine solche "Ausflugssubvention" für Brüssel mit Steuergeldern nicht vertretbar. 

Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) qualifizierte den Antrag der FPÖ als Angriff auf die Sozialpartnerschaft. Sie bekannte sich dazu, dass die Sozialpartner die ArbeitnehmerInnen auch auf EU-Ebene vertreten können. Gerade in Zeiten der EU-Skepsis sei Informationsbeschaffung und Durchsetzung der Interessen der ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmer auf europäischer Ebene wichtig. Die FPÖ starte einen Angriff auf deren Interessen, den die SPÖ sicher nicht unterstützen werde.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) meinte, der Antrag gehe in die richtige Richtung, es müsse aber noch viel mehr in der Frage der Zwangsmitgliedschaften  mit Zwangsmitgliedsbeiträgen der Interessensvertretungen getan werden. Das bestehende System der Ausstattung solcher Organisationen mit Förderungen sei überholt und unverständlich. Es brauche eine Politik mit Mut, die diese Steuergeldverschwendung beende, forderte er.

Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) hielt fest, die Landwirtschaftskammern leisteten wichtige Arbeit in der Wahrung der Interessen von Land- und Forstwirtschaft. Die Landwirtschaft sei der einzige vergemeinschaftete Bereich der EU, deshalb sei es wichtig, dass die Landwirtschaftskammern ein Büro in Brüssel betreiben und dort ihre Aufgaben wahrnehmen können. Ein effizienter Einsatz der Mittel sei sicher notwendig. Aber ohne öffentliche Mittel wäre es den Interessensvertretungen und Sozialpartnern nicht möglich, die Interessen ihrer Mitglieder auf EU-Ebene zu vertreten.

Der Antrag der FPÖ blieb in der Minderheit und wurde damit abgelehnt. (Schluss/Fortsetzung Nationalrat)