Parlamentskorrespondenz Nr. 676 vom 30.06.2011

Bundesrat will Initiator für Verwaltungs- und Verfassungsreform sein

Wien (PK) – Der Bundesrat hat heute im Rahmen seiner Plenarsitzung dem Bericht des Österreich-Konvents einen breiten Raum gewidmet, nachdem die BundesrätInnen darüber bereits im Ausschuss für Verfassung und Föderalismus mit dem Vorsitzenden des Österreich-Konvents Franz Fiedler, mit Rechnungshofpräsident Josef Moser, mit Volksanwalt Peter Kostelka und mit dem Vorarlberger Landtagsdirektor Peter Bußjäger diskutiert hatten (siehe PK-Meldung Nr. 656/2011).

Zudem passierte das Wahlrechtsänderungsgesetz, das vor allem darauf abzielt, Missbrauch bei der Briefwahl auszuschließen, den Bundesrat mehrheitlich. In Zukunft wird auch den Mitgliedern der Familie Habsburg ermöglicht, bei der Wahl zum Bundespräsidenten anzutreten. Mit dem gegenständlichen Gesetz im Zusammenhang steht die Änderung des Strafregistergesetzes, das ebenfalls mehrheitliche Zustimmung fand.

Als neues Mitglied des Verfassungsgerichtshofs wurde vom Bundesrat Rechtsanwalt Christoph Herbst gegen die Stimmen der FPÖ mehrheitlich vorgeschlagen. Dazu hatte es im Vorfeld am 9. Juni ein Hearing gegeben, dem sich 12 BewerberInnen gestellt haben. Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) warf der Koalition vor, dass hier nach Proporz entschieden werde. Die BundesrätInnen Gerald KLUG (S/St), Edgar MAYER (V/V) und Jennifer KICKERT (G/W) wiesen auf die hohe Qualifikation von Christoph Herbst hin, wobei auch Jennifer Kickert Kritik am Bestellungsvorgang übte.

Darüber hinaus nahm der Bundesrat den Familienbericht 1999-2009 mehrheitlich, den Tourismusbericht 2010 einhellig, den Sicherheitsbericht 2009 mehrheitlich und den Bericht der Innenministerin über das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2011 und das Achtzehnmonateprogramm des spanischen, belgischen und ungarischen Vorsitzes ebenfalls mehrheitlich zur Kenntnis.

BürgerInnen erwarten sich politische Handlungsfähigkeit

Die Aufgabenreform sei Sache von Bund und Ländern, das gegenseitige Misstrauen müsste abgebaut werden, die BürgerInnen erwarteten sich politische Handlungsfähigkeit. Realistischer Weise sollte man die Verfassungs- und Verwaltungsreform in kleinen Schritten angehen. Das war der Tenor im Rahmen der Debatte zum Bericht des Österreich-Konvents.

Bundesrat Gerald KLUG (S/St) wies eingangs darauf hin, dass einige Teile des Berichts umgesetzt worden seien, wie die Wahlrechtsreform, die Lissabon-Begleitnovelle und die Initiative zur engeren Gemeindekooperation. Die Diskussion im Ausschuss für Verfassung und Föderalismus mit den Experten, Präsident Fiedler, RH-Präsident Moser, Volksanwalt Kostelka und Landtagsdirektor Bußjäger habe deutlich gezeigt, dass sich der Bundesrat die Frage der Verfassungs- und Veraltungsreform nicht leicht macht. Konsens habe darüber geherrscht, dass im Bereich Schulverwaltung, Gesundheitssystem und Verwaltungsgerichtsbarkeit Handlungsbedarf herrscht. Vor allem sollte es nach Meinung Klugs eine bundeseinheitliche Steuerung im Gesundheitssystem geben. Es stünde dem Bundesrat gut an, so Klug, vom Konventsbericht einzelne Projekte herauszusuchen, die unter der Richtschnur Länder, Föderalismus und Kommunen gut aufgehoben sind.

Bundesratspräsident Gottfried KNEIFEL (V/O) schloss sich dem an und bekräftigte, es sei sinnvoller, sich zu überlegen, welche Materien man herausgreift, um in kleinen Schritten die Initiativen zu setzen. Die Vorschläge lägen am Tisch, die Problemzonen seien klar definiert und es liege an den MandatarInnen, die Selektion vorzunehmen. Die Länder trügen Verantwortung, nicht nur für das eigene Bundesland, sondern für den Gesamtstaat, bekräftigte Kneifel. Bund und Länder sollten sich auf gleicher Augenhöhe begegnen, wenn es darum geht, Verbesserungen für die BürgerInnen zu erreichen. Die Schere zwischen Anspruch auf Veränderung und tatsächlicher Gestaltung gehe immer mehr auf, kritisierte er. Es scheine so, als ob die Verfassung durch einen Misstrauensgrundsatz gekennzeichnet wäre, und damit gehe nichts mehr. Dort müsse man ansetzen, die BürgerInnen erwarteten sich mehr politische Handlungsfähigkeit. Die Doppelgleisigkeiten müssten abgeschafft werden, auch komme es zu enormen Reibereien deshalb, weil die EU nicht zwischen föderalistisch und zentral aufgebauten Staaten unterscheidet. Es gebe nur einen, der zahlt, das seien die SteuerzahlerInnen, und die Politik müsse sachgerecht verteilen. Dabei sind laut Kneifel sowohl Bund als auch Länder in die Pflicht zu nehmen. Man brauche eine Aufgabenreform, und für bestimmte Aufgaben brauche man dann auch die entsprechenden Mittel. Die derzeitige Aufgabenteilung entferne sich mehr und mehr von der politischen Realität. Es mangle nicht an Ideen, es gehe nun darum, etwas zu tun, schloss der Bundesratspräsident.

Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) sprach sich auch für eine flexiblere Gestaltung der Verfassung aus. Sie kritisierte, dass der Bericht des Österreich-Konvents seit über sechs Jahren der Bundesregierung vorliegt, ohne dass viel weitergehe. Es habe im Konvent nicht über alles Einigkeit geherrscht, aber es sei auch nicht dessen Aufgabe gewesen, einen harmonischen Bericht zu erstellen, sondern Ideen für die Politik zu liefern. Diese habe jedoch darauf nicht reagiert. Was man bisher umgesetzt habe, sei nicht das "Gelbe vom Ei". Die Regierung habe den Bericht "nicht einmal ignoriert". Man werde um eine Verwaltungsreform angesichts des dramatischen Budgetdefizits nicht herumkommen, warnte Mühlwerth. Der Rechnungshof zeige seit Jahren auf, wo es krankt, wie etwa im Bildungs- und Gesundheitsbereich oder in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Doppelgleisigkeiten seien "unerträglich", konstatierte sie. Bei der Aufgabenreform werde jeder "Federn lassen müssen", je länger man damit warte, desto tiefer würden auch die Einschnitte sein müssen. Daher appellierte sie, vom Besitzstanddenken abzurücken. Die Initiative Kneifels, den Konventsbericht wieder zu diskutieren, sollte eine Initialzündung sein, nicht nur für den Bundesrat, sondern auch für den Nationalrat, hoffte sie. Der Konvent habe auch einige vernünftige Vorschläge zum Bundesrat gemacht, erinnerte Mühlwerth abschließend, auch diese Ideen sollte man aufgreifen.

Sie sei etwas ratlos darüber, was man nun mit dem Bericht machen sollte, begann Bundesrätin Jennifer KICKERT (G/W) ihre Ausführungen. Sie erinnerte an den besonderen Ausschuss im Nationalrat und an die Expertenkommission im Bundeskanzleramt, die ebenfalls Vorschläge im Jahr 2007 vorgelegt hätte. Kickert zeigte sich zufrieden damit, dass es nun doch mit der Realisierung der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit ernst werden könnte. Aber gleichzeitig werde wieder eine Sonderbehörde mit dem Infrastruktursenat installiert, daher stelle sie in Bezug auf die Ziele der Reform Ratlosigkeit seitens der Regierung fest. Was die Schul- und Gesundheitsreform betrifft, gehe in der Sache wenig weiter, obwohl die Probleme analysiert seien und Lösungsvorschläge vorlägen. Aber es fehle die politische Umsetzung. Kickert wünschte sich daher nun als nächsten Schritt einen Plan bzw. eine Strategie, wie man weiter vorgeht.

Als wesentlichen Schritt bezeichnete Staatsekretär Josef OSTERMAYER die Einrichtung des Asylgerichtshofs, der ein Vorbild für die Verwaltungsgerichtsbarkeit darstellen könnte. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Struktur der Bundes- und Landesverwaltungsgerichtsbarkeit noch in diesem Jahr beschlossen werden kann. Für die Umsetzung rechnet der Staatssekretär mit zwei bis drei Jahren. Er wies jedoch darauf hin, dass es anfangs mehr kosten wird, die Reform aber volkswirtschaftlich sinnvoll ist, weil man den Verwaltungsgerichtshof entlasten werde, bei dem die Verfahren oft vier Jahre dauerten. Zur zügigen Abwicklung von Großprojekten sei daher auch der Infrastruktursenat als Zwischenschritt eingerichtet worden, erklärte Ostermayer. Dieser soll aber dann in den Bundesverwaltungsgerichtshof integriert worden. Ostermayer warb für einen pragmatischen Zugang zur Verwaltungsreform und erinnerte an den Widerstand einiger Bundesländer, die Zuständigkeiten für die LehrerInnen zu ändern. Daher setze man jene Dinge um, die mehrheitsfähig sind, wie Ganztagsbetreuung, Reform der Oberstufe etc. Der Staatssekretär nannte auch die Schritte zur Sanierung der Krankenkassen als erfolgreich und betonte, dass man bis 2012 ein einheitliches Spitalsgesetz schaffen wolle, wobei der Betrieb der Spitäler selbstverständlich bei den Ländern bleiben soll.

Bundesrat Stefan SCHENNACH (S/W) zeigte sich erfreut darüber, dass es im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit nun große Schritte geben soll. Das sei deshalb wichtig, weil beim Verwaltungsgerichtshof derzeit die Verfahren so lange dauern. Damit verringere man aber den Rechtsschutz, ein Grundrecht der BürgerInnen. Schennach hob die Bedeutung des Föderalismus hervor, dieser dürfe aber nicht als Bremsblock agieren, sondern müsse ein Motor werden. Die Verfassung und die Verwaltung sei kein statisches Produkt, sondern sei auch der Modernität unterworfen, sagte er, Föderalismus modern gedacht, bedeute Effizienz. Der Konvent sei die größte Verfassungsanalyse gewesen, betonte der Bundesrat, die dringend notwendig gewesen sei. Die Initiative des Bundesrats in Bezug auf die Gemeindekooperationen sei die wichtigste Forderung des Städte- und Gemeindebunds gewesen. Zum Zustand der Gemeinden stellte Schennach fest, vieles hätten die Länder an die Gemeinden abgewälzt, weshalb diese heute oft schwer verschuldet seien. Schennach kam dann auf die Daseinsvorsorge zu sprechen, die enorm wichtig sei, weshalb er dafür eintrat, diese als ein Staatsziel aufzunehmen und als ein Grundrecht zu definieren. Die EU erarbeite derzeit eine Definition, hier sei der Bundesrat durchaus prädestiniert, die Initiative zu ergreifen, die Daseinsvorsorge als öffentliche Leistung zu sichern und die Gemeinden zu stärken. Auch Schennach hielt Schulverwaltung und Gesundheitssystem für vordringlich reformbedürftig, aber hier seien die Länder Bremser, kritisierte er. Als eine riesige Baustelle bezeichnete er auch die Jugendwohlfahrt.

Bundesrat Edgar MAYER (V/V) hoffte, die Diskussion im Bundesrat gebe einen positiven Impuls. Viele Themen seien umgesetzt worden, vieles werde derzeit diskutiert, wie etwa die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit sowie Reformen im Bildungsbereich und im Gesundheitsbereich. Man müsse aber realistisch sein, dass es eine umfassende Reform nicht geben werde, aber man könne in kleinen Schritten vorgehen. Der Bericht liefere ein großes Potential, er sei auch eine große Herausforderung, sagte Mayer. Der Bundesrat erinnerte auch an den Entschließungsantrag des Nationalrats, von dem auch bereits einiges angegangen worden sei. Vor allem seien die Doppelgleisigkeiten abzuschaffen, deshalb hätten Vorarlberger MandatarInnen auch an einige MinisterInnen Anfragen gerichtet, mit dem Tenor, Synergien zu erzielen. Es sei vor allem notwendig, die Kompetenzen abzuklären, auch Flexibilität sei gefragt, forderte Mayer. Man könnte sich dabei etwas am Schweizer Modell orientieren. Dort wo der Bürger näher ist, sollte auch vollzogen werden. Mayer plädierte abschließend, über die Vorschläge zur Stärkung des Bundesrats nachzudenken.

Bundesrat Franz PIROLT (F/K) freute sich über die Lösung der Kärntner-Ortstafelfrage. Im Hinblick auf den Konventsbericht meinte er, der Patient sei in die Jahre gekommen und man behandle ihn immer noch mit den Medikamenten von 1920. Reformen seien daher nötig, viel sei aber noch nicht geschehen. Es lägen ausreichend Vorschläge auf dem Tisch, sagte er und bemerkte, die Stellungnahmen von Fiedler und Moser im Ausschuss seien eine Kopfwäsche für die Regierung gewesen. Entscheidend sei, was an Output für die BürgerInnen übrig bleibt, daher gehe es in erster Linie um mehr Effizienz. Er sprach sich für sachgerechte Gemeindeautonomie sowie für eine bessere interkommunale Zusammenarbeit von Gemeinden aus. Reformen dürften aber keinesfalls so enden wie die Heeresreform.

Der Bericht des Österreich-Konvents wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. (Schluss Bundesrat)