VolksanwältInnen plädieren für Erweiterung ihrer Prüfkompetenz
Wien (PK) – Die Leistungsbilanz der Volksanwaltschaft 2010 könne sich angesichts 15.265 bearbeiteter Bürgeranliegen, 6.613 eingeleiteter Prüfverfahren und 273 abgehaltener Sprechtage durchaus sehen lassen, zeigten sich die Mitglieder des Volksanwaltschaftsausschusses heute Nachmittag einig. Die VolksanwältInnen Peter Kostelka, Gertrude Brinek und Terezija Stoisits, die der Sitzung beiwohnten, sprachen in diesem Zusammenhang von ungebrochenem Interesse der BürgerInnen an dieser Institution.
Bedauern äußerten sie allerdings darüber, dass es der Volksanwaltschaft nicht möglich sei, die Vollziehung aller öffentlichen Unternehmungen – darunter auch ÖBB und ASFINAG – zu kontrollieren, zumal es an der Ermächtigung zur Überprüfung von Rechtsträgern, die keine Gebietskörperschaften sind, mangle. Angesichts der Tatsache, dass hier ebenso mit öffentlichen Mitteln und im Interesse der Allgemeinheit gewirtschaftet werden solle, sei dies aber nicht nachvollziehbar, kritisierte Kostelka, der auf den internationalen Trend zur Erweiterung der diesbezüglichen Prüfkompetenzen von Ombudsstellen hinwies. Den BürgerInnen die Kontrolle durch die Volksanwaltschaft vorzuenthalten, sei in diesem Bereich äußerst problematisch, zumal sie ohne diesen Schutz den Rechtsabteilungen großer Unternehmen hilflos gegenüberstünden. Für eine diesbezügliche Ausweitung der Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft sprachen sich deshalb auch G-Mandatar Wolfgang Zinggl und Ausschussobmann Harald Stefan (F) aus.
Viel Lob aber auch Kritik für die Volksanwaltschaft
Was die Leistungsbilanz der Volksanwaltschaft anbelange, werde deutlich, dass sie 2010 erneut hervorragende Arbeit im Dienste des Bürgers geleistet habe, zeigten sich Abgeordnete von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen überzeugt. Lob erntete sie dabei nicht nur für den vorliegenden Bericht (III-214 d.B.), sondern auch für ihr umfassendes Informationsangebot und die Neugestaltung ihres Webauftritts, den V-Abgeordnete Anna Höllerer als überaus gelungen charakterisierte.
B-Mandatar Stefan Petzner zog angesichts der Klagen, die die Volksanwaltschaft gegen seinen Fraktionskollegen Ewald Stadler geführt habe, allerdings die Unabhängigkeit und Neutralität dieser Institution in Frage: Mit dem Rechtsstreit um den Gebrauch des Titels Volksanwalt habe man in einen laufenden Wahlkampf eingegriffen, gab der B-Abgeordnete zu bedenken. Er hoffe, man werde ein solches Vorgehen – nicht zuletzt wegen der verlorenen Rechtsstreitigkeiten – in Zukunft unterlassen. Petzner hinterfragte außerdem das Zustandekommen des neuen Internetauftritts der Volksanwaltschaft und den Nutzen einer Informationsveranstaltung im türkischen Konsulat Wien. Was die Entwicklung des Beschwerdeaufkommens anbelange, müsse man sie über einen längeren Vergleichszeitraum betrachten: Dann sei schließlich nicht mehr von einem Anstieg der Beschwerdezahl, sondern sogar von einem Rückgang um 5.000 Fälle zu sprechen, rechnete der B-Mandatar vor.
Volksanwalt Peter Kostelka bedankte sich im Namen des Kollegiums für die positiven Stellungnahmen der MandatarInnen zum vorliegenden Bericht und hielt in Richtung B-Abgeordnetem Petzner fest, dass die Volksanwaltschaft nicht leichtfertig mit Klagen umgehe: Gerade aber weil sie sich als unabhängige Institution verstehe, könne sie es nicht dulden, in Wahlkämpfe hineingezogen zu werden. Was die einstweilige Verfügung gegen Abgeordneten Ewald Stadler anbelange, habe man schließlich auch Recht bekommen, erläuterte Kostelka, das diesbezügliche Urteil sei in allen Instanzen bestätigt worden.
In Hinblick auf die Entwicklung des Beschwerdeaufkommens gab der Volksanwalt zu bedenken, dass nach 2002 tatsächlich eine Abflachung beobachtet werden konnte, die Zahl der Beschwerden im Laufe der letzten Jahre aber wieder gestiegen ist. Diese aktuellen Beschwerdezahlen halte er außerdem für keineswegs bedauernswert, hielt Kostelka in Richtung Abgeordnetem Hannes Fazekas (S) fest, sie zeigten schließlich, dass die BürgerInnen nicht bereit seien, sich ungerechtfertigter Weise "etwas gefallen zu lassen".
Was die erwähnte Informationsveranstaltung am türkischen Konsulat betrifft, habe sie der Vorstellung der Volksanwaltschaft gegenüber VertreterInnen türkischer Vereine gedient, erläuterte Volksanwältin Terezija Stoisits. Ihre Institution unterscheide schließlich nicht zwischen AntragstellerInnen verschiedener Nationalität, erläuterte sie, man informiere deshalb auch in mehreren Sprachen. Der Webauftritt der Volksanwaltschaft sei vor diesem Hintergrund ebenfalls mehrsprachig gehalten, hielt Stoisits in Richtung Abgeordneter Susanne Winter (F) fest, die sich nach den Kriterien für die Auswahl der Sprachen erkundigt hatte, in der das Internetportal zur Verfügung steht.
Volksanwältin Gertrude Brinek hielt es außerdem für wichtig zu betonen, dass selbst im Falle der Unzuständigkeit der Volksanwaltschaft niemand einfach abgewiesen werde: Vielmehr versuche man den Betroffenen den Weg zu anderen Institutionen zu weisen und entsprechende Informationen bereitzustellen, erläuterte sie.
Vielfältiges Themenspektrum des Berichts gibt Anlass zur Diskussion
Im Rahmen einer weiterführenden Diskussion griffen die MandatarInnen verschiedene Einzelbefunde des Berichts auf und stellten Detailfragen an die jeweils zuständigen VolksanwältInnen. Das Themenspektrum reichte dabei von Problemen hinsichtlich der Abarbeitung des Rückstaus von Asylverfahren über den Bereich der Kindergesundheit bis zum "Dauerbrenner" Sachwalterschaft.
G-Mandatar Wolfgang Zinggl erkundigte sich zunächst nach den Gründen für den Beschwerdeanstieg im Bereich Inneres und kam in diesem Zusammenhang auf die Probleme des Asylgerichtshofs bei der Bewältigung der Altlasten des UBAS zu sprechen. Kritik übte der Abgeordnete außerdem an der Tatsache, dass zum Verbot der Kastenstandshaltung von Zuchtsauen noch immer keine entsprechende Initiative des Landwirtschaftsministeriums vorliege. Dass diese Haltungsbedingungen den Tieren Qualen zufügten, stand nicht nur für ihn, sondern auch für F-Mandatar Bernhard Vock außer Frage.
Abgeordnete Carmen Gartelgruber kam im Rahmen der Diskussion auf die Bedeutung der Kinderrehabilitation zu sprechen und erkundigte sich nach Modellen, wie die laut Verfassungsgerichtshof unzulässigen geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Tarifgestaltung öffentlicher Verkehrsunternehmen beseitigt werden könnten. Ihre Fraktionskollegin Anneliese Kitzmüller interessierte sich für etwaige Ansätze der Volksanwaltschaft zur Beseitigung von Problemen bei grenzüberschreitender Absolvierung des Gratis-Kindergartenjahrs – ein Anliegen das auch G-Mandatarin Daniela Musiol im Rahmen einer Wortmeldung aufgriff. S-Abgeordnete Rosa Lohfeyer beklagte die von Seiten der Volksanwaltschaft aufgedeckten Defizite im Bereich Kindergesundheit.
Die beiden MandatarInnen Gertrude Aubauer (V) und Ewald Sacher (S) erkundigten sich außerdem eingehend nach den im Bericht angesprochenen Problemlagen auf dem Gebiet der Sachwalterschaft und erbaten eine diesbezügliche Stellungnahme der VolksanwältInnen. S-Mandatar Johann Hechtl wollte überdies wissen, wie die Volksanwaltschaft zur nunmehrigen Vornahme der Pflegeeinstufung durch einen Arzt und eine Pflegekraft stehe. Den Gesundheitsbereich betraf auch eine Frage von F-Abgeordnetem Werner Herbert: Er erkundigte sich nach den Problemen in Hinblick auf die Tätigkeit von AmtsärztInnen.
V-Mandatar Oswald Klikovits bezog sich mit seiner Wortmeldung auf die Prüftätigkeit der Volksanwaltschaft im Bereich der Landes- und Gemeindeverwaltung. Vor diesem Hintergrund interessierte ihn auch, wie die VolksanwältInnen zur Initiative des Bunderates betreffend verstärkte Kooperation von Gemeinden stünden.
Einen Fokus legten die Mitglieder des Ausschusses auch auf das Thema Obsorge: G-Mandatarin Daniela Musiol und S-Abgeordneter Johann Hell erkundigten sich nach der Position der Volksanwaltschaft zur Einrichtung von vorgerichtlichen Schlichtungsstellen und übten Kritik an überlangen Obsorgeverfahren.
Kostelka: Handlungsbedarf im Bereich Kindergesundheit
Volksanwalt Peter Kostelka stellte fest, dass Österreich im Bereich der Kindergesundheit eklatante Defizite aufweise. Besonders chronisch kranken und krebskranken Kindern zuliebe gelte es Maßnahmen zu setzen, die unter anderem die Etablierung von spezifischen Rehabilitationseinrichtungen umfassten. Sogar das Nachbarland Slowakei verfüge über ein solches Angebotsspektrum, skizzierte Kostelka, Österreich müsse hier aufschließen. Mit dem Status-quo erfülle man schließlich nicht die mit der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention einhergehenden Verpflichtungen.
Die Verordnung, die eine Kastenstandshaltung von Zuchtsauen ermögliche, stehe nach Auffassung der Volksanwaltschaft nicht im Einklang mit der diesbezüglichen gesetzlichen Grundlage. Man habe Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium eine Frist bis Mitte des Sommers eingeräumt, um darauf zu reagieren. Sei bis dahin keine Lösung in Sicht, bereite man sich darauf vor, eine Klage beim Verfassungsgerichtshof einzubringen.
Was die Neuregelung der Pflegeeinstufung anbelange, werde sie nach Auffassung der Volksanwaltschaft nicht alle in diesem Bereich bestehenden Probleme lösen. Es gelte vor allem auch, die Qualität der Begutachtung zu verbessern, meinte Kostelka.
Brinek: Steigende Tendenz bei den Sachwalterschaftsbeschwerden
Volksanwältin Gertrude Brinek stellte fest, dass Beschwerden in Hinblick auf den Bereich Sachwalterschaft zunehmend häufiger vorkämen und die diesbezüglichen Informationsmaterialien der Volksanwaltschaft stark nachgefragt würden. Viele BürgerInnen stellten schließlich mit Erstaunen fest, wie schnell ein Sachwalter bestellt werden könne und dass ein solcher nicht zur Bewältigung der Probleme des alltäglichen Lebens der Betroffenen beitrage. Kritik werde außerdem daran laut, dass Angehörige keine Parteistellung haben und Kontakte zu den jeweiligen SachwalterInnen häufig nicht persönlicher Natur sind. Die mit Abstand meisten Beschwerden beziehen sich dabei auf SachwalterInnen aus Rechtsberufen, die dieser Tätigkeit gewerbsmäßig und nebenbei nachgehen. Am wenigsten beanstande man die Zusammenarbeit mit Sachwaltervereinen, erklärte Brinek.
Was das Thema Obsorge anbelange, so wäre die Einrichtung einer vorgerichtlichen Schlichtungsstelle sicherlich ein erster wichtiger Schritt, zeigte sich die Volksanwältin überzeugt. Verzögerungen von Obsorgeverfahren sollte außerdem im Interesse der betroffenen Kinder möglichst entgegengewirkt werden, schloss sie.
Stoisits: Beschwerden im Asylbereich haben stark zugenommen
Volksanwältin Terezija Stoisits machte darauf aufmerksam, dass es in den ersten fünf Monaten des Jahres 2011 zu einem deutlichen Anstieg der Beschwerden betreffend Länge von Berufungsverfahren im Asylbereich gekommen sei: Habe man 2010 insgesamt 312 Beschwerden verzeichnet und in 10% der Fälle einen Missstand festgestellt, sei man im ersten Halbjahr 2011 bereits bei 463 Beschwerden und 230 Missstandsfeststellungen angelangt, erklärte sie. Dabei handle es sich fast durchwegs um BeschwerdeführerInnen, die ihren Berufungsantrag bereits beim neu eingerichteten Asylgerichtshof gestellt hätten und jedenfalls schon länger als sechs Monate auf eine Reaktion der Behörde warteten. AsylwerberInnen seien heute vor allem an kurzen Verfahren interessiert, hielt Stoisits fest, es gelte, dem Asylgerichtshof also die entsprechenden personellen und finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, um diesem Anspruch gerecht werden zu können.
Was die grenzüberschreitende Inanspruchnahme des Gratis-Kindergartenjahrs anbelange, wäre die Volksanwaltschaft nur im Stande, individuelle Lösungen herbeizuführen. Das sei aber eine "Zumutung", schloss Stoisits.(Schluss)