Wie soll die EU-Agrarpolitik 2014 bis 2020 ausgestaltet werden?
Diskussion zur Zukunft von Landwirtschaft und ländlichem Raum
Wien (PK) – Der zweite Themenblock der Enquete zur Zukunft der EU-Agrarpolitik wurde mit Fachvorträgen eingeleitet, die im Anschluss einer Diskussion unterzogen wurden. Beendet wurde die Enquete mit den Resümees der Agrarsprecher der Parlamentsparteien.
Hochegger: Abwanderung aus dem ländlichen Raum stoppen
Franz Hochegger, Agrarexperte für die SPÖ, beleuchtete die europäische Agrarpolitik aus der Sicht der bäuerlichen Familien. Im ländlichen Raum seien viele Arbeitsplätze verloren gegangen, weshalb es hier eine Trendwende brauche, damit die Abwanderung aus dem ländlichen Raum gestoppt werden könne. Zudem sei eine Verbesserung der Infrastruktur nötig, auch die GAP-Gelder müssten gerechter verteilt werden.
Astl: Gesunde Landwirtschaft in einem belebten Raum
August Astl, Agrarexperte der ÖVP, betonte, es gehe um eine gesunde Landwirtschaft in einem belebten ländlichen Raum. Die Landwirtschaft sei ein Partner in der Lebensmittelkette, eine starke, gemeinsame Agrarpolitik sei notwendig, um die europäischen KonsumentInnen mit hochwertigen, aus der Region stammenden Lebensmitteln, die nach europäischen Standards produziert werden, versorgen zu können. Auch die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit müsse ein Ziel sein. Die heimische Landwirtschaft meistere ihre Aufgaben trotz großer Herausforderungen hervorragend, darauf könne man stolz sein, und mit der richtigen Strategie werde man die heimische Landwirtschaft auch für die Zukunft absichern können.
Graf: Agrarpolitik braucht Umkehr
Franz Graf, FPÖ-Agrarexperte, nahm eine Standortbestimmung nach 15 Jahren Mitgliedschaft im gemeinsamen Markt vor. In dieser Zeit seien 30.000 Betriebe verloren gegangen, was belege, dass auf diesem Gebiet politische Fehler passiert sein müssen. So sei man beispielsweise von der bedarfsorientierten Produktion abgegangen, was zahlreiche negative Folgen nach sich gezogen habe. Hier bedürfe es einer Umkehr, und zwar deshalb, weil die Bauern und Bäuerinnen keinen gerechten Anteil am Erlös bekämen.
Strickner: Agrarpolitik betrifft auch Umwelt-, Außen-, Lebensmittel- und Entwicklungspolitik
Alexandra Strickner, Agrarexpertin für die Grünen, skizzierte die Eckdaten für eine zukünftige Agrarpolitik. Diese müsse auch Umwelt-, Außen-, Lebensmittel- und Entwicklungspolitik sein, denn eine umfassende Agrarpolitik lege die Grundlage für eine gedeihliche Entwicklung nicht nur Europas, sondern der gesamten Welt. Gesunde und ökologische Lebensmittel müssten für alle zugänglich sein, zudem müsste den LandwirtInnen ein fairer Preis dafür bezahlt werden.
Feichtlbauer: Keine Umschichtung der Fördergelder
Elisabeth Feichtlbauer, Fachexpertin des BZÖ, betonte, dass Bauern und Bäuerinnen für die Ernährungssicherheit sowie für Umwelt und Katastrophenschutz große Leistungen erbringen, und diese müsse entsprechend abgegolten werden. Die Förderungen dürften nicht umgeschichtet und zugunsten Osteruropas gekürzt werden, sagte sie, man müsse auch die regionalen Gegebenheiten berücksichtigen. Feichtlbauer beklagte die zu hohe Bürokratie und appellierte, den Beruf in der Landwirtschaft für junge Menschen attraktiv zu gestalten, indem man ihnen Perspektiven bietet. Notwendig sei auch eine qualitativ hochwertig Aus- und Weiterbildung sowie die Forcierung einer biologischen Produktion und ein gerechtes Einkommen.
Blass: Stabile und berechenbare
Rahmenbedingungen
Michael Blass (Vertreter der Lebensmittelindustrie) skizzierte, die Lebensmittel verarbeitende Industrie sei der größte Arbeitgeber in der EU und größter Ankäufer von landwirtschaftlichem Rohmaterial. Man habe ein großes Interesse an einer starken Landwirtschaft, die für das Gemeinwohl eine wichtige Funktion habe. Beide Sektoren, sowohl Landwirtschaft als auch Lebensmittelindustrie, seien klein strukturiert. Die Landwirtschaft stehe für Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit, regionale Produkte, Frische, Gentechnikfreiheit und biologischen Landbau. BäuerInnen und Lebensmittelindustrie brauchten stabile und berechenbare Rahmenbedingungen und Kontinuität in der gemeinsamen Agrarpolitik. Blass sprach sich für die Beibehaltung beider Säulen aus, wobei in der zweiten Säule mit Kofinanzierung regionale Spielräume offen gehalten werden sollen. Er hielt auch markstabilisierende Elemente für notwendig.
Strohm: Agrarpolitik fehlt es an Legitimation
Philipp Strohm, der für die österreichischen Umweltorganisationen sprach, übte eingangs scharfe Kritik an der aktuellen Landwirtschaftspolitik. Die Industrialisierung steige stark, der Einsatz von Pestiziden sei zu hoch, in der Landwirtschaft gebe es einen zu hohen Ausstoß an schädlichen Klimagasen, in der Fleischindustrie jage ein Skandal den anderen, die Importabhängigkeit sei viel zu groß und die KonsumentInnen seien verunsichert, so sein Befund. Die gemeinsame Agrarpolitik verfüge nur an mangelnder Legitimation, stellte er fest und forderte eine neue Agrarpolitik. "Bio muss Mainstream werden", sagte er, und das Prinzip der Nachhaltigkeit sei konsequent umzusetzen. Die Umweltmaßnahmen müssten tatsächlich effektiv sein und eine obligatorische Voraussetzung für Direktzahlungen darstellen. Ansonsten wäre alles nur "Greenwashing". Strohm begrüßte aber die Umweltmaßnahmen für die erste Säule.
Wlodkowski: Österreich braucht die GAP
Gerhard Wlodkowski von der Landwirtschaftskammer Österreich warf seinem Vorredner vor, Halbwahrheiten von sich gegeben zu haben. Österreich brauche die GAP, sie habe für unser Land Vorteile gebracht und bilde ein wichtiges Rückgrat für den ländlichen Raum und die Landwirtschaft. Wlodkowski fordert die Sicherstellung des Agrarbudgets inklusive einer Inflationsanpassung und bedauerte, dass der Anteil des Agrarbudgets am EU-Budget kontinuierlich sinke und derzeit nur mehr 40 % betrage. Die Leistungen der Bäuerinnen und Bauern für die Landwirtschaft und die Umwelt müssten entsprechend honoriert werden, die Zahlung seien keine Geschenke. Viele dieser Leistungen würden als selbstverständlich wahrgenommen, obwohl es sie ohne die GAP nicht geben würde. Diese habe in ihrer Konzeption der Maßnahmen der ersten und zweiten Säule zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Qualität und Vielfalt sowie zur Leistbarkeit von Lebensmitteln für alle BürgerInnen beigetragen. Die zukünftige GAP sollte aber mit weniger bürokratischem Aufwand auskommen und genügend Subsidiarität in der Ausgestaltung der Instrumente auf Ebene der Mitgliedstaaten vorsehen. Die Betriebe müssen laut Wlodkowski gestärkt werden, steuerliche Erhöhungen wie jene der Einheitswerte seien strikt abzulehnen.
Burgstaller: Die Agrarpolitik ist ungerecht
Maria Burgstaller von der Arbeiterkammer hielt die derzeitige Agrarpolitik für ungerecht. Sie verfehle vielfach ihre Ziele, sagte sie und wies auf den gravierenden Rückgang der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft hin. Mehr als die Hälfte der bäuerlichen Einkommen stamme nicht aus der Landwirtschaft, was zu einer hohen Abhängigkeit führe. Die Einkommensunterschiede seien zudem extrem hoch. Burgstaller forderte daher ein Programm für den ländlichen Raum und für alle dort lebenden Menschen. Ihrer Meinung nach sollten EU-Gelder von der ersten in die zweite EU-Säule umgeschichtet werden, um etwa Daseinsvorsorge, Mobilität, Aus- und Weiterbildung und Kinderbetreuungseinrichtungen stärker zu fördern.
Andratsch: Gemeinsamer strategischer Rahmen ist unverzichtbar
Daniela Andratsch von der Wirtschaftskammer Österreich thematisierte die enge Verknüpfungen zwischen Landwirtschaft und Lebensmittelbranche. Beide Sektoren hätten eine konjunkturstabilisierende Wirkung, unterstrich sie anhand statistischer Exportdaten. Diese stabile Partnerschaft sei auch in Zukunft wichtig, es brauche daher eine GAP, die die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelerzeugung sichere und die Lebensmittelindustrie als Partner der Landwirtschaft sehe. Es seien alle Akteure im ländlichen Raum zu berücksichtigen, verlangte Andratsch, die entsprechende Maßnahmen zur stärkeren Verankerung von kleinen und mittleren Betrieben in der Region vermisste. Für sie ist ein gemeinsamer strategischer Rahmen auf EU- und nationaler Ebene unverzichtbar.
Tüchler: Strukturprozesse sind langfristig zu lösen
Ernst Tüchler, der Vertreter des ÖGB, meinte, Strukturprozesse seien nicht aufzuhalten, sie seien aber langfristig und kontinuierlich zu lösen, kurzfristige Struktureinbrüche seien zu vermeiden. Die Agrarpolitik habe die Aufgabe, die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Tüchler befürchtete jedoch, dass man diese Prämisse derzeit über Bord wirft, womit die Versorgung dem Finanzsektor unterworfen werde. Die Lebensmittel seien jederzeit zu angemessener Qualität und angemessenen Preisen sicherzustellen und dabei auch für Transparenz zu sorgen.
Eine lebhafte Diskussion
Ernst Halbmayr (Fraktionsexperte der SPÖ, Freie Milch Austria) thematisierte die eklatante Ungleichbehandlung der Grünlandbetriebe gegenüber dem Ackerbau. Die Grünlandbetriebe hätten weitaus weniger Möglichkeiten, durch Produktionsalternativen auf Marktverwerfungen zu reagieren, und seien auch für den Erhalt einer differenzierten Kulturlandschaft wichtig. Halbmayr forderte deshalb die besondere Förderung der bäuerlichen Klein- und Mittelbetriebe.
Erich Schwärzler (Amt der Vorarlberger Landesregierung) formulierte die Eckpunkte einer gemeinsamen Agrarpolitik. Sie müsse sich am Menschen orientieren, die Lebensmittelproduktion und den Erhalt der Kulturlandschaft sichern, wozu es des Zusammenspiels von Umweltschutz und Wirtschaft brauche. Ein besonderes Anliegen sei die Viehhaltung in Bergregionen, die durch Viehhalteprämien gesichert werden müsse. Wesentlich sei auch die Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, dabei müsse die Bildung im Mittelpunkt stehen.
Alex Nussbaumer (PPÖ-Fraktionsexperte) beklagte aus Sicht der Milchbauern, dass heute eine Situation gegeben sei, in der nicht einmal landwirtschaftliche Betriebe in der Größe von 60 bis 70 ha ein Auskommen im Vollerwerb sichern könnten. Bauern und Bäuerinnen befänden sich gegenüber Verarbeitungsbetrieben und Handel stets in der schwächsten Position, sagte Nussbaumer und sah darin "ein Vertretungsproblem von Seiten der ÖVP".
Thomas Waitz (Fraktionsexperte der Grünen) thematisierte als Biobauer die Frage der Gentechnik in der Landwirtschaft. Ohne gentechnikfreie Futtermittel könne es eine solche Gentechnikfreiheit gar nicht geben. Hier müsse eine Lösung auf EU-Ebene gefunden werden. Förderungen sollten zukünftig an die drei Bedingungen Gentechnikfreiheit, Einhaltung einer Fruchtfolge und Grundwasserschutz geknüpft werden.
Johann Großpötzl (BZÖ-Fraktionsexperte) sah das Problem der österreichische Landwirtschaft darin, dass für sie keine gleichwertigen Bedingungen zu anderen Ländern gegeben seien. So würden etwa alle landwirtschaftlichen Betriebe in Luxemburg als in Problemzonen gelegen eingestuft. Ebenso gebe es in EU-Nachbarländern Förderungen von Landmaschinen und Treibstoffen und weniger strenge Tierschutzbestimmungen, durch welche die österreichische Landwirtschaft in einen Wettbewerbsnachteil gerate. Hier müsse man ansetzen.
Iris Strutzmann (Arbeiterkammer) hielt fest, aus Sicht der Arbeiterkammer müsse der Schwerpunkt der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 auf der Förderung hochwertiger Arbeitsplätze im ländlichen Raum gelegt werden. Dafür müssten auch durch EU-Richtlinien die nötigen Mittel bereitgestellt werden. Eine nachhaltige Produktion von Lebensmitteln sei im Sinne der KonsumentInnen und der Gewährleistung der Verteilungsgerechtigkeit.
Nationalratsabgeordneter Hermann Schultes (V) betonte, dass die Landwirtschaft das Rückgrat der ländlichen Regionen bilde, das müsse man anerkennen und diese Leistungen auch entsprechend abgelten. Diese Leistungen kleinzureden, helfe aber niemandem.
Leo Steinbichler (FPÖ-Fraktionsexperte) konstatierte, der Preisverfall von Agrarprodukten zeige deutlich, dass die bisherige Agrarpolitik nicht funktioniert habe. Er forderte daher die Beibehaltung der Milchquoten und eine klare Kennzeichnungspflicht der Herkunft von Lebensmitteln.
Rudi Vierbauch (Bio Austria) meinte, die Reform der GAP müsse darauf abzielen, alle ihre Instrumente auf eine Reduktion der Abhängigkeit der landwirtschaftlichen Produktion von fossilen Brennstoffen auszurichten. Man müsse sich daher auch von der eindimensionalen Ausrichtung an stetigen Produktionssteigerungen verabschieden und den Ausbau der biologischen Landwirtschaft konsequent fördern, sagte Vierbauch.
Nationalratsabgeordnete Martina Schenk (B) würdigte die Leistungen der bäuerlichen Betriebe in den Berglandregionen. Diese müssten für diese Arbeit gerecht bezahlt werden, forderte sie. Sie stellte an Klaus-Dieter Borchardt als Vertreter der EU-Kommission die Frage, was die EU-Kommission unternehmen wolle, um das Vertrauen der Bauern und Bäuerinnen und der KonsumentInnen in die GAP wiederherzustellen.
Gerhard Hovorka (BA für Bergbauernfragen) betonte die Wichtigkeit der Berglandwirtschaft. Diese sei international keinesfalls konkurrenzfähig, müsse also gefördert werden. Österreich habe dafür ein gutes System entwickelt. Hovorka plädierte für die Beibehaltung des Systems der Ausgleichszulagen. Man müsse aber von der Flächenförderung weg zu einem System der Förderung nach einem Modell der standardisierten Arbeitszeit kommen.
Franz Sinabell vom Landwirtschaftsministerium setzte sich mit den aktuellen Herausforderungen für die heimische Landwirtschaft auseinander. Man müsse die Wettbewerbssituation nicht nur für den eigentlichen Agrarsektor, sondern auch für die vor- und nachgelagerten Sektoren entsprechend ausrichten.
Peter Schmiedlechner warnte vor einem weiteren Bauernsterben im Lande. Es gelte, faire Bedingungen für die Landwirte sicherzustellen, dann würden die heimischen Betriebe auch eine Zukunft haben. Konkret gehörten die Erzeugergemeinschaften gefördert, die Milchquote sollte beibehalten werden.
Michael Johann von den Grünen forderte die Sicherung des Umweltschutzes in der Landwirtschaft, worauf die Agrarpolitik ebenso ausgerichtet werden sollte wie auf die Förderung der biologischen Landwirtschaft. Im Übrigen brauche es europaweit eine gentechnikfreie Landwirtschaft.
Abgeordneter Maximilian Linder (F) sprach von einer kontraproduktiven Blockade in der Regierungspolitik, unter der auch die Bauern litten. Man müsse endlich wissen, wie es nach 2013 weitergehen solle, denn davon hänge die Zukunft vieler bäuerlicher Betriebe ab. So sei die Milchquote auch in Hinkunft unabdingbar.
Klaus-Dieter Borchardt, Vertreter der EU-Kommission, meinte, man müsse sich darauf besinnen, wofür die gemeinsame Agrarpolitik überhaupt stehe. Diese habe für die landwirtschaftlichen Betriebe da zu sein und die Produktion der erforderlichen Nahrungsmittel sicherzustellen. Die gemeinsame Agrarpolitik stelle damit ein eigenständiges Politikfeld dar, wie sich in den angesprochenen Details zeige.
Konkret sagte der Redner den Anwesenden, dass die Milchquote auslaufen werde, da man sie nicht verlängern wolle. Dieses System habe sich nämlich nicht bewährt, meinte der Redner, der sich jedoch für eine Förderung der Berglandwirtschaft und der Almwirtschaft aussprach. Im Übrigen sei Österreich agrarpolitisch in Brüssel gut vernetzt, seine Anliegen würden daher auch entsprechend wahrgenommen.
Josef Pinkl, der Vertreter der heimischen Rübenbauern, bemängelte die verfehlte EU-Politik gegenüber den Rübenbauern, die nicht nur zu einem Ende zahlreicher Betriebe geführt habe, sondern auch zu einer Unterversorgung des Marktes mit Zucker. Die Preise seien daher angestiegen, sodass von dieser Politik letztlich niemand profitiert habe. Man müsse daher umdenken, zumal die Rübenbauern ein wichtiger Bestandteil der Landwirtschaft seien.
Tierschutz-Aktivist Martin Balluch befasste sich mit der Landwirtschaft aus der Sicht des Tierschutzes und forderte eine tierschutzgerechte Landwirtschaft, wobei die Standards in Österreich über jene der EU gehoben werden sollten.
Michael Roth (SPÖ-Experte) beleuchtete die Agrarpolitik aus der Sicht des ländlichen Raums. Agrarpolitik brauche auch eine regionalpolitische Dimension, denn im ländlichen Raum lebten 90 Prozent nicht von der Landwirtschaft, sondern von Dienstleistungen und dergleichen. Ländliche Entwicklung brauche daher infrastrukturelle Investitionen, damit alle in der Region davon profitierten.
Anton Wagner, nominiert vom Landwirtschaftsministerium, meinte, man solle nicht alles in Frage stellen, was bisher geschehen sei. Die Jugend brauche funktionierende Infrastrukturen und zukunftsorientierte Förderungen, dann werde die heimische Landwirtschaft auch in Zukunft prosperieren.
Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G) betrachtete die Landwirtschaft aus der Sicht des Konsumentenschutzes. Die KonsumentInnen wollten wissen, woher ein Produkt kommt und woraus es bestehe. Diesbezüglich bräuchte es verbesserte Kennzeichnung.
Peter Kranner (Landesregierung Burgenland) betonte, Agrarpolitik müsse auch die Gesundheit im ländlichen Raum gewährleisten. Es brauche entsprechende Rahmenbedingungen, um die Zukunft des ländlichen Raumes abzusichern.
Abgeordneter Karl Donabauer (V) erklärte, Agrarpolitik müsse nicht nur die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sicherstellen, es gehe auch um Beschäftigung, sei doch die Landwirtschaft insgesamt ein wichtiger Arbeitgeber. Daher gehe es um Planungssicherheit, Zwangsbeglückung sei fehl am Platz. Man solle also den eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzen.
Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) begriff Agrarpolitik als Gesellschaftspolitik, weshalb es auch in der Agrarpolitik um Verteilungsgerechtigkeit gehe. So müsste die Förderstruktur transparent sein, die Förderung der konkreten Arbeit sollte gegenüber der reinen Flächenförderung bevorzugt werden.
Abgeordnete Christiane Brunner (G) betonte, in der Agrarpolitik müsse es auch um Umwelt- und Tierschutz gehen. Dies habe die Agrarpolitik entsprechend zu berücksichtigen. Für Förderungen sollten daher ökologische Kriterien entscheidend sein, unterstrich die Rednerin.
Franz Raab (Landwirtschaftskammer) fragte in seiner Wortmeldung, ob es möglich sein werde, eine nachhaltige österreichische Landwirtschaft auch in Hinkunft als Motor für den ländlichen Raum erhalten zu können. Dazu brauche es jedenfalls eine politische Schwerpunktsetzung und entsprechende Unterstützungsmaßnahmen.
Theresia Oedl-Wieser (Bergbauerninstitut) setzte sich mit Aspekten des Bergbauerntums auseinander und ging dabei vor allem auf die Lebensbedingungen von Bergbauern ein. Konkret mahnte sie Maßnahmen zur Gleichstellung von Männern und Frauen, aber auch von Jugendlichen und MigrantInnen ein.
Bundesrat Georg Keuschnigg (V) plädierte dafür, den erfolgreichen österreichischen Weg in der Agrarpolitik weiter zu gehen und die flächendeckende kleinstrukturierte Landwirtschaft mit einem hohen Bio-Anteil zu erhalten. Das wird in erster Linie eine finanzielle Frage sein, erwartet Keuschnigg. Darüber hinaus sei bei der Neugestaltung der GAP auch die Energiekrise, der Klimawandel und die Notwendigkeit zu beachten, mehr Lebensmittel für eine wachsende Weltbevölkerung zu produzieren.
Dominik Frieling (Global 2000) warnte vor industriellen landwirtschaftlichen Betrieben, die mit ihren Klimagas-Emissionen die Atmosphäre schädigen und durch den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen die Bio-Diversität gefährden. Dank ÖPUL sei Österreichs Landwirtschaft weiter als die meisten anderen Agrarsektoren in der EU, Österreich sollte daher dazu beitragen, die erste Säule der EU-Agrarpolitik stärker in Richtung Erhaltung der Bio-Diversität und Klimaschutz umzugestalten.
Karl Snieder (Arbeiterkammer) befasste sich mit der Entwicklung des ländlichen Raums und forderte von der neuen GAP eine diversifizierte Strategie zur Förderung der Wirtschaft im ländlichen Raum und die Förderung dichterer Wirtschaftskreisläufe.
Leopold Kirner (Landwirtschaftsministerium) sah die Landwirtschaft eingebettet in die allgemeine Gesellschaftsentwicklung und deren Probleme. Dazu gehören das globale Bevölkerungswachstum und die wachsende Nachfrage nach Agrarrohstoffen. Vor extremen Herausforderungen sah der Experte die Berglandwirtschaft stehen. Ausgleichszahlungen seien daher weiter zu entwickeln und das Denken in Wertschöpfungsketten zu forcieren. Der Beruf Landwirtschaft muss attraktiv bleiben für junge Menschen, schloss der Experte.
Bernhard Antensteiner (G-Experte) verdolmetschte die Probleme landloser Bauern und machte auf Problem jener aufmerksam, die versuchen, Land zu erwerben. Die Jungbauernförderung benachteiligt solche Menschen, klagte der Experte. Die EU sollte Landlosen den Zugang zu Land erleichtern und deren kreativen Ansätze zur Erweiterung der Nahrungsmittelproduktion fördern, forderte Antensteiner.
Franz Galler (ÖGB) erinnerte darin, dass es in Österreich kaum noch Landarbeiter gibt und auch die Zahl der Arbeitnehmer in der Molkereibranche stark abgenommen hat. Der Experte brach auch eine Lanze für Forschung und Entwicklung in der Nahrungsmittelindustrie, um die Qualität der Lebensmittelproduktion abzusichern und warnte dabei davor, dabei die Interessen der ArbeiterInnen in der Lebensmittelindustrie zu übersehen.
Abgeordneter Franz Eßl (V) problematisierte Forderungen, in der Landwirtschaftspolitik zugleich auch Regionalpolitik und Sozialpolitik zu betreiben. Das wäre nur möglich, wenn zusätzliches Geld "von außen" bereitgestellt werde. Denn wenn die Bauern über ihre Aufgabe, Lebensmittel zu erzeugen, hinaus zusätzliche Leistungen erbringen sollen, brauche man dafür eine gesonderte Leistungsabgeltung. Jedenfalls brauchen die Bauern eine einheitliche Betriebsprämie, die Berücksichtigung der Viehproduktion und die Feststellung der Flächen auf den Almen.
Ralph Chaloupek (Tierrechtspartei) wies auf die aktuelle Diskussion über Vorschriften für die Kastenstände in der Viehzucht hin. Es gelte zu verhindern, dass fortschrittliche Tierhaltungsnormen durch Dumpingangebote aus weniger am Tierschutz orientierten Ländern konterkariert werden können. Die EU sei aufgerufen, im Interesse der Bauern und der KonsumentInnen EU-weit für Sicherheit in der Tierhaltung zu sorgen.
Friedrich Pernkopf (Landwirtschaftskammer OÖ) zeigte sich erfreut über den Konsens zum europäischen Agrarmodell, das auf Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit aufbaut. Besonderes Augenmerk sei auch der Wettbewerbsfähigkeit zu widmen, freilich im Wissen, dass der Markt in der Landwirtschaft nicht alle Probleme lösen könne. Die ländliche Entwicklung sah der Experte als einen Wachstumsmotor, ohne Förderung könne es aber keine Entwicklung des ländlichen Raums geben.
Bundesrat Michael Lampel (S) unterstrich die Bedeutung der Landwirtschaft beim Umweltschutz und forderte, bei der Errichtung von Stallungen den Schutz des Grundwassers und der Umwelt insgesamt zu beachten. In sensiblen Gebieten müsse der Umweltschutz bei der Errichtung von agrarindustriellen Anlagen, wie großen Schweinestallungen, berücksichtigt werden.
Klaudia Tanner (Bauernbund) begrüßte die Einigkeit über das Ziel der GAP-Reform, in Österreich weiterhin eine bäuerlich strukturierte Landwirtschaft zu erhalten. Die Bauern erbringen täglich Leistungen für die gesamte Gesellschaft, sie sichern die natürlichen Lebensgrundlagen sowie die Kulturlandschaft und produzieren hochwertige Nahrungsmittel. Diese Leistungen sollen gerecht abgegolten werden. Darum gilt es bei der GAP-Reform zu kämpfen und die Entwicklung des ländlichen Raums abzusichern, sagte Tanner.
Johannes Abentung (Bäuerliche Interessensvertretung) fragte, woher das Geld zur gerechten Abgeltung bäuerlicher Leistungen kommen soll. Da es nicht vom Markt kommen könne, müsse man Bewusstsein dafür schaffen, dass Lebensmittel nicht zum Nulltarif produziert werden können, verlangte der Redner.
Irmtraud Salzer (Bergbauernvereinigung) warnte davor, sich in der Agrarpolitik auf ein wenig Kosmetik zu beschränken, von "Gerechtigkeit", "grüner Landwirtschaft" und "hoher Qualität" zu reden und gleichzeitig konkurrenzfähig für den Weltmarkt produzieren zu wollen. Das sei unmöglich, sagte die Expertin und forderte mehr Realismus in der Debatte ein.
Abgeordnete Anna Höllerer (V) verlangte Planungssicherung für eine Landwirtschaft, die jünger und weiblicher ist als im Durchschnitt der Europäischen Union und unterstrich die Leistung der Bäuerinnen in den bäuerlichen Familien, auf den Höfen und bei der Produktion gesunder Lebensmittel. Die GAP-Reform müsse die Situation der Frauen in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum berücksichtigen und Maßnahmen zulassen, die eine ausreichende Förderung des ländlichen Raums ermöglichen.
Bundesrat Martin Preineder (V) sprach von Ausgleichszahlungen und Leistungsabgeltungen für die Bauern und erinnerte an sinkende Preise infolge des EU-Beitritts, die die Bauern hinnehmen mussten, während die Konsumenten von niedrigeren Preisen profitiert haben. Dazu kommt die Abgeltung von Leistungen der Bauern bei der Landschaftserhaltung. Künftig seien die Versorgungssicherheit und die Wertschöpfung in der Landwirtschaft zu erhöhen; außerdem brauche es Maßnahmen zum Ausgleich zu starker Preisschwankungen, sagte Preineder.
Peter Raggl (Tiroler Bauernbund) zeigte sich beeindruckt vom Tenor der Enquete, die allgemein die Leistungen der österreichischen Bauern und Bäuerinnen in einer wertschätzenden Form dargestellt hat. In vielen Regionen stehe neben der landwirtschaftlichen Produktion die Erhaltung der Kulturlandschaft im Vordergrund, was die Grundlagen des Tourismus sichert. Die Bauern erhalten keine Sozialleistungen, sondern Leistungsabgeltungen für die Offenhaltung der Landschaft, betonte der Redner. Daher sei es legitim, die Erhaltung des Agraretats in der europäischen Agrarpolitik zu verlangen.
Klaus-Dieter Borchardt (EU-Kommission) teilte in einer abschließenden Antwortrunde mit, dass die Förderungsfähigkeit des Tierschutzes in der GAP aufrecht bleibt. Die sei GAP nicht Anhängsel anderer Politikbereiche, müsse diese aber zu berücksichtigen. Agrarpolitik sei nicht einfach Regionalpolitik, aber doch mehr als bloße Förderung von Agrarbetrieben; hier seien eine vernetzte Sichtweise ebenso notwendig wie richtige Prioritäten, zu denen Borchardt erneuerbare Energien, Umweltschutz, Klimaschutz und Innovationen zählte.
Die Mehrheit der europäischen Bauern denken in Generationen und schützten Boden, Luft und Wasser. Strenge Regelungen bedürfe es für Produktionen, die nicht aus der traditionellen Landwirtschaft kommen. Die Gleichstellung von Mann und Frau sei in allen europäischen Politikbereichen zu berücksichtigen, hielt Borchardt fest und informierte über diesbezügliche Analysen in der EU-Agrarpolitik. Starthilfen kündigte der Kommissionsvertreter für landlose Bauern an, das könne aber kein "Freifahrtsschein" in die Landwirtschaft sein. "Wir brauchen eine gerechtere Verteilung der Gewinnen in der Wertschöpfungskette, weil immer noch niemand weiß, wo der Vorteil geringere Erzeugerpreise in der Krise versickert ist", sagte der EU-Agrardirektor, "bei den Verbrauchern ist er jedenfalls nicht angekommen".
Dazu kommen Strategien für lokale Märkte, wo Erzeuger und Konsumenten näher zusammenkommen sollen - das kann Vorteile für lokale und regionale Produktionen bringen. Wichtig sei in jedem Fall die Beibehaltung der Direktzahlungen; diese dürfen nicht gekürzt werden, schloss Borchardt.
Gerhard Wlodkowski (Landwirtschaftskammer Österreich) sah im AMA-Gütesiegel ein Flaggschiff und informierte über die strengen Kontrollen, denen die damit ausgezeichneten Produkte unterzogen werden. Bei Rindern müsse das Herkunftsland angegeben werden, bei Schweinen wird die Herkunft freiwillig bekanntgegeben. Österreich drohe die Ferkelerzeugung zu verlieren, weil es aufgrund der Vorschriften nicht mehr wettbewerbsfähig sei. Er wolle nicht zulassen, dass die Schweineproduktion in Österreich kaputt gemacht und immer mehr Ferkel importiert werden.
Abschließende Stellungnahmen der Fraktionssprecher
Abgeordneter Kurt Gaßner (S) zeigte sich froh über die informative Diskussion, in der die Entwicklung des ländlichen Raumes eine zentrale Rolle gespielt habe. Agrarpolitik soll Gesellschaftspolitik sein, sagte auch Grillitsch, daher dürfe sie nicht zur Bauernbundpolitik verkommen.
Abgeordneter Fritz Grillitsch (V) wandte sich gegen Renationalisierungsforderungen und bekannte sich zu einer gemeinsamen Agrarpolitik in Europa. Die erste und zweite Säule in der GAP sollen ebenso aufrecht bleiben wie die Betriebsprämie und die Direktzahlungen. Auch die Absicherung des Umweltprogramms hielt Grillitsch für unverzichtbar. Die Bauern brauchen faire Preise und stabile Rahmenbedingungen. Österreich braucht eine bäuerliche, keine industrialisierte Landwirtschaft. Darauf würden die Forderungen der Arbeiterkammer hinauslaufen, schloss Fritz Grillitsch.
Abgeordneter Harald Jannach (F) zeigte sich schockiert, dass in der Diskussion fast nur über Ausgleichszahlungen und Förderungen, nicht aber über faire Preise für die Bauern gesprochen wurde. Denn Förderungen machten die Bauern abhängig von der Politik, klagte der Abgeordnete und forderte mehr Unabhängigkeit für die Bauern.
Abgeordneter Wolfang Pirklhuber (G) sprach von einem gelungenem gemeinsamen Start in die Diskussion über die GAP-Reform. Die Tierschützer haben gute Argumente gegen ungenügende Kastenstände vorgebracht und darauf hingewiesen, dass es gelungen sei, die Eierproduktion mit besseren Tierhaltungsstandards auszuweiten. Die Probleme in der Agrarpolitik können nur gemeinsam zwischen Politik, BäuerInnen und KonsumentInnen gelöst werden, zeigte sich Pirklhuber überzeugt.
Abgeordneter Gerhard Huber (B) vermisste Mut zur Wahrheit und Verantwortungsbewusstsein bei vielen Agrarpolitikern. Man können nicht von einem guten Weg der österreichischen Landwirtschaftspolitik reden, nachdem 50.000 Bauern während der letzten Jahre ihre bäuerliche Existenz verloren haben. Die Bauern brauchen gute Rahmenbedingungen. Dazu gehört aber auch eine Antwort auf die Frage, wer in Zukunft die Almen pflegen wird. Die Landwirtschaft braucht auch unter raschen Strukturwandel sichere Rahmenbedingungen und eine Perspektive für die Zukunft. Denn die KonsumentInnen brauchen BäuerInnen, die gesunde Lebensmittel herstellen. (Schluss)
Über die heutige Enquete wird ein Stenographisches Protokoll angefertigt und auf der Homepage des Parlaments (www.parlament.gv.at) veröffentlicht werden, teilte der am Ende der Enquete vorsitzführende Abgeordnete Kurt Gaßner mit.
Fotos zur Enquete über die GAP-Reform finden Sie auf der Parlamentshomepage im Fotoalbum. (Schluss)