Fortschritte und Rückschläge im Kampf gegen die Todesstrafe
Prammer: Todesstrafe ist unvereinbar mit den Menschenrechten
Wien (PK) – "Mit dem Tod bestraft" lautete der Titel eines interdisziplinären Symposiums im vergangenen Februar, das aus Anlass des 40. Jahrestages der endgültigen Abschaffung der Todesstrafe durch das Verfassungsgesetz vom 7. Februar 1968 von der Österreichischen Liga für Menschenrechte und von der Zentralen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz gemeinsam organisiert worden war. Auf Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer präsentierten Claudia Kuretsidis-Haider, Heimo Halbrainer und Elisabeth Ebner heute Abend im Parlament dazu den von ihnen herausgegebenen Tagungsband des Symposions: "Mit dem Tode bestraft. Historische und rechtspolitische Aspekte zur Todesstrafe in Österreich im 20. Jahrhundert und der Kampf um ihre weltweite Abschaffung".
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer begrüßte Justizministerin Dr. Maria Berger und die ehemalige Präsidentin des Bundesrates Anna-Elisabeth Haselbach und unterstrich die Bedeutung des Themas mit dem Hinweis darauf, dass trotz aller Erfolge bei der Abschaffung der Todesstrafe in den letzten Jahren nach wie vor 62 Staaten an ihr festhalten. Prammer erteilte allen Rufen zur Wiedereinführung der Todesstrafe, wie sie mancherorts in Europa und gelegentlich auch in Österreich hörbar seien, eine dezidierte Absage. Die Todesstrafe sei unvereinbar mit den Menschenrechten, sie diene nicht der Verbrechensbekämpfung, sondern sei eine Form der Folter und könne daher in keiner demokratischen Gesellschaft akzeptiert werden. Österreich müsse daher sein internationales Engagement gegen diese unmenschliche Art der Bestrafung, wie auch gegen jede Form von Misshandlung und Folter, konsequent fortsetzen.
Die Präsidentin der Österreichischen Liga für Menschenrechte Irmtraut Karlsson erinnerte an den Kampf ihres Mentors Christian Broda gegen die Todesstrafe, der mit seinem Einsatz für Menschenrechte untrennbar verbunden war, und daran, dass der langwierige Prozess der Abschaffung der Todesstrafe noch längst nicht abgeschlossen sei.
Der Präsident der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz Univ.-Prof. Martin. F. Polaschek unterstrich das Ziel der Forschungsstelle, nicht nur Material zu sammeln, sondern den Forschern auch eine Plattform für die Diskussion aktueller justizpolitischer Fragen, wie etwa der Todesstrafe, zu geben. Polaschek befasste sich insbesondere mit historischen Pro- und Kontraargumenten in der Diskussion über die Todesstrafe.
Der Kriminalsoziologe Univ.-Prof. Heinz Steinert (Frankfurt/Main und Wien) identifizierte in seinem Vortrag "Ohne Angst leben" die Todesstrafe als ein Symptom von Krieger- und Unterdrückergesellschaften, die ihre inneren Feinden gleich behandeln wie ihre äußeren, indem sie sie töten wie im Krieg. Man müsse sich fragen, ob man in einer solchen Gesellschaft leben wolle und ob es die Aufgabe eines demokratischen Staates sein könne, Recht und Gerechtigkeit für die Zwecke von Herrschaft zu instrumentalisieren. Diese Frage gelte nicht nur für Todesstrafe und Folter, sondern für jegliche Strafe, mit der der Staat seinen Bürgern Schaden zufüge. Steinert plädierte dafür, den immer wieder von herben Rückschlägen gekennzeichneten Weg der Zivilisierung von Herrschaft konsequent fortzusetzen und verwies dabei auf Erfolge bei der friedlichen Regelung von Konflikten zwischen den Menschen durch den Staat, etwa durch die Einführung von Mediation, Tatausgleich und Diversion. Es gelte die Lebensbedingungen aller zu verbessern, insbesondere jene benachteiligter Gruppen, und auf die Entwicklung und Stärkung jener Vernunft zu setzen, die so viele Menschen dazu befähige, für die Lösung von Konflikten gemeinsame Wege zu finden.
Österreich und der Kampf um die Abschaffung der Todesstrafe
Die HerausgeberInnen Claudia Kuretsidis-Haider, Heimo Halbrainer und Elisabeth Ebner stellten bei der Präsentation ihres Buches das Ziel in den Vordergrund, die historischen und die aktuellen Aspekte des Themas Todesstrafe miteinander zu verknüpfen. So erfährt der Leser, dass Österreich nicht erst in der jüngeren Vergangenheit sondern schon lange eine bedeutende Rolle bei der Abschaffung der Todesstrafe spielte. Aufgeklärte Habsburgerherrscher zählten zu den Vorreitern ihrer Überwindung. So beseitigte 1786 Großherzog Leopold unter Einfluss des Aufklärers Cesare Beccaria Todesstrafe und Folter in der Toskana. In Österreich schaffte Kaiser Joseph II. die Todesstrafe 1787 ab. Kaiser Franz II. führte sie 1795, zur Zeit der Jakobinerverschwörung, wieder ein. In der Folge dauerte die Diskussion um die Todesstrafe an. Karl Kraus etwa, der 1903 gegen die "Scheußlichkeit einer legitimen Tötung" gewettert hatte, rechtfertigte sie 1934 als "Notwehr des Staates" unter Berufung auf berühmte Befürworter der Todesstrafe wie Johann Wolfgang Goethe, den Strafrechtler Heinrich Lammasch oder den tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomas G. Masaryk.
Gegen die Todesstrafe führten die Juristen Isidor Ingwer und Isidor Rosner schon 1908 an, dass weder die Mordtat des Verbrechers dazu berechtige, diesen zu töten, noch mit einem staatlichen Notwehrrecht argumentiert werden könne, das nur bei der direkten Abwehr eines Angriffs gelte. Erfahrungsgemäß schrecke die Todesstrafe Gewalttäter nicht ab. Der Wiener Strafrechtler Carl Stooss sah 1913 die Todesstrafe als historisch überholt an. Niemand wolle mehr, wie einst, Menschen mit Todesangst und Todespein bestrafen. Richter und Geschworene seien überdies nicht unfehlbar, die Hinrichtung eines unschuldigen Menschen würde aber das Vertrauen in das Recht irreparabel beschädigen.
Die letzte Hinrichtung wurde in Österreich 1950 an dem Raubmörder Josef Trinka vollzogen. Noch im selben Jahr schaffte der Nationalrat die Todesstrafe im ordentlichen Verfahren ab. Mit dem Beschluss vom 7. Februar 1968 wurden Todesurteile in Österreich schließlich auch im Kriegsrecht und damit definitiv ausgeschlossen.
Seit der Zeit von Justizminister Christian Broda wirkt Österreich an internationalen Kampagnen gegen die Todesstrafe mit. Mittlerweile ist die Todesstrafe in der Europäischen Union und insgesamt in 128 Ländern aus den Strafregistern gestrichen. Allein seit 1990 schafften über 45 Staaten die Todesstrafe ab. Ein markanter Durchbruch auf internationaler Ebene war die UNO-Vollversammlung im Dezember 2007, als 104 Länder eine Resolution für einen sofortigen Hinrichtungsstopp und eine Abschaffung der Todesstrafe unterzeichneten.
Trotz des erfreulichen Trends zur Abschaffung dieser "Perversion des Rechtsstaates", so Staatssekretär Hans Winkler in seinem Geleitwort, sei der intensive Kampf für die weltweite und vollständige Abschaffung der Todesstrafe eines der wichtigsten Ziele der österreichischen und europäischen Menschenrechtspolitik. Die Todesstrafe sei mit Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat sowie mit dem Wertekanon der EU nicht vereinbar. Daher schreibe die EU ihren Beitrittskandidaten die vollständige Abschaffung der Todesstrafe vor. Diese kompromisslose Haltung werde auch in der EU-Grundrechtecharta zum EU-Reformvertrag bestätigt und gegenüber Drittstaaten mit zunehmender Überzeugungskraft vertreten, berichtet der Staatssekretär. Zuletzt konnte die EU zur Abschaffung der Todesstrafe auf den Philippinen, in Albanien, Gabun, Mexiko, Ruanda, Usbekistan und dem US-Bundesstaat New Jersey beitragen und Guatemala, Kirgisistan und Taiwan zur Aufrechterhaltung ihrer Moratorien bewegen.
Der Historiker Hans Hautmann gibt einen Überblick über die verhängten Todesurteile und Vollstreckungen in der österreichischen Reichshälfte zwischen 1867 und 1918. Er verweist darauf, dass die Zahl der Opfer der Kriegsjustiz von 1914 bis 1918 mangels amtlicher Daten nach wie vor nicht eruiert werden kann. Es handelt sich damit um ein unbekanntes Kapitel der österreichischen Vergangenheit.
Martin F. Polaschek behandelt die Diskussionen um die Todesstrafe in der Ersten Republik, an deren Ende das Standrecht wieder eingeführt wurde, und die Zeit des austrofaschistischen Ständestaats. Der Androhung der Todesstrafe im Standgerichtsverfahren für Delikte wie Mord, Brandstiftung und boshafte Sachbeschädigung und ab dem Februar 1934 für Aufruhr folgte bald ihre Wiedereinführung im ordentlichen Verfahren und die Verhängung von Todesurteilen.
Die Todesstrafe war fester Bestandteil der NS-Justiz in Österreich. Wolfgang Form zeigt in seinem Beitrag, dass die Todesstrafe zu einem aktiven Mittel des NS-Feindstrafrechts wurde. Während der NS-Zeit dienten die ungeheuer vielen Todesurteile auch zur Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen und der politischen "Säuberung".
Claudia Kuretsidis-Haider thematisiert die Ahndung von NS-Verbrechen durch die österreichische und alliierte Justiz, die als Höchststrafe die Todesstrafe vorsah, Bernhard Sebl hingegen die durch Schwurgerichte im ordentlichen Strafverfahren verhängten und vollstreckten Todesurteile im Zeitraum zwischen 1945 und 1950. Die Beiträge zeigen sehr deutlich die Unterschiede in der Motivation der Verhängung der Todesstrafe im sondergerichtlichen und im ordentlichen Verfahren auf. In ersteren betonte man vor allem den Sühnegedanken, in ordentlichen Verfahren die Prävention, wie es in Ländern mit Todesstrafe bis heute der Fall ist.
Roland Miklau zeichnet in seinem Aufsatz die lange Geschichte der Todesstrafe in Österreich nach. Nach einzelnen parlamentarischen Vorstößen zu ihrer Wiedereinführung stand erst in den sechziger Jahren die Beseitigung auch ihrer "Restposten" in der Rechtsordnung zu Diskussion.
Abschließend widmen sich die Beiträge von Winfried R. Garscha, Wolfgang Benedek und Manfred Nowak internationalen Aspekten der Todesstrafe aus historischer und aktueller Sicht. Garscha stellt die Entwicklung des internationalen Völkerstrafrechts im 20. Jahrhundert dar. Benedek befasst sich mit der Anwendung der Todesstrafe weltweit, den Widerstände einzelner Staaten gegen wie Aktivitäten von europäischen Regionalorganisationen für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe. Nowak thematisiert aus seiner Erfahrung als UN-Sonderberichterstatter die Todesstrafe im Kontext der Folter.
Das Buch
"Mit dem Tode bestraft. Historische und rechtspolitische Aspekte zur Todesstrafe in Österreich im 20. Jahrhundert und der Kampf um ihre weltweite Abschaffung" ist im Grazer Verlag Clio erschienen. Das Werk mit einem Geleitwort von Staatssekretär Hans Winkler umfasst 202 Seiten und ist im Buchhandel um 22 Euro erhältlich. (Schluss)
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at