LEX KAMPL PASSIERT BUNDESRAT
Wien (PK) - In der heutigen 723. Sitzung des Bundesrates befasste sich die Länderkammer eingangs mit der so genannten "Lex Kampl", durch die es möglich werden soll, dass Landtage die von ihnen entsandten Bundesräte umreihen können, sodass andere Personen als die ursprünglich erwählten an die Spitze und somit zur Präsidentschaft über den Bundesrat berufen werden können, damit der Landtag auf Ereignisse reagieren könne, die eine Vorsitzführung durch den ursprünglich gewählten Ersten der Liste als untunlich erscheinen lassen. Konkreter Anlass für diese Verfassungsänderung war die Weigerung des Listenersten des Bundeslandes Kärnten, Siegfried Kampl, von seinem Mandat zurückzutreten, nachdem er durch bestimmte Aussagen zur österreichischen Vergangenheit ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war. Die Vorlage fand die einhellige Zustimmung des Bundesrats; die Mitglieder der F-Fraktion beteiligten sich nicht an der Abstimmung.
Bundesrat Herwig Hösele (V) erhoffte sich durch die Vorlage einen konstruktiven Schlusspunkt unter eine lange Debatte, die dem Ansehen des Bundesrates sehr geschadet habe. Alle wesentlichen Repräsentanten der Republik hätten zu jenen Aussagen, welche die Diskussion ausgelöst hatten, eindeutig Stellung genommen und sie scharf verurteilt. Die Zweite Republik stelle die umfassende Antithese zum Nationalsozialismus dar, und gerade im Bedenkjahr 2005 seien gegenläufige Wortmeldungen besonders inakzeptabel. Mit der in Rede stehende Vorlage reagiere man daher auf die jüngsten Ereignisse.
Der Redner setzte sich mit der Ansicht auseinander, es handle sich hierbei um "Anlassgesetzgebung" und meinte, für jede gesetzliche Norm sollte es einen entsprechenden Anlass geben, und dieser hier sei ein besonders dringlicher. Hösele ging auf die einzelnen Punkte der Vorlage ein und wies darauf hin, dass mit diesem Entwurf auch gleich weitere Präzisierungen und Nachjustierungen vornehme, womit ein solches Problem künftighin gar nicht mehr auftreten könnte. Zum Bundesrat selbst gebe es keine Alternative, vielmehr müsse man danach trachten, diesen optimal auszugestalten, hielt der Redner abschließend fest.
Bundesrat Albrecht Konecny (S) meinte, es sei dies heute kein Ruhmestag für den Bundesrat, für die Demokratie und für die Republik. Denn wenn ausgerechnet im Bedenkjahr 2005 Politiker die Verbrechen des Nationalsozialismus schönredeten, dann sei dies absolut inakzeptabel. Der Redner übte heftige Kritik an den Aussagen der Bundesräte Gudenus und Kampl, wies auf die aktenkundige Tätigkeit von Kampls Vater hin und sagte, dessen Lebensgeschichte sei jedenfalls eine andere als er seinem Sohn und dieser dem Bundesrat erzählt habe. Das möge für Kampl schmerzhaft sein, aber man dürfe die Wahrheit nicht vergewaltigen, um Kampl Schmerz zu ersparen.
Er, Konecny, habe in den letzten Wochen oftmals Trauer, aber auch Ekel empfunden ob der Umstände, die mit dieser Affäre verbunden seien. In diesem Zusammenhang nahm der Redner auch die FPÖ in die Ziehung, die ja gewusst haben müsse, wen sie in den Bundesrat entsende. Mit großem Ernst wende er sich aber auch an die größere Regierungspartei, die er doch fragen müsse, ob sie meine, mit dieser Beschlussfassung sei wieder alles in Ordnung. Immerhin gebe es bei deren Koalitionspartner weitere Mitglieder, die sich nur dadurch von Gudenus und Kampl unterschieden, dass sie derartige Aussagen nicht in der Öffentlichkeit tätigen.
Es wäre im Sinne einer wehrhaften Demokratie richtiger, einen Präsidenten Kampl unter Quarantäne zu stellen, dessen ungeachtet wünsche er dem neu designierten Bundesratspräsidenten für seine schwierige Aufgabe viel Glück. Doch blieben die beiden Auslöser dieser Krise weiterhin Mitglieder des Hauses, was ob der Konstellation im Bundesrat dazu führe, dass Entscheidungen dieses Hauses direkt von diesen beiden Mitgliedern abhänge. Daher trete er dafür ein, auch den Bundesrat Kampl als Mitglied der Länderkammer unter Quarantäne zu stellen. Konecny kündigte an, die Präsenz seiner Fraktion im Zweifelsfall so zu reduzieren, dass die Stimmen der beiden Mandatare keinen Einfluss ausüben könnten. Seine Fraktion lehne diese Bundesregierung ab, noch mehr aber lehne man Mitglieder wie Kampl und Gudenus ab, weshalb man keine Abstimmung mit deren Hilfe gewinnen wolle. Konecny forderte die Regierungsfraktionen auf, diesem Kurs zu folgen, damit die Politik dieses Landes nicht mehr von braunen Flecken beschmutzt werde.
Bundesrat Peter Böhm (F) nannte Konecnys Vorschlag, Mitglieder des Hauses unter Quarantäne zu stellen, inhuman. Er wolle sich stattdessen mit dem verfassungsrechtlichen Aspekt befassen. Diese Vorlage sei eben eine Anlassgesetzgebung und in diesem Fall auch Maßnahmengesetzgebung, da es ja darum gehe, einen Mandatar von der Übernahme eines Vorsitzes abzuhalten, da er Aussagen getätigt habe, die heute nicht erwünscht seien. Dies sei fast eine Individualgesetzgebung, sprächen die Medien doch unverhohlen von einer "Lex Kampl".
Dennoch erscheine seiner Fraktion die vorgesehene Novelle in ihrem Gehalt durchaus sinnvoll, wenngleich man darauf hinweisen müsse, dass dieser legislative Akt relativ rückwirkenden Charakter habe, was er als problematisch ansehen müsse, sei dies doch mit dem Vertrauensschutz unvereinbar. Allerdings stehe für ihn auch außer Streit, dass hier ein breiter politischer Konsens bestehe, den auch seine Bundesratsfraktion aus staatspolitischer Verantwortung akzeptiere. Da er aber als Jurist verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesen Gesetzesentwurf habe, werde er, wie auch seine Kollegen, die unabhängig von ihm zur selben Ansicht gekommen seien, nicht an der Abstimmung über diese Vorlage teilnehmen, kündigte Böhm an.
Bundesrat Stefan Schennach (G) meinte hingegen, es gehe hier nicht um juristische Auseinandersetzungen, vielmehr müsse man sich mit dieser Frage politisch auseinandersetzen. So sei es notwendig, eine politische Notwehrmaßnahme zu ergreifen, um die "Oberhoheit des Gurker Stammtisches" zu verhindern, denn die Republik dürfe nicht von einem einzelnen in Geiselhaft genommen werde. Es sei unerträglich, dass die beiden Bundesräte seit zwei Monaten weiter in ihren Ämtern verblieben, überall sonst wäre ihr Rücktritt binnen weniger Stunden erfolgt.
Der Redner rekapitulierte das Verhalten der beiden Mitglieder und nannte Gudenus´ Verhalten die "Widerlichkeit zum Quadrat", weil dieser das Bedenkjahr bewusst zum Anlass nehme, um zu provozieren. Deshalb sei es notwendig, über Gudenus eine "geistige Quarantäne" zu verhängen. Über die in Rede stehenden Vorlage sei er nicht wirklich begeistert, doch ließe das Verhalten des Mandatars keinen anderen Weg zu, weshalb auch seine Fraktion diesem Entwurf die Zustimmung geben werde, um endlich einen Schlussstrich unter diese Causa ziehen zu können. Die Freiheitlichen forderte Schennach dazu auf, Gudenus aus ihrer Fraktion auszuschließen.
Bundesrat Jürgen Weiss (V) sagte, wenn die Republik in seltener Einmütigkeit zu einer Verfassungsänderung greife, sei dem eigentlich nichts hinzufügen. Gleichzeitig müsse er aber auch an die Verantwortung der Kärntner Sozialdemokraten erinnern, die Kampl seinerzeit gewählt hätten, wiewohl sie es hätten besser wissen müssen. Dies gelte im übrigen auch für die Koalition der Kärntner SPÖ mit dem dortigen BZÖ.
Weiss setzte sich mit der vorliegenden Verfassungsänderung im Detail auseinander und ging dabei auf die Auswirkungen auf den Bundesrat, dessen politische Stellung im Verfassungsgefüge er darlegte, ein.
Nach weiteren Wortmeldungen durch Bundesrat Wolfgang Schimböck (S) und Bundesrätin Eva Konrad (G), welche die Vorlage ebenfalls begrüßten, stimmte der Bundesrat einhellig dafür, gegen die Vorlage keinen Einspruch zu erheben. Die Mitglieder der F-Fraktion beteiligten sich nicht an der Abstimmung. (Schluss)