Parlamentskorrespondenz Nr. 564 vom 09.07.2004

REGIERUNGSPARTEIEN BESCHLIESSEN NEUE GESETZLICHE REGELUNG FÜR ORF

Morak im NR: Schritt zur Sicherung des Medienstandortes Österreich

Wien (PK) - Der Inhalt, noch mehr aber die Vorgangsweise beim Zustandekommen eines Mediengesetzes, bestimmte heute den Beginn der Debatte im Nationalrat. SP-Klubobmann Dr. CAP kritisierte die "unverständliche Eile" bei dem Gesetz, das nicht im Ausschuss diskutiert worden sei und das eine neue gesetzliche Regelung für den ORF bedeute. Schon jetzt gebe es ausreichende Kontrollmöglichkeiten; es seien daher weder der Inhalt der Novelle noch die Eile dabei verständlich. Cap, der eine wirtschaftliche Benachteiligung des ORF konstatierte, sieht in der Vorlage ein "eklatantes Misstrauensvotum" gegenüber ORF-Generaldirektorin Lindner. KommAustria und Bundeskommunikationssenat, die Cap als "Metternichbehörde" apostrophierte, könnten Druck auf den ORF ausüben, und dem werde jetzt auch noch materieller Druck hinzu gefügt.

Die SPÖ hätte es zwei Mal abgelehnt, aus der so genannten Metternichbehörde eine unabhängige Behörde zu machen, konterte Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V). Mit der Vorlage würden bundesweite Privatradios und damit eine wichtige Bereicherung der österreichischen Radiolandschaft ermöglicht. Lizenzen seien im Auslaufen, es brauche stabile Rahmenbedingungen, rechtzeitiges Agieren sei daher angezeigt, argumentierte Baumgartner-Gabitzer. Zudem gelte es, EU-Richtlinien umzusetzen. Der Opposition warf sie vor, selbst die Debatte im Ausschuss verhindert zu haben, weil sie sich gegen eine Ergänzung der Tagesordnung in der Sitzung des Verfassungsausschusses gestellt hätte.

Dies wies Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) zurück: Es sei "unglaublich", der Opposition die Verantwortung in die Schuhe schieben zu wollen. Die Koalition hätte Monate für eine Einigung gebraucht; Glawischnig stellte den Antrag, die Vorlage an den zuständigen Verfassungsausschuss rückzuverweisen. Inhaltlich zeigte sich die Mandatarin namens ihrer Fraktion offen, wobei sie allerdings die mangelhafte Vorbereitung kritisierte; so gebe es etwa keine Kostenschätzung für das vorgesehene Monitoring, auch sei die Basis für das Anzeigerecht der KommAustria nicht definiert, was stark nach politischer Intervention rieche.

Die Geschwindigkeit der Vorgangsweise ist auch nach Meinung von Abgeordneter Dr. BLECKMANN (F) nicht optimal, sie sei aber nach Ansicht von Experten wichtig. Das Anzeigerecht sei wichtig, meinte sie, und wies die Metternich-Assoziation zurück, indem sie es mit der Kontrolle der Gurtenpflicht verglich. Die Sozialdemokraten hätten heute erneut die Möglichkeit, für die Unabhängigkeit der Behörde zu sorgen, sagte Bleckmann, und brachte einen entsprechenden Entschließungsantrag ein. Außerdem legte sie einen V-F-Abänderungsantrag vor, der das Beschwerderecht von 120 Personen resp. gebührenzahlenden Haushalten normiert und die Verschlüsselung von Sendungen mit "unreflektierter Darstellung sexueller Handlungen" vorsieht.

Die Novelle der Mediengesetze lasse positive Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu, hielt Staatssekretär MORAK fest. Man hätte sich alle diese Auseinandersetzungen erspart, hätte nicht vor Jahrzehnten Bruno Kreisky einen Vorschlag des damaligen ORF-Generalintendanten Bacher abgelehnt, ORF via Satelliten auszustrahlen. Die Novelle stelle Orientierung im "Digitalisierungs-Dschungel" sicher, sagte Morak, der dafür einen wesentlichen Ansatz im Werbemarkt sieht. Die Novelle sei ein Schritt zur Sicherung des Medienstandorts Österreich.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S), der Obmann des Verfassungsausschusses, rekapitulierte zunächst die Geschichte: Es sei vereinbart gewesen, dass die Vorlage am 8. Juni von der Regierung beschlossen werde, und für den 29. Juni sei eigens dafür eine Sitzung des Verfassungsausschusses einberufen worden. Am 28. Juni habe es einen Initiativantrag gegeben, von dem aber weder ein Gesetzestext noch ein Deckblatt vorgelegen seien, was Wittmann als parlamentarisch unüblich wertete. Scharf wandte er sich dagegen, die Kontrollbehörde zuerst mit "Günstlingen" der Regierung zu besetzen, um sie dann als unabhängige Behörde zu statuieren.

Abgeordnete MACHNE (V) verteidigte die Novelle mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit von Planungssicherheit für die Privatradios. Im Verfassungsausschuss sei keine Abstimmung, sondern nur Diskussion beabsichtigt gewesen. An die Sozialdemokraten appellierte sie, über ihren Schatten zu springen und der Vorlage zuzustimmen.

Staatssekretär MORAK meldete sich ein zweites Mal zu Wort, um den von Abgeordnetem Dr. Wittmann verwendeten Begriff "Günstlinge" scharf zurück zu weisen. Der Leiter der KommAustria sei ein unabhängiger Richter im VwGH, betonte Morak.

Sie würde sich nie dazu versteigen, unabhängige Richter zu maßregeln, stellte Abgeordnete Mag. STOISITS (G) klar. Es gehe in der Frage aber nicht um die Integrität von Personen, sondern um die Unabhängigkeit einer Behörde, und die betreffenden Personen gelte es vor Druck zu schützen: "Die sollten gar nicht in die Situation kommen, sich darüber Gedanken machen zu müssen, ob sie dem Druck standhalten können", betonte Stoisits. Die von der Koalition eingeschlagene Vorgangsweise nannte sie "haarsträubend, dem Parlamentarismus widersprechend" und eine "Desauvouierung der Opposition". Zum Abänderungsantrag bemerkte sie, sie sei sehr einverstanden mit dem Verschlüsselungsgebot bei der Darstellung sexueller Handlungen; Ähnliches sei aber auch bei Gewaltdarstellungen angezeigt. Genau über diese Fragen aber wäre eine umfassende Debatte im Ausschuss vonnöten.

Abgeordneter Dr. BÖHMDORFER (F) erinnerte daran, dass noch Mitte der neunziger Jahre der ORF über ein unangefochtenes Monopol verfügte und dieses erst durch ein Erkenntnis der EuGH abgeschafft werden musste. Seither und auch mit der heutigen Novelle habe man riesige Schritte in Richtung Liberalisierung und Meinungsäußerungsfreiheit gemacht, dies könne man aber nicht gleich setzen mit dem freien Empfang. Durch das Objektivitätsgebot habe sich der ORF an bestimmte Rahmenbedingungen zu halten und müsse allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen. Böhmdorfer unterstrich die Wirtschaftsmacht der Medien im Werbebereich und meinte, es sei zulässig, dass auch in dieser Hinsicht der ORF überprüft werde. Die vorliegenden Änderungen stellen laut Böhmdorfer ein Angebot an die Opposition dar, die KommAustria weisungsfrei zu stellen, offensichtlich wolle das die Opposition jedoch nicht. Abschließend ging Böhmdorfer auf die Popularbeschwerde ein und meinte, dass in dieser Hinsicht eine Erleichterung erfolge. 300 Unterschriften von LizenznehmerInnen einzuholen, sei schwierig gewesen, nun bedürfe es lediglich 120 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern, wobei nur ein Lizenznehmer im Haushalt notwendig sei.

Abgeordneter PRÄHAUSER (S) kritisierte, dass das Gesetz nur mangelhaft den Bedürfnissen der Radiobetreiber entspreche. Grundsätzlich sei die Möglichkeit überregionaler Zusammenschlüsse positiv zu bewerten, das Gesetz stärke aber die "zweieinhalb großen Betreiber" und die kleinen blieben übrig. Durch die Möglichkeit für die Großen, lokale Werbefenster zu schaffen, komme es zu einer Existenzbedrohung für die Kleinen. Von ihnen könne man daher auch nicht die Ausbildung junger Leute erwarten. Prähauser nimmt daher an, dass eine Novellierung bald wieder nötig sein werde.

Abgeordnete TURKOVIC-WENDL (V) stellte fest, dass sich der ORF immer an der BBC orientiert habe, und den ORF zeichne in der Vergangenheit bis heute ungeheure Qualität aus. Der ORF brauche daher keine Konkurrenz zu scheuen, weshalb sie für eine Öffnung plädiere. Mit der vorliegenden Novelle werde nicht nur eine EU-Richtlinie umgesetzt, es werde auch Wettbewerbsgleichheit geschaffen und ein entscheidender Reformschritt in der Medienlandschaft in die Wege geleitet.

Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) wies darauf hin, dass die Medien im allgemeinen und insbesondere die Unterhaltungssendungen eine der wichtigsten Bildungsquellen darstellten. Viele junge Menschen und vor allem auch Kinder seien in großem Ausmaß von synthetischen Welten umgeben, woraus den Medienmachern und jenen, die die Rahmenbedingungen schaffen, eine große Verantwortung erwüchse. Dies müsse man auch vor dem Hintergrund der notwendigen Wirtschaftlichkeit sehen. Grossmann bewertete zwar die verschlüsselte Ausstrahlung pornographischer Sendungen als positiv, sie hält es aber auch für wünschenswert, Gewaltverherrlichungen in das Gebot der Verschlüsselung mit einzubeziehen. Allgemein hofft sie, dass sich der ORF seiner Vorbildwirkung bewusst ist, den Quotenwettlauf nicht mitmacht und den bis jetzt zufrieden stellenden Weg nicht verlässt. Grossmann bezweifelt aber, dass die Kontrollmöglichkeiten ausreichend gestaltet sind. Abschließend bedauerte sie die aus ihrer Sicht mangelnde Förderung freier und nicht kommerzieller Radios.

Für Abgeordneten PRASSL (V) stellen die in Diskussion stehenden Änderungen einen wesentlichen Reformschritt und eine Bereicherung für die österreichische Medienlandschaft dar. Die rasche parlamentarische Vorgangsweise rechtfertigte er damit, dass eine spätere Beschlussfassung höchst problematisch wäre. Dies nicht nur deshalb, weil man sonst ein Vertragsverletzungsverfahren riskiere, sondern auch, weil man privaten Anbietern rasch mehr Chancen bieten wolle, landesweit auszustrahlen.

Abgeordneter Mag. DARABOS (S) bezeichnete es als "traurig und beschämend", dass die Opposition in einer derart hochsensiblen und demokratisch wichtigen Materie nicht eingebunden war. Offenbar, so Darabos, wolle die ÖVP den ORF noch mehr in Geiselhaft nehmen. Durch die wirtschaftliche Zwangsjacke gefährde die ÖVP die Überlebenschancen des ORF. Darabos ortete eine enorme politische Einflussnahme und mutmaßte, dass es ein "schwarzes Telefon" zwischen Klubobmann Molterer und Mück gebe. Die SPÖ stimme dem Gesetz auch deshalb nicht zu, weil das gesamte ORF-Gesetz schlecht und die Regierung wieder in Richtung "Speed kills" unterwegs sei. Die SozialdemokratInnen träten daher für eine Rückverweisung ein.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) kündigte an, dass die Grünen dem ÖVP-FPÖ-Entschließungsantrag betreffend Unabhängigkeit der KommAustria zustimmen werden. Gleichzeitig stellte sie klar, dass die Grünen für die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der KommAustria seien, deren Struktur aber schlecht sei und eine starke Regierungslastigkeit aufweise. Das Gesetz selbst müssten die Grünen daher ablehnen.

Bei der Abstimmung wurde der Rückverweisungsantrag der SPÖ mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ mehrheitlich abgelehnt.

Der Gesetzesvorschlag selbst wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungs- und Zusatzantrages der Regierungsfraktionen mehrheitlich von ÖVP und FPÖ angenommen.

Der FPÖ-ÖVP-Entschließungsantrag betreffend die Unabhängigkeit der KommAustria wurde mehrheitlich von ÖVP, FPÖ und Grünen angenommen.

(Forts.)