ÖVP-FPÖ SEHEN SICH BEI DER GLEICHBEHANDLUNG AUF DEM RICHTIGEN WEG
Grüne üben Kritik, SPÖ ist gesprächsbereit
Wien (PK) – Im Gleichbehandlungsausschuss kamen dann die PolitikerInnen zum Wort. Nach Ansicht von Abgeordneter Brigid Weinzinger (G) scheint die Forderung nach einheitlicher Regelung des Diskriminierungsschutzes nicht verwirklicht zu sein. Sie wünschte von Auskunftspersonen deren Meinung zur Gewährleistung eines effizienten Diskriminierungsschutzes zu hören.
Abgeordneter Walter Posch (S) erinnerte daran, dass es seinerzeit mit der ÖVP nicht möglich war, ein einheitliches Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden; es habe eines externen Anstoßes der EU bedurft, damit die Regierung aktiv werde. Seine Kritik bezog sich u.a. auf das Fehlen von klaren Definitionen, auf die fehlende klare Trennung der Geschlechterdiskriminierung von anderen Formen der Diskriminierung.
Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler (V) richtete an die Gleichbehandlungsanwältin die Frage nach Sanktionen bei sexueller Belästigung und wollte die Meinung von Ritzberger-Moser zu den Beweislastregeln erfahren.
Abgeordnete Terezija Stoisits (G) meinte, das Ergebnis eines bereits 1998 begonnenen Prozesses seien nun die beiden Gesetze, „von Mutlosigkeit geprägte, typisch blau-schwarze Regierungsvorhaben“, die kaum etwas bringen und die Frauenfrage „tief beschädigen“.
Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) hofft darauf, dass in weiterer Folge die Experten, die von einer Nicht-EU-Konformität sprechen, gehört werden.
Abgeordnete Gertrude Brinek (V) sah das Gleichbehandlungsgesetz auf dem richtigen Weg, es werde Probleme lösen, die Österreich schon lange lösen wolle. Die Fragen der Abgeordneten bezogen sich auf die Senate der Gleichbehandlungskommission, die Verfassungsmehrheit und die Weisungsfreiheit der Gleichbehandlungsbeauftragten.
Abgeordnete Ridi Steibl (V) bat die Vertreter der NGOs, bekannt zu geben, welchen Status sie haben wollen.
Abgeordnete Mares Rossmann (F) unterstrich, dass die Gleichbehandlung einen Schwerpunkt in der Arbeit der Bundesregierung darstelle, und wies auf die aus ihrer Sicht klaren Zielsetzungen des Gesetzentwurfs hin.
Abgeordnete Barbara Prammer (S) zeigte sich seitens der SPÖ an Gesprächen interessiert, machte aber zugleich darauf aufmerksam, dass es für ihre Fraktion auch um die Änderung materiellen Rechts gehe.
DIE STELLUNGNAHMEN DER FRAKTIONSEXPERTEN
Mag. Birgit Weyss (Boltzmann-Institut für Menschenrechte, nominiert von den Grünen) hielt fest, dass die Wirksamkeit des Gesetzes davon abhängen werde, ob es auch angewendet werde. Wichtig wäre es, der Gleichbehandlung auch im Privatrecht zum Durchbruch zu helfen, dabei sah die Expertin Probleme - wegen des hohen Prozessrisikos und der Scheu vieler Opfer, sich nach einer Diskriminierung zu deklarieren. NGOs sollten das Recht erhalten, sich an Verfahren zu beteiligen, um Musterprozesse durchfechten zu können. Bedeutsam seien auch wirksame Sanktionen - es müsse unwirtschaftlich werden, zu diskriminieren.
Irene Slama (Staatssekretariat für Familie, Generationen und Konsumentenschutz, nominiert von der FPÖ) unterstrich das Ziel, dazu beizutragen, Diskriminierung erst gar nicht entstehen zu lassen. Mit Nachdruck betonte die Expertin die Notwendigkeit, Gleichbehandlungsprinzipien auf Fragen des Alters auszudehnen.
Mag. Volker Frey (Wiener Integrationsfonds, nominiert von der SPÖ) kritisierte, dass die Regierungsvorlagen kein einheitliches Antidiskriminierungsgesetz darstelle, Behinderte seien beispielsweise ausgenommen. Weiters klagte der Experte über mangelnde Klarheit des Entwurfs und das Fehlen positiver Maßnahmen. Schließlich brachte er personelle Defizite bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft zur Sprache.
Mag. Iris Woltran (Volkshilfe Österreich, SPÖ) bedauerte, dass Vertreter der Zivilgesellschaft nicht in die Senate einbezogen seien, einen umfassenden Ansatz gegen Diskriminierungen konnte er nicht erkennen. Es würden nur die Mindestanforderungen der EU umgesetzt und zugleich Verschlechterungen zu Lasten der Frauen in Kauf genommen. Für dringend erforderlich hielt Woltran Maßnahmen gegen die Altersdiskriminierung in den Bereichen Mobilität, Bauen und Wohnen.
Rechtsanwältin Dr. Helga Wagner (nominiert von der ÖVP) sah die Privatwirtschaft vor der Aufgabe stehen, ihre Beschäftigungspolitik diskriminierungsfrei zu gestalten. An die NGOs richtete die Expertin die Frage, wie sie ihren Status konkret ausgestaltet sehen möchten.
Christine Gubitzer (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, nominiert von der ÖVP) bekannte sich dazu, den Frauen im Öffentlichen Dienst gute Vertretungen von der Kontaktfrau bis zur Gleichbehandlungsanwältin zur Verfügung zu stellen. Gubitzer betonte auch die Bedeutung der Beweislastverlagerung, plädierte für Prävention und wollte sicher gestellt sehen, dass Frauen in Führungsebenen bei Umstrukturierungen nicht wegrationalisiert werden.
AUS DEN ABSCHLUSSSTATEMENTS DER AUSSCHUSSEXPERTEN
Zum Abschluss des Hearings gingen die Ausschussexperten in kurzen Statements auf Detailfragen ein, die während der mehrstündigen Beratung aufgetaucht waren. Dabei ging es unter anderem um die Verjährungsbestimmungen (Univ.-Prof. Dr. Beatrix Karl) und um die Frage, wie die NGOs in die Bemühungen gegen Diskriminierungen einbezogen werden sollen. Dabei machte Mag. Dieter Schindlauer darauf aufmerksam, dass Diskriminierungen der Volkswirtschaft viel Geld kosten und es daher ökonomisch sinnvoll sei, Geld für den Kampf gegen die Diskriminierung aufzuwenden.
Dr. Anna Ritzberger-Moser sah der Beweislastumkehr durch den Entwurf Rechnung getragen und plädierte dafür, die NGOs im Sinne der Richtlinie einzubeziehen.
Mit den aufgeworfenen Verfassungsfragen befassten sich zunächst Ministerialrat Mag. Wolf-Dietrich Böhm und dann Dr. Brigitte Hornyik, die darauf aufmerksam machte, dass der Verfassungsgerichtshof letztlich auch dort zu entscheiden habe, wo der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eine andere Auffassung vertrete. Hornyik plädierte für ein Verbandsklagerecht der NGOs.
Dr. Ingrid Nikolay-Leitner erläuterte die vorgesehene Strafbarkeit sexueller Belästigungen, wobei sie auf unterschiedliche Zielsetzungen zwischen einem Antidiskriminierungsgesetz, das auf Diskriminierungsfreiheit gerichtet sei, und dem Strafrecht, das auf die Verurteilung von Tätern ziele, aufmerksam machte.
Dr. Di-Tutu Bukasa wies darauf hin, dass Österreich seit seinem EU-Beitritt kein Nationalstaat mehr sei und Diskriminierungen daher verfassungswidrig seien. Um den Menschen den Zugang zu ihrem Recht auf Diskriminierungsfreiheit zu sichern, sei es wichtig, ihre Rechte in der Realität durchsetzbar zu machen.
Dr. Christoph Kainz zeigte sich seitens der Wirtschaft an raschen und fairen Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission interessiert.
Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner erinnerte daran, dass die EU-Richtlinie Mindestanforderungen stelle, es aber nicht verboten sei, mehr zu tun. Graupner klagte, dass nicht alle Klassen von Diskriminierten berücksichtigt werden, und sah Verschlechterungen bei der Beweislastumkehr.
Dr. Alice Karrer-Brunner hielt es für wichtig, der Gleichbehandlungskommission die Möglichkeit zu geben, durch Öffentlichkeitsarbeit an der Bewusstseinsbildung mitzuwirken.
Mag. Martina Thomasberger machte darauf aufmerksam, dass die Umsetzung der Richtlinie von der EU sehr genau überprüft werde, und schlug vor, das Gesetz so zu sanieren, dass die Gleichbehandlungskommission ihre Schlichtungsfunktion wahrnehmen könne.
Dr. Alix Frank-Thomasser meinte, dass es dem Gesetzentwurf wegen der hohen Prozessschwelle und der Kostenproblematik an Durchsetzungskraft fehle.
Dr. Silvia Ulrich bezeichnete es als notwendig, die Schutzbestimmungen für Universitätsangehörige den neuen Bedingungen nach der Ausgliederung der Universitäten anzupassen.
Der Gleichbehandlungsausschuss beschloss einstimmig, die Beratungen bis 22. April 2004 zu vertagen. (Schluss)