Parlamentskorrespondenz Nr. 396 vom 04.06.2003

DRINGLICHE DER GRÜNEN ZUR FRAGE DER POLITIKERPENSIONEN

Wien (PK) - Die Pensionsreform, diesfalls in Gestalt der von den Regierungsfraktionen geplanten Regelung für Politiker, stand im Mittelpunkt der Debatte im Zusammenhang mit einer von der Fraktion der Grünen eingebrachten Dringlichen Anfrage. Die Anfrage war an den Bundeskanzler gerichtet und betrifft "gebrochene Versprechen und fehlende Harmonisierung bei den PolitkerInnenpensionen".

Abgeordneter ÖLLINGER (G) begründete die Dringliche Anfrage damit, dass die versprochene Harmonisierung hinsichtlich der Bezügeregelungen für PolitikerInnen nicht passiere. Immer wieder hätte man von Regierungsseite erklärt, was für das ASVG gelte, werde auch für Politikerpensionen gelten. Nun aber würden bis 2017 diejenigen, die unter den alten Bedingungen in Pension gehen können, auch in den Genuss der alten Bedingungen des Bezügegesetzes kommen. Damit seien die Freiheitlichen komplett umgefallen, sagte Öllinger. Der vorliegende Abänderungsantrag habe von der Trägerrakete lediglich Ballast abgeworfen, die gut ausgestattete Frühpensionsregelung bleibe aufrecht und die Politikerpensionen seien weiterhin gut ausgestattet. Abschaffen werde man lediglich die Doppelpensionen aus einem Beitrag, was sicherlich eine Ungeheuerlichkeit des bisherigen Gesetzes gewesen sei, stellte der Abgeordnete fest. Mehr geschehe nicht. Im Gegensatz zum ASVG, wo es in Hinkunft einen Steigerungsbetrag von 1,78 % geben werde, um nach 45 Jahren Arbeit 80 % des Lebensdurchschnittseinkommens zu erhalten, müsse ein Politiker nur neun Jahre als Minister tätig sein, um 80 % des Bezuges zu erhalten, kritisierte Öllinger. Damit werde das alte System fortgeschrieben.

Öllinger prangerte daraufhin unter Nennung einiger Beispiele die Möglichkeit nach der alten Pensionsregelung an, mehrere Pensionsbezüge zu erhalten. Der Mandatar räumte ein, dass es nicht so viele seien, die in den Genuss des alten Systems kämen, und nannte in diesem Zusammenhang die VP-Abgeordneten Fasslabend und Stummvoll. In Anbetracht der Pensionskürzungen sei dies jedoch ein "Chuzpe", und ein Abschlag von lediglich 15 % "unverantwortlich". Seiner Meinung nach müsse man aus dem Bezügegesetz aussteigen und alle sofort in das ASVG überführen.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL nannte die Kritik Öllingers überholt und stellte fest, dass man mit dem Abänderungsantrag das getan habe, wie es der Sensibilität der Materie absolut entspreche. Von gebrochenen Versprechen könne keine Rede sein. So werde das Pensionsantrittsalter für PolitikerInnen im alten System um achteinhalb Jahre erhöht, in der Zwischenstufe um dreieinhalb Jahre und für die, die 1997 eingetreten seien, gebe es überhaupt keine Politikerpensionen mehr. Schüssel präzisierte, dass das Pensionsalter für Politikerinnen auf 65 angehoben werde, dass es für alle die gleichen Abschläge von 4,2 % geben werde, wenn das gesetzliche Alter noch nicht erreicht ist, dass Doppelanrechnungen in Hinkunft wegfielen und dass von den bereits in Pension befindlichen PolitikerInnen ein spürbares Solidaropfer verlangt werde, nämlich 8 % für Bezüge unter dem ASVG-Höchstbezug und 15 % kumulierend für alle darüber liegenden Bezüge. Mit dieser Lösung könne man gut vor der kritischen Öffentlichkeit bestehen, sagte Schüssel abschließend.

An dieser Antwort des Bundeskanzlers übte Abgeordneter Dr. PILZ (G) scharfe Kritik, weil dieser nicht auf die einzelnen Fragen geantwortet, sondern auf seine Erstpräsentation hingewiesen habe. Auch für Pilz hat der vorliegende Abänderungsantrag die Versprechungen, ein System für alle zu schaffen und vergleichbare Opfer zu verlangen, nicht gehalten. Der Bundeskanzler habe nicht das Recht, so Pilz, den BürgerInnen in die Tasche zu greifen und die eigenen Taschen zuzunähen. Während andere bis zur Armutsgrenze heruntergekürzt würden, reichten bei PolitikerInnen neun Jahre, um die volle Pension zu bekommen. Man habe versprochen, im politischen Selbstbedienungsladen aufzuräumen, herausgenommen habe man jedoch nur ein Regalbrett.

Pilz bestätigte, dass die Grünen im Jahr 1997 der Reform für die zukünftige Bezügeregelung zugestimmt haben. Heute, wo die Regierung daran gehe, den Vertrauensgrundsatz zu brechen, halte er es für angebracht, auch die PolitikerInnen dem selben Pensionssystem zu unterwerfen. Die BürgerInnen seinen durchaus bereit für eine Pensionsreform, wenn diese helfe, das System zu sichern. Die Akzeptanz werde aber nur da sein, wenn die PolitikerInnen mit guten Beispiel vorangehen. Diese Chance sei aber vertan worden, bedauerte Pilz. Die Abgeordneten Fasslabend und Stummvoll bezeichnete Pilz als neue Politik-Pensionisten und er warf Vizekanzler Haupt und Landeshauptmann Haider vor, umgefallen zu sein.

Abgeordneter Dr. TRINKL (V) hielt demgegenüber fest, dass die Regierungsfraktionen mit dem Abänderungsantrag ihren Auftrag erfüllt hätten. Er wies eindringlich darauf hin, dass es seit 1997 keine Politikerpensionen mehr gibt. Worüber man heute diskutiere, seien Übergangsbestimmungen für PolitikerInnen, die 1997 bereits Ansprüche erworben hätten. Der Vertrauensgrundsatz müsse für alle gelten, auch für PolitikerInnen, sagte Trinkl und wandte sich dagegen, aus populistischen Gründen PolitikerInnen schlecht zu machen und sich über gesetzliche Bestimmungen hinwegzusetzen. Die Bestimmungen des Bezügegesetzes seien auch verfassungsrechtlich abgesichert, und da eine Einigung bislang nicht möglich gewesen sei, habe man nun vorgelegt, was einfachgesetzlich regelbar sei. Trinkl unterstrich, dass lediglich bei den PolitikerInnen in bestehende Pensionen eingegriffen werde und der 15%-ige Abzug einen wesentlichen Einschnitt darstelle. Insgesamt müssten laut Abänderungsantrag PolitikerInnen sechs gravierende Einschnitte hinnehmen.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter ÖLLINGER (G) klar, dass das alte Bezügegesetz 1972 von SPÖ, ÖVP und FPÖ beschlossen worden sei. Die Grünen hätten im Jahr 1997 an der Erarbeitung des Bezügebegrenzungsgesetzes mitgewirkt und dieses auch mitbeschlossen, sie hätten aber in zweiter Lesung gegen die Übergangsbestimmungen im Bezügegesetz gestimmt.

Abgeordneter Dr. CAP (S) wies darauf hin, dass es mit der Regelung von 1997 erstmals gelungen sei, eine Bezügepyramide einzuführen, wodurch es jedem einsichtig wurde, wer auf welcher Ebene welches Einkommen bezieht. Letztlich habe sich herausgestellt, dass hier noch einige Korrekturen anzubringen seien, etwa bei der Fortzahlung nach Ausscheiden aus einem Amt. Auch das Antrittsalter von 65 Jahren soll Politiker betreffen und der Solidarbeitrag sei ein guter Vorschlag, weil er signalisiere, dass man es ernst meine. Nicht einverstanden zeigte sich Cap damit, dass weiterhin Pensions- und Aktivbezüge gleichzeitig bezogen werden können. Er hoffe auf weitere Gespräche, da es nach Ansicht der SPÖ für PolitikerInnen keine Extrawürste geben sollte.

Cap nützte die Diskussion um die Politikerbezüge auch dazu, grundsätzliche Überlegungen anzustellen, da bei derartigen Diskussionen immer die Frage mitschwinge, was Abgeordnete wert seien. Cap meinte daher, dass man darüber diskutieren müsse, ob man eine professionelle Funktionsausübung wolle oder nicht. Es habe Phasen gegeben, wo man sich um diese Frage herumgedrückt habe, und die Schuld liege bei den PolitikerInnen selbst, wenn viele Menschen glauben, dass die Tätigkeit hier nichts wert sei. Demgegenüber sei das Parlament immer mehr ein Arbeitsparlament geworden, weshalb man nun auch über die eigenen Arbeitsbedingungen nachdenken müsse, bis hin zum Verfassungsdienst für das Parlament und zum Wahlsystem. Der SPÖ-Klubobmann hält es für verfehlt, nur über die Politikerbezüge zu reden, vielmehr müsse man alles mit einbeziehen, denn es sei Vorsicht geboten, wenn sich PolitikerInnen während ihrer Tätigkeit bereits überlegen müssten, auf welche Pay-Liste sie kommen werden. Cap sprach dabei die Tatsache an, dass einige PolitikerInnen in den Betrieb von Frank Stronach gewechselt sind oder ein Rückkehrrecht dorthin besitzen.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) zeigte sich irritiert über die Änderung des Abgeordnetenstatuts für EU-Parlamentarier, durch die ein Pensionsalter von 60 Jahren festgelegt wurde. Wenn man bei uns das Antrittsalter auf 65 Jahre anhebt, dann sollte dies auch für die EU-Parlamentarier gelten, meinte sie und kritisierte das Abstimmungsverhalten der ÖVP- und SPÖ-Mandatare in Straßburg. Zu den österreichischen Politikerpensionen bemerkte Bleckmann, mit dem Solidaritätsbeitrag von 15 % habe man das Machbare durchgesetzt. Die Angleichung des Pensionsalters für Politiker an jenes aus dem ASVG-Bereich, die Abschaffung der Doppelbezüge und letztlich den Solidaritätsbeitrag verbuchte Bleckmann dabei als Erfolge der FPÖ.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) forderte in einem Entschließungsantrag den Bundeskanzler auf, eine laufende Statistik über die erworbenen Anwartschaften und Ansprüche sowie über Auszahlungen nach dem Bezügegesetz zu führen und darüber jährlich dem Nationalrat zu berichten. Das vorliegende Modell der Politikerpensionen bezeichnete Moser als Blamage, zumal, wie sie sagte, die alten Politikerprivilegien unter dem Titel des Vertrauensgrundsatzes aufrecht erhalten werden.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) qualifizierte hingegen das Modell der Politikerpensionen als weiteren Schritt in die richtige Richtung und meinte, die heute gezeigte ablehnende Haltung der SPÖ sei in der Öffentlichkeit nicht mehr zu vertreten.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) wiederholte mit Nachdruck die Kritik seiner Fraktion am Vertrauensschutz für die alten Politikerpensionen. Den Regierungsfraktionen hielt er vor, mit ihrer Vorgangsweise ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) erinnerte, die Forderung der FPÖ nach einem Optionsrecht auf Umstieg in das neue System sei nicht verhandelbar gewesen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei es nicht möglich, in bereits erworbene Ansprüche einzugreifen, auch wenn dies bedauerlich sei, sagte Scheibner.

Abgeordneter Jakob AUER (V) wies den Vorwurf der Politikerprivilegien zurück und meinte, er sei zwanzig Jahre Parlamentarier und bezahle monatlich 1.497 € Pensionsbeiträge. Bereits pensionierte Abgeordnetenkollegen würden nach dem vielfach kritisierten alten System bloß zwischen 1.200 und 1.300 € netto an Pension beziehen, rechnete er vor. Der vorliegende Antrag beseitige Unebenheiten, die zu beseitigen sind, und sei wesentlich restriktiver als die deutsche Regelung, gab Auer zu bedenken. Auf die Ausführungen von Abgeordnetem Cap Bezug nehmend, sprach sich Auer für eine grundsätzliche Debatte über die Arbeitsbedingungen der Abgeordneten aus.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) deponierte in seiner Wortmeldung abermals Kritik am alten System der Politikerpensionen.

Bei der Abstimmung blieb der Entschließungsantrag der Grünen in der Minderheit.

PLENUM DES NATIONALRATS SETZT DEM BUDGETAUSSCHUSS FRIST 6. JUNI

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) begründete den Fristsetzungantrag mit dem Argument, nach den zahlreichen inhaltlichen Zugeständnissen der Regierungsparteien in den letzten Wochen müsse die Diskussion nun einmal zu Ende sein, zumal ja auch, wie er sagte, keine neuen Vorschläge mehr kommen. Nur zu fordern "drei Monate später" sei zu wenig, meinte Stummvoll an die Adresse des ÖGB gerichtet.  

Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) konnte den Ausführungen seines Vorredners kein Argument für eine Fristsetzung bei den Verhandlungen zum Budgetbegleitgesetz entnehmen. Zu kritisieren sei, dass dieses Gesetz eine Reihe von Maßnahmen enthalte, die nichts mit den Budgets für die Jahre 2003 und 2004 zu tun haben. Die ÖVP wolle offenbar die Gunst der Stunde nützen, in der die FPÖ zustimme, um dem Bundeskanzler rasch einen Blankoscheck zu verschaffen, ehe ein "neues Knittelfeld oder wie immer es dann heißt, stattfinden wird".

Die Aussage des Abgeordneten Matznetter, mit dem Abänderungsantrag zu den Politikerpensionen würde eine Frühpension für Politiker eingeführt, wies Abgeordneter SCHEIBNER (F) vehement zurück und stellte klar, dass für Politiker analoge Bestimmungen zum ASVG vorgesehen seien. Als noch junger Abgeordneter wisse Matznetter nicht, dass Budgetbegleitgesetze in der Zeit der Regierungsverantwortung seiner Fraktion in einer Form verhandelt wurden, die für die Opposition wesentlich unangenehmer gewesen sei, als dies nun der Fall sei. "Es gab genügend Zeit, um dieses Gesetz im Ausschuss und im Plenum zu beraten, und es wird genügend Zeit geben, den dazu vorliegenden Abänderungsantrag zu beraten", zeigte sich der FP-Klubobmann überzeugt.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) sprach hingegen von einem Tiefpunkt des Parlamentarismus, da die Regierungsparteien planten, das Budgetbegleitgesetz in der Fassung eines Abänderungsantrages zu beschließen, der dem Ausschuss bisher nicht vorgelegt wurde und über den daher nicht beraten werden konnte. "Sie vertreten nicht die Bevölkerung, Sie haben Ihre Verantwortung an der Garderobe Ihrer  Parteizentrale abgegeben und freuen sich über Fristsetzungen im parlamentarischen Prozess. Das ist für einen Abgeordneten inakzeptabel", sagte Abgeordneter Kogler in Richtung FPÖ und ÖVP.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) hielt die Aufregung des Abgeordneten Kogler für völlig unverständlich, erinnerte an die vielen langen Ausschussberatungen sowie daran, dass die Pensionsreform bereits ein Hauptthema der Regierungsverhandlungen gewesen sei. Seit Monaten werde diese Reform überdies in der Öffentlichkeit breit debattiert. "Nun ist der Zeitpunkt der Entscheidung gekommen. Die Bürger haben ein Recht darauf, zu erfahren, wie sich die Pensionsreform auswirken wird."

Bei der Abstimmung wurde der Fristsetzungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsparteien angenommen. (Schluss)