Parlamentskorrespondenz Nr. 817 vom 26.11.2001

MORIZ VON KAISERFELD - DER ERSTE GEWÄHLTE PRÄSIDENT DES REICHSRATS

Wien (PK) - Zwischen den Standbildern Anton Ritter von Schmerlings und Franz Smolkas hat in der Rampendurchfahrt die Büste Moriz von Kaiserfelds ihren Platz gefunden. Der Steirer gehörte dem Abgeordnetenhaus von 1861 bis 1872 an und war im Jahr 1868 der erste Reichsratspräsident, der nicht vom Kaiser ernannt, sondern auf Grund der Dezemberverfassung von 1867 aus der Mitte der Abgeordneten gewählt wurde. Kaiserfeld galt als konservativer Liberaler, der die Grundsätze der Verfassung und des Parlamentarismus zeitlebens mit Entschiedenheit vertrat, als Autor des "Ausseer Programmes" der steirischen Autonomisten von 1866 aber zu einem Wegbereiter des Deutschnationalismus in Österreich wurde. Verdienste erwarb sich Kaiserfeld als steirischer Landespolitiker beim Ausbau der Hochschulen, bei der Errichtung von Volksschulen sowie bei der Modernisierung des Verkehrs- und des Sozialwesens. Nach seinem Ausscheiden aus dem Abgeordnetenhaus berief Kaiser Franz Joseph Moriz von Kaiserfeld auf Lebenszeit in das Herrenhaus.

Moriz von Kaiserfeld wurde am 24. Jänner 1811 auf Schloss Mannsberg bei Pettau in der heute zu Slowenien gehörenden Untersteiermark geboren. Nach philosophischen sowie staats- und rechtswissenschaftlichen Studien an der Universität Graz trat Kaiserfeld im Jahr 1835 auf der Gutsherrschaft Thannhausen das Amt eines Justiziars an und verwaltete das dortige Patrimonialgericht. Im selben Jahr übernahm er auch die Verwaltung der Herrschaft Birkenstein, deren verwitwete Besitzerin, Gräfin Marie Menneville, Moriz von Kaiserfeld im Jahr 1838 heiratete.

1848 wurde Kaiserfeld in den verstärkten Landtag der Steiermark berufen und engagierte sich für die von Hans Kudlich im Reichstag beantragte und Ende August/Anfang September 1848 beschlossene Grundentlastung. Entschieden liberal in Fragen der Verfassung und des Parlamentarismus vertrat Kaiserfeld in der Gesellschaftspolitik konservative Positionen und distanzierte sich daher vom "Radikalismus" der Wiener Revolutionäre.

Von Jänner bis April 1849 vertrat Kaiserfeld die Stadt Graz in der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Nach dem Staatsstreich vom 7. März 1848, der auch den Auszug der Österreicher aus dem Frankfurter Parlament zur Folge hatte, arbeitete Kaiserfeld als Experte an der Ausarbeitung der Grundentlastungsgesetze mit. Politisch blieb der Konstitutionalist Kaiserfeld während der Jahre des Neoabsolutismus im Hintergrund.

Nach der Rückkehr zum Parlamentarismus wurde Kaiserfeld 1861 in den steirischen Landtag gewählt, übernahm zugleich die Funktion des Landeshauptmann-Stellvertreters und wurde bald auch in den Reichsrat entsandt. Dort bewies Kaiserfeld politischen Weitblick, als er Außenminister Rechberg kritisierte, der sich 1863/64 in der schleswig-holsteinischen Frage vom preußischen Ministerpräsidenten Bismarck an die Seite Preußens und in einen Krieg gegen Dänemark ziehen ließ. Kaiser Franz Joseph und sein Außenminister bemerkten damals nicht, dass sie Preußen in den ersten der drei Kriege folgten, die die Hohenzollern schließlich zur Kaiserkrönung in den Spiegelsaal von Versailles führen sollten. Streit bei der Verwaltung Holsteins lieferte Bismarck dann den Vorwand für den zweiten - nun gegen Österreich geführten - Krieg, der in der Katastrophe von Königgrätz gipfelte, die Führungsrolle Österreichs in Deutschland beendete und den Weg für die deutsche Einigung unter preußischer Vormacht frei machte. Eine Einigung, die nicht auf verfassungsmäßigem, parlamentarischem Weg erfolgte, denn, so Bismarck im Jahr 1862, "nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen –, sondern durch Eisen und Blut."

Als Vertreter des Verfassungsprinzips war Kaiserfeld gegen die Sistierung der Februarverfassung im Jahr 1865 und opponierte der Regierung Belcredi. Als Ministerpräsident Beust nach dem Scheitern Belcredis die Regierung im Jahr 1867 wieder in verfassungsmäßige Bahnen lenkte, war Kaiserfeld als Kandidat für ein Ministeramt im Gespräch. Mit Beust verband Kaiserfeld das Ziel eines Ausgleichs mit Ungarn, für den er sich seit 1865 auch im persönlichen Kontakt mit ungarischen Politikern einsetzte. Kaiserfeld gehörte auch der Ausgleichsdeputation und deren "kleinem Komitee" an, war Obmann des Ausschusses für den finanziellen Ausgleich und Vizepräsident der Delegation des Jahres 1868. 

Moriz von Kaiserfeld zählte zu den einflussreichsten Politikern des Reichsrates. Er war Mitglied des Ausschusses für die Abänderung des Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung und dessen Berichterstatter im Plenum des Abgeordnetenhauses. Fruchtbare parlamentarische Arbeit schreiben ihm die Historiker auch bei der Einführung der Ministerverantwortlichkeit, in der Finanz- und Steuerpolitik sowie bei der Organisation des Reichsgerichts zu. Als Präsident des Abgeordnetenhauses von 1868 bis 1870 überzeugte Kaiserfeld durch eine mäßigende und ausgleichende Verhandlungsführung.

Historisch interessant ist die ideologische Entwicklung Kaiserfelds. Im Spätsommer 1866 schrieb Kaiserfeld das "Ausseer Programm" der steirischen Autonomisten, in dem er die Forderung erhob, das polnisch-ruthenische Galizien und das kroatische Dalmatien von Österreich abzutrennen, um die politische Vormachtstellung der deutschsprechenden Österreicher in Cisleithanien zu bewahren. Als Abgeordneter organisierte Kaiserfeld im Reichsrat die Gruppe der Deutschen Autonomisten, die die Stärkung des Deutschtums in Österreich forderten und opponierte im Jahr 1871 Versuchen des konservativen Ministerpräsidenten Hohenwart, nationalen Forderungen der Tschechen in Böhmen entgegenzukommen. Diese Variante des deutschnational eingestellten Liberalismus wandelte sich in den siebziger Jahren nach und nach zu jenem radikalen Deutschnationalismus, an dessen Spitze seit 1879 der Antisemit Georg von Schönerer stand, der zu einem der wichtigsten politischen Vorbilder Adolf Hitlers wurde.

Werfen wir nun noch einen Blick auf das Wirken des steirischen Landespolitikers Moriz von Kaiserfeld. Nachdem er die Jahre des Neoabsolutismus als Bürgermeister von Birkfeld und als Mitglied der Landwirtschaftlichen Gesellschaft, deren Präsident er im Jahr 1866 wurde, überdauert hatte, fungierte Kaiserfeld seit April 1861 als Abgeordneter des Gemeindebezirks Weiz im steirischen Landtag und als Stellvertreter von Landeshauptmann Karl Graf Gleispach. In der Landesregierung (damals Landesausschuss genannt) war Kaiserfeld für Unterricht, Kultur, Gemeinden, Sanitätswesen und Verkehr zuständig und entfaltete auf allen diesen Gebieten eine lebhafte Tätigkeit. Im Jahr 1863 führte Kaiserfeld sein Anliegen, an der Karl-Franzens-Universität in Graz auch eine medizinische Fakultät einzurichten, zum Erfolg: Die Fakultät nahm am 1. Oktober 1863 ihre Tätigkeit auf und zeigte sich gegenüber Kaiserfeld dankbar, indem sie ihn schon 1864 zum Dr.med.h.c. promovierte.

Kaiserfelds besonderes Augenmerk galt dem im Jahr 1811 von Erzherzog Johann gegründeten Landesmuseum "Joanneum" und den angeschlossenen Bildungseinrichtungen. Auf seine Initiative hin beschloss der steirische Landtag im Jahr 1864 die Umgestaltung der Technischen Lehranstalt in die Technische Hochschule Graz. Zu den bleibenden Erfolgen Kaiserfelds zählen auch die Errichtung eines Landesarchivs durch Vereinigung des Joanneum-Archivs mit den Beständen der Landschaftlichen Registratur. 

Im Jahr 1871 wurde Moriz von Kaiserfeld von Kaiser Franz Joseph zum Landeshauptmann des Herzogtums Steiermark ernannt und auf Lebenszeit in das Herrenhaus des Reichsrates berufen. Die Schwerpunkte seines Wirkens als Landeshauptmann waren der Einsatz für die kulturellen Einrichtungen des Landes, der Ausbau des Eisenbahn- und Straßennetzes, die Regulierung von Enns und Mur sowie die Errichtung von Pflegeheimen und Schulen.

Im Jahr 1884 legte Kaiserfeld seine öffentlichen Ämter aus Gesundheitsgründen zurück. Am 14. Februar 1885 starb Moriz von Kaiserfeld auf Schloss Birkenstein bei Birkfeld. (Schluss)

Hinweis: Die Büste von Moriz von Kaiserfeld steht seit 2004 nicht mehr unter der Parlamentsrampe, sondern hat, bedingt durch den Bau des Besucherzentrums, in einem Gang im Erdgeschoß des Parlamentsgebäudes einen neuen Platz gefunden.